Will man eine Saison-Bilanz des Ersten ziehen, dann könnte man streng genommen zu weiten Teilen des Text aus dem vergangenen Jahr hervorholen. Allzu nennenswerte Veränderungen hat es im Programm des Senders jedenfalls nicht gegeben, was dann auch erklärt, weshalb es nicht gelungen ist, die Quoten nachhaltig zu steigern. Auffällig ist vor allem eines: Während der Trend zwischen September und Februar klar nach oben zeigte, sackte der Marktanteil in den letzten Monaten der Saison ab – auf bis zu 10,6 Prozent im Mai. Das Erste erreichte damit erneut sein historisches Tief aus dem Januar 2017.
Die jüngste Entwicklung mag auch deshalb überraschen, weil der Sender im Mai mit dem Eurovision Song Contest und dem DFB-Pokal-Finale zwei Quoten-Hits im Programm hatte. Allerdings fehlten dem Sender auch zwei Bundesliga-Relegationsspiele, die noch in den vergangenen Jahren für hohe Zuschauerzahlen gesorgt hatten. Vor allem aber machte sich zum Ende der Saison hin das Fehlen von "Wer weiß denn sowas?" bemerkbar, jener Show, die über ein halbes Jahr hinweg abräumte, wie es schon lange keinem Format mehr um 18 Uhr gelungen ist.
Mit Marktanteilen von teils mehr als 20 Prozent ist das Quiz mit Kai Pflaume eine Erfolgsgeschichte, von denen es ansonsten im Tagesprogramm des Ersten nicht mehr allzu viele gibt. Die anschließenden Serien zeigen sich jedenfalls erstaunlich unbeeindruckt vom Erfolg des Vorprogramms und abgesehen von "Rote Rosen", "Sturm der Liebe" und "Brisant" fehlt es derzeit an verlässlichen Zugpferden im Tagesprogramm. Insbesondere um 16 Uhr tun sich immer größere Probleme auf, weil noch immer keine Alternative zu den Zoo-Dokus gefunden werden konnte.
Für größere Sorgenfalten dürfte auch "Live nach Neun" sorgen. Das Magazin, das seit einigen Wochen nach dem "Morgenmagazin" in Konkurrenz zu "Volle Kanne" gesendet wird, dümpelt bislang mit tief einstelligen Marktanteilen vor sich hin. Besser sieht es im Anschluss an die vorabendliche Quiz-Schiene aus, wenngleich die Serien dort nur selten mehr als zehn Prozent Marktanteil schaffen. An der Ausrichtung soll vorerst aber nichts geändert werden, sodass sich an der Quoten-Situation auch nicht allzu viel ändern dürfte. Ambitionierte Ziele sehen gewiss anders aus.
Im Abendprogramm wiederum hat sich die ARD vor allem auf das verlassen, was auch in der Vergangenheit schon funktionierte: Der "Tatort" erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit, die Shows am Samstagabend sind eine Bank und auch bei den Serien am Dienstag setzte man vorwiegend auf Bewährtes. Mit "Falk" gesellt sich derzeit aber Neustart hinzu, der die ausgetretenen Wege vieler Dienstagsserien verlässt. Angesichts des nach starkem Start eingeschlagenen Quoten-Abwärtstrends bleibt aber erst noch abzuwarten, ob sich die Serie dauerhaft im Programm etablieren kann. Am Donnerstagabend wiederum wurde die Dosis der internationalen Krimi-Reihen weiter ausgebaut. Das bringt dem Ersten nicht gerade einen Innovationspreis ein, die Quoten fallen bei den meisten Reihen aber gut aus.
Es hapert am späten Abend
Problematisch wird’s aus Quotensicht dafür meist ab 21:45 Uhr: Dass der Sender seinen Polit- und Wirtschaftsmagazinen einen prominenten Sendeplatz einräumt, ist ebenso löblich wie der jüngste Versuch, montags zur besten Sendezeit auf ernsthaftere Dokumentationen zu setzen – viele Zuschauer schalten aber ganz offensichtlich lieber zum ZDF-"heute-journal", das in aller Regel deutlich vor "Plusminus" und "Monitor" rangiert. Das wiederum macht den "Tagesthemen" zu schaffen, die längst nicht so gefragt sind wie das Nachrichten-Pendent im Zweiten.
Am späten Abend reicht es in Folge dessen häufig nur noch einstellige Marktanteile – selbst wenn dort neue Folgen der "Vorstadtweiber" ausgestrahlt werden. "Maischberger" hat zudem am Mittwochabend zuletzt einige Zuschauer verloren und donnerstags fehlt es abseits von "Nuhr im Ersten", "extra 3" und "PussyTerror TV" noch immer an weiteren Aushängeschildern. Jüngst versuchte man sich eher schlecht als recht mit der Jubel-Reihe "Feiert", hinzu kommen verstärkt Bühnenprogramme von Komikern. Der große Quoten-Durchbruch blieb insbesondere in der zweiten Comedy-Schiene aber aus.
Unterm Strich bleibt somit eine erwartbar durchwachsene Saison, die beim Gesamtpublikum aber dennoch für den zweiten Rang hinter dem ZDF reichte - eine Position, mit der man sich inzwischen offenbar abgefunden hat. Vom einst durchaus selbstbewusst formulierten Anspruch, dass "Das Erste" auch aus Quotensicht wieder das Erste werden soll, ist jedenfalls schon länger nichts mehr zu hören. Für ein zwischenzeitliches Hoch mit mehr als 13 Prozent Marktanteil sorgten im Februar die Olympischen Winterspiele, die dem Ersten auch vermehrt jüngere Zuschauer einbrachten. Zu weiten Teil der Saison bewegte sich der Sender bei den 14- bis 49-Jährigen aber unterhalb der Marke von sieben Prozent Marktanteil, nennenswerte Fortschritte stellten sich auch hier nicht ein. Mit Blick auf die neue Saison bleibt vor allem die Hoffnung, dass "Babylon Berlin" ein großes Publikum finden wird.