Die Räumlichkeiten im Münchner Central Tower werden bald zu klein sein für all die Mitarbeiter, die seit Monaten am neuen Streaming-Angebot werkeln, für das ProSiebenSat.1 und Discovery vor eineinhalb Jahren eigens ein Joint-Venture gegründet haben. Mehr als 250 Menschen sind derzeit an dem Großprojekt beteiligt, von dem seit Kurzem bekannt ist, dass es auf den Namen Joyn hören wird. 7TV, Maxdome und der Eurosport Player sollen darin aufgehen, hört man seit Monaten, doch viele Fragen bleiben. Einige davon wollten Joyn-CEO Alexandar Vassilev und Co-Geschäftsführerin Katja Hofem am Dienstag bei einem Pressetermin beantworten.

Vor allem aber wollten sie einen Eindruck davon vermitteln, wie sich Joyn denn eigentlich anfühlt. Tatsächlich ist der Aufbau wenig überraschend: Alles wirkt luftig und aufgeräumt und erinnert grundsätzlich an Netflix, nur mit etwas mehr Farbe. Auf dem Homescreen gibt’s Empfehlungen, Sortierungen nach Genres, Livestreams und Zugang zu Mediatheken. Hierin liegen dann auch die spürbaren Unterschiede zu dem Konkurrenten aus Übersee, denn während Netflix rein auf On-Demand-Inhalte setzt, muss der 7TV-Nachfolger verschiedene Interessen unter einen Hut bringen, die ein klassisches Fernsehhaus mit sich bringen. Und das könnte es für den Nutzer kompliziert machen.

"Wir haben es mit einem sehr starken Wettbewerb zu tun, dem wir mit einem gegensätzlichen und unverwechselbaren Angebot entgegentreten wollen", sagt Alexandar Vassilev. Man habe sich genau angeschaut, "wo unser Platz am Markt ist". Und den sieht man hier, in der Münchner Innenstadt, in einem Freemium-Modell. "Joyn vereint als Aggregatorplattform alles unter einem Dach", erklärt der CEO. Doch das Bezahlmodell soll erst im Winter folgen. Die abspeckte Gratis-Version, die nach DWDL.de-Informationen am 18. Juni an den Start gehen soll, umfasst somit weder die Maxdome-Inhalte noch den Eurosport-Player, dafür aber mehr als 50 Sender im Live-Stream, darunter ARD und ZDF.

Erwartungsgemäß fehlen die Kanäle der RTL-Gruppe, die mit TVNow bekanntlich ihr eigenes Süppchen kocht. Erstaunlicher ist, dass Joyn die Sender aus dem eigenen Haus zunächst nicht in HD anbieten wird. Das soll erst später gegen Bezahlung ermöglicht werden, ebenso wie eine Download-Möglichkeit. Dafür will man zum Start kostenlose Previews von Serien wie "Jerks", "Die Läusemutter", "Single Diaries" und "Technically Single" anbieten. Mit der Einführung des Premium-Modells sollen weitere Eigenproduktionen folgen, darunter die neuen Serien "Check Check" mit Klaas Heufer-Umlauf und "Frau Jordan" mit Katrin Bauerfeind.

Joyn

Geplant ist, die jeweils erste Folge kostenlos zu anzubieten und die gesamten Staffeln gegen Bezahlung. So will man neugierig gewordene Fans zu echten Kunden machen. "Der Lokalkolorit ist unser großer Vorteil", sagt Katja Hofem mit Blick auf die Inhalte. "Unsere Produktionen müssen nicht so aussehen, dass sie überall auf der Welt funktionieren." Gleich zehn weitere Produktionen sollen im nächsten Jahr folgen, darunter auch Serien aus dem Shortform-Segment, die wiederum im kostenlosen Angebot landen könnten. "Die rennen uns echt die Türen ein", so Hofem über das Interesse deutscher Produzenten.

Abseits davon will Joyn aber auch in der Nische punkten und das Angebot durch kuratierte Themenchannels ergänzen. Zum Start sind "Motor Trend" und "Food Network" mit dabei, weitere werden folgen. Da muss man als Nutzer erst einmal durchblicken. Die größte Frage aber wird sein, ob sich Joyn rechnen wird – es ist eine Wette auf die Zukunft, bei der immer mehr Mitspieler dabei sein wollen. Angesichts rückläufiger TV-Werbeeinnahmen ist die Suche nach alternativen Einnahmequellen freilich wichtiger denn je. Wobei zu klären sein wird, ob das Streaminggeschäft ähnlich lukrativ sein wird wie es das Fernsehgeschäft lange war.

Hinsichtlich des werbefinanzierten Teils von Joyn sagt Katja Hofem, man wolle die "Ad-Experience" verbessern, also die Werbung für die Zuschauer angenehmer gestalten. Gleichzeitig soll Werbekunden das neue Angebot mit der Möglichkeit, personalisierte Spots schalten zu können, schmackhaft gemacht werden. Im ersten Schritt werde man Targeting bei den digitalen Spots, also den Pre-Rolls, anbieten, für den Livestream sei später ebenfalls Addressable TV angedacht, heißt es. Tiefer lässt man sich in München derzeit nicht in die Karten blicken. Auch nicht beim Preis.

Ähnlich vage äußeren sich die Verantwortlichen beim angepeilten Verhältnis zwischen Werbefinanzierung auf der einen und zahlenden Kunden auf der anderen Seite. Doch Katja Hofem zeigt sich beim Pressegespräch betont optimistisch: "Es wird sich rechnen."