Wenn RTL in letzter Zeit neue Serien auf den Bildschirm brachte, dann wirkten diese meist leicht und bekömmlich, ganz anders also als etwa "Deutschland 83", das zwar bei Kritikern gut ankam, letztlich aber am Publikum des Marktführers vorbeisendete. Als Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann vor fast genau einem Jahr in einem Interview über die Produktionen sprach, sagte er, allen sei gemein, dass sie mit einer "Extra-Portion Humor und Leichtigkeit" daherkommen sollen. Ob es letztlich für die Vielfalt der Serien spricht, wenn sie alle mit der mehr oder weniger identischen Tonalität daherkommen, sei jedoch mal dahingestellt.

So gesehen sticht eine neue Krimiserie, die RTL von dieser Woche an ausstrahlen wird, durchaus heraus aus dem fiktionalen Einerlei, das trotz unterschiedlicher Settings stets das Wohlfühl-Klima des Quoten-Erfolgs "Der Lehrer" aufzugreifen scheint. "Tatverdacht – Team Frankfurt ermittelt" schlägt da einen ganz anderen Weg ein, freilich schon alleine wegen des Genres. Aber auch wegen der Intensität, die sich möglichst auf den Zuschauer übertragen soll. Gleich in der ersten Folge geht es um ein zweijähriges Mädchen, das über Nacht spurlos aus dem Kinderbett verschwindet. Ermittelt wird zunächst im familiären Umfeld, ehe auch ein vorbestrafter Mörder in den Fokus rückt.

Das klingt nach konventionellem Krimistoff, erweist sich aber schon alleine deshalb als spannendes Projekt, weil es kein klassisches Drehbuch mit vorgefertigten Dialogen gibt. Stattdessen müssen die Darsteller improvisieren, allen voran das von Nina Kronjäger, Natalja Joselewitsch und Aleksandar Radenkovic verkörperte Ermittlerteam. "Für die Hauptdarsteller war der Dreh eine unglaubliche Anstrengung, weil ja von Anfang bis zum Ende nicht nur ihre schauspielerische Leistung gefragt war, sondern auch ihre Kreativität", sagt Produzent Guido Reinhardt vom Soap-Spezialisten UFA Serial Drama. "Das heißt nicht, dass andere Schauspieler am Ende des Tages nicht auch erschöpft sind. Aber in diesem Fall ist es nochmal eine ganz andere Kraftanstrengung."

Guido Reinhardt© UFA Serial Drama
Entsprechend wichtig war der Casting-Prozess, weil die Fähigkeiten der Improvisation auch im Team funktionieren muss – kein einfaches Unterfangen, wie die eher missglückten Impro-Ausflüge des Ludwigshafener "Tatorts" gezeigt haben. "Das musste Rolle für Rolle, zunächst separat und schließlich gemeinsam, erarbeitet werden. Wir haben letztlich mehr als ein Jahr gebraucht, um unsere drei Hauptdarsteller zu finden", erinnert sich Reinhardt (Foto) im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Danach galt es, Vokabeln der Polizei zu verinnertlichen und Verhörtechniken zu erlernen, damit die Gespräche möglichst authentisch daherkommen. Das gelingt freilich mal mehr, mal weniger gut.

Herausgekommen ist jedoch eine durchaus ungewöhnliche Serie, die sich nicht nur mit Blick auf die Drehbedingungen von klassischen Krimis unterscheidet, sondern auch hinsichtlich der Bildsprache, die doch sehr dokumentarisch daherkommt. Unterstützt wird dieser Eindruck durch den aus "Aktenzeichen XY" bekannten Sprecher Michael Brennicke, der am Anfang und Ende jeder Folge den jeweiligen Fall kommentiert. Als Vorbild diente die britische Serie "Suspects", hinter der mit Paul Marquess ein guter Bekannter von Guido Reinhardt steht. Marquess zeichnete in der Vergangenheit schon für die ITV-Serie "The Bill" verantwortlich und kennt sich somit bestens aus, wenn es um Mord und Totschlag im Fernsehen geht.

"Wir waren beide der Ansicht, dass man sich die Herangehensweisen bei der Produktion von Krimiserien anschauen sollte, beispielsweise hinsichtlich des Aspekts der Improvisation", sagt Reinhardt gegenüber DWDL.de. "Ich habe die Idee parallel zu ihm in Deutschland angeboten - die Umsetzung in Großbritannien ging dann allerdings zugegebenermaßen ungleich schneller über die Bühne." Tatsächlich strahlte Channel 5 seit 2014 bereits fünf Staffeln von "Suspects" aus - ein Erfolg, an den der deutsche Produzent bei RTL selbstverständlich nur allzu gerne anknüpfen würde. Gerne auch unter noch verschärfteren Drehbedingungen.

"Es gibt aber sicher noch Möglichkeiten, die Improvisation noch weiter auszureizen", betont Guido Reinhardt und bringt die Möglichkeit ins Spiel, darauf zu verzichten, den Ermittlern im Vorfeld des Drehs zu verraten, wer am Ende der Täter ist, "um sie noch stärker in die Lösung der Fälle zu involvieren", wie er sagt. Zunächst einmal gilt es jedoch, die Zuschauer von den bereits abgedrehten Folgen zu überzeugen. Zehn Wochen Zeit will RTL seiner neuen Serie geben. Auf die "Extra-Portion Humor und Leichtigkeit" wird das Publikum jedoch verzichten müssen.

RTL zeigt "Tatverdacht - Team Frankfurt ermittelt" jeweils donnerstags um 22:15 Uhr.