Anfang April hat die ProSiebenSat.1-Gruppe den österreichischen Privatsender ATV übernommen. Der Konzern, zu dem in Österreich auch Puls 4 gehört, kündigte eine harte Sanierung an, um den chronisch defizitären Sender wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Noch ist der Umstrukturierungsprozess nicht abgeschlossen, mehr als ein halbes Jahr nach der Übernahme lohnt sich aber ein Blick zurück. Bei ATV hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten nämlich einiges getan.

Zum Zeitpunkt der Übernahme lag ATV quasi am Boden. Mit nur noch rund 3,0 Prozent bei den 12- bis 49-Jährigen konnten die neuen Eigentümer nicht zufrieden sein, über Monate hinweg blieben notwendige Investitionen aufgrund des Verkaufsprozesses aus. ProSiebenSat.1Puls4 setzte seinen Programmdirektor Thomas Gruber als ATV-Geschäftsführer ein und der begann direkt mit dem Umbau. Gemeinsam mit Puls 4 wurde eine Komplementärprogrammierung beschlossen: ATV setzt mittwochs und donnerstags auf Eigenproduktionen wie "Bauer sucht Frau" und erbt zudem "Austria’s Next Topmodel". Puls 4 konzentriert sich fortan auf montags und dienstags auf eigene Formate wie "Bist du deppert" oder "Ninja Warrior Austria".


Aus Quotensicht bleibt nach mehr als einem halben Jahr festzuhalten, dass die Sanierer auf einem sehr guten Weg sind. ATV holte im November schon wieder 4,5 Prozent Marktanteil, das war der beste Wert seit Oktober 2014. ATV hat Puls 4 damit relativ schnell hinter sich gelassen, der zweite Privatsender der Gruppe erreichte im November 3,9 Prozent. Beim Gesamtpublikum liegen beide Kanäle gleichauf, auch hier zeigte die Kurve bei ATV zuletzt deutlich nach oben. "Wir haben damit den erwünschten Quoten-Turnaround deutlich früher geschafft als erwartet", sagt ATV-Chef Thomas Gruber gegenüber DWDL.de.

Schwarze Zahlen schreibt ATV damit aber freilich noch nicht. Zur Übernahme hieß es, spätestens in drei Jahren solle der Sender wieder Gewinne abwerfen. Derzeit sei man auf einem guten Weg, die Kunden würden die steigenden Quoten registrieren, sagt ProSiebenSat1Puls4-Geschäftsführer Markus Breitenecker. "Wir sind zuversichtlich, aber bis zur Erreichung der schwarzen Zahlen wird es noch dauern, da wir einen operativen Verlust von -14 Millionen Euro pro Jahr drehen müssen", so Breitenecker gegenüber DWDL.de. Derzeit stehe man kurz vor der Hälfte der Sanierungsschritte. "Das klingt bereits viel, trotzdem liegt noch viel Arbeit vor uns, wie zum Beispiel die Nachverhandlungen aller Verträge mit Lieferanten und Geschäftspartnern."

"Bis zur Erreichung der schwarzen Zahlen wird es noch dauern."

ProSiebenSat1Puls4-Geschäftsführer Markus Breitenecker

Ein Ziel wurde aber bereits erreicht: Inzwischen sind die Standorte von ATV und Puls4 zusammengelegt worden. Als die Übernahme bekannt wurde, kündigte ProSiebenSat.1Puls4 bereits an, die Mitarbeiter von ATV an den Hauptsitz des Konzerns holen zu wollen. Seit dem 26. November arbeiten nun alle Mitarbeiter der Gruppe aus dem Sendezentrum in Wien St. Marx, am Gebäude prangt schon das ATV-Logo. In St. Marx wurden für die ATV-Nachrichten auch neue Studios gebaut, zur Erinnerung: Die Bundeswettbewerbsbehörde, das österreichische Kartellamt, erließ zur Übernahme des Senders einige Auflagen. Demnach muss ATV auch weiterhin eigenständige Nachrichten produzieren. Teilweise handele es sich bei den Studios noch um provisorische Zwischenlösungen, sagt Breitenecker,  wichtig sei es aber gewesen, die Produktion noch in diesem Jahr am neuen Standort zu starten. "Die vollständige technische Lösung wird nun bis Anfang März 2018 fertiggestellt, wir bauen dafür momentan die modernste Sendeabwicklung Österreichs."

Im Zuge der Übernahme haben aber auch etliche Mitarbeiter ihren Job verloren. Im April hieß es, von den 150 Stellen sollten 80 erhalten bleiben. Das gilt auch weiterhin, wie vielen Mitarbeitern inzwischen aber gekündigt wurde, will Breitenecker nicht sagen. Ein bereitgestellter Sozialplan werde gut angenommen, man befinde sich aber noch mitten im Restrukturierungsprozess. 15 gekündigte ATV-Mitarbeiter, so viel verrät Breitenecker, konnten bislang im Konzern übernommen werden. Etliche bekannte Gesichter verließen den Sender in Richtung Red Bull: Dessen Chef startete mit "Addendum" zuletzt eine Recherche-Plattform.

Gemischtwarenladen ATV

In den vergangenen Monaten gab es auch immer wieder Kritik an der Übernahme - etwa als bekannt wurde, dass Puls 4 und ATV eine gemeinsame Wahlsendung planten. Die Bundeswettbewerbsbehörde prüfte daraufhin, ob das gegen die Auflagen verstieß. Außerdem stellt sich die Frage, wie eigenständig ATV inzwischen wirklich agiert. Nicht nur, dass der neue Chef von ProSiebenSat.1Puls4 kam und ATV-Mitarbeiter inzwischen Puls4-Mailadressen haben, mittlerweile finden sich auch einige alte ProSiebenSat.1-Formate im ATV-Programm, etwa "The Biggest Loser" oder "Kiss Bang Love". Ein Hauch von Thomas Ebelings Gemischtwarenladen schwebt durch das Programm.

Ebeling-Abgang hat wohl keine Auswirkungen

Ansonsten wird der Abgang des Konzernchefs in Unterföhring wohl keinen Auswirkungen auf das Österreich-Geschäft haben. Die ATV-Übernahme und die Sanierung müssen aus den bestehenden Ergebnissen in Österreich gestemmt werden, die Tochter performt allerdings mehr als solide. Bei 150 Millionen Euro Umsatz kam das Unternehmen laut "Standard" zuletzt auf 30 Millionen Euro Gewinn. Breitenecker ist zudem schon seit 1998 Chef des Österreich-Geschäfts von ProSiebenSat.1, damals leitete noch Georg Kofler die Geschicke in Unterföhring.

Für Unmut in der ATV-Belegschaft sorgte außerdem die Tatsache, dass Mitarbeitern gekündigt wurde, um ihnen später schlechter dotierte Verträge anzubieten. "Manche Gehälter der Vergangenheit sind bei dieser Sanierung und in einer Zeit, wo andere Kollegen den Job verlieren, nicht zu rechtfertigen. Daher ist das bei Einzelfällen leider unvermeidlich, sichert aber letztlich die jeweilige Position nachhaltig ab", sagt Breitenecker. Ansonsten ging die Übernahme aber weitestgehend geräuschlos über die Bühne. Kein Wunder: Wäre ProSiebenSat.1 nicht eingesprungen, würde es ATV heute vielleicht gar nicht mehr geben.

Und wie geht es nun weiter? ATV-Chef Thomas Gruber will, dass die Marktanteile auch 2018 weiter steigen. "Wir wollen weiterhin mit beiden Sendern wachsen und haben uns daher programmlich sehr gut auf das neue Jahr vorbereitet." Beim kleinen ATV II laufen inzwischen vermehrt Filme und Serien - auch das ließ die Quoten steigen. Ab dem neuen Jahr soll es hier nahezu keine ATV-Eigenproduktionen mehr zu sehen geben. Damit will man den Sender besser als bislang positionieren und auch ein Stück weit von ATV abgrenzen. Im April attestierte Gruber dem kleinen Kanal noch "fehlendes Profil". Seit der Übernahme hat Gruber beide Sender stark umgebaut und ihnen zu steigenden Quoten verholfen. Neben der weiteren Steigerung der Marktanteile wird man künftig wohl besonders daran arbeiten, diese gestiegenen Quoten auch den Werbekunden schmackhaft zu machen. 

Mehr zum Thema