ProSieben hat in den vergangenen Monaten viel gewagt. Dabei hat man zwar nicht alles gewonnen, aber doch eben sehr viel. In sieben von neun Monaten lag man über dem Schnitt aus der TV-Saison 2017/18, dreimal gelang zuletzt der Sprung über die Marke von zehn Prozent. Außerdem fiel der Sender nie unter 9 Prozent, auch das war in der Vorsaison nicht immer so. Der Blick auf die reinen Zahlen bringt also ein positives Ergebnis, doch die Saison war für ProSieben spannend wie selten zuvor - weil eben auch die Herausforderungen groß waren.

Begonnen hat die TV-Saison im September mit einem großen Knall. Als "Schlag den Henssler" in der Zielgruppe nur noch auf 7,9 Prozent kam, warf Steffen Henssler genervt das Handtuch. Der Versuch, Henssler als Nachfolger von Stefan Raab zu etablieren, scheiterte damit nach ziemlich genau einem Jahr - ausgerechnet in der Zeit, in der ProSieben doch die große Show-Offensive am Samstagabend ausgerufen hatte. Doch zunächst gab es reihenweise Probleme. Nicht nur "Schlag den Henssler" brach ein, auch auf "Beginner gegen Gewinner" oder "Die beste Show der Welt" war auf einmal kein Verlass mehr. Bereits im August hatte ProSieben mit der Neuentwicklung "Time Battle" einen Totalausfall verzeichnet und setzte die Show nach nur einer Ausgabe ab.

Da war es schon eine gute Nachricht, dass "Alle gegen Einen" mit Elton zwar nicht gerade ein großer Erfolg war, mit zwischenzeitlich über 11 Prozent Marktanteil aber zumindest sein Potential erahnen ließ. Nach den Hiobsbotschaften im Herbst wendete sich das Blatt damit dann doch langsam wieder zum Guten, auch wenn weitere Rückschläge folgten. So ist etwa auf Sport-Events wie Wintergames und Headis kein Verlass mehr - von der weiter ordentlich laufenden Promi Darts WM mal abgesehen, später in der Saison floppte mit "Superhero Germany" auch eine Physical Gameshow völlig. Dafür erwies sich das schon totgeglaubte "Schlag den Star" als ein sehr guter "Schlag den Henssler"-Ersatz und auch das überarbeitete "Duell um die Welt" funktioniert als Team-Variante ausgesprochen gut. Letzteres beweist auch, dass Joko und Klaas nicht immer zwingend im Mittelpunkt ihrer eigenen Shows stehen müssen - das sind gute Nachrichten für ProSieben.

Doch Joko und Klaas bleiben natürlich ein wichtiger Stützpfeiler im Programm von ProSieben. Das haben sie nicht zuletzt in den letzten Wochen gezeigt, als sie in ihrer neuen Show "Joko und Klaas gegen ProSieben" gemeinsam gegen den Sender antraten. Nicht nur die Show selbst wirkte dabei kurzweilig, die erspielten 15 Minuten, die Joko und Klaas selbst gestalten durften, sorgten sogar für eine noch höhere Reichweite und einen der denkwürdigsten Fernsehmomente überhaupt in dieser Saison. Und auch sonst gab es am Dienstagabend viel neues Programm. Vor dem Beginn der TV-Saison hatte man ja angekündigt, die "Simpsons" nur noch dann zu zeigen, wenn neue Folgen vorliegen.  

Große Umstrukturierung am Dienstag trägt erste Früchte

Das eröffnete Eigenproduktionen eine Tür. "Das Ding des Jahres" etwa wanderte auf den zweiten Tag der Woche und verbesserte sich im Vergleich zur ersten Staffel um einen ganzen Prozentpunkt. Auch die Info-Abende im Herbst liefen meist recht ordentlich, sofern ProSieben neue Ausgaben von "Galileo Big Pictures" zeigte. "Get the f*ck out of my house" wurde zwar zu einem großen Flop, insgesamt überwiegen trotzdem die positiven Erfahrungen, die ProSieben mit seinem neu aufgestellten Dienstagabend gemacht hat. Darauf kann man aufbauen, was angesichts der Schwäche der "Simpsons" auch notwendig war.

Auch der Montagabend war die meiste Zeit über eine verlässliche Quotenstütze für ProSieben - doch es zeigen sich Wolken am Horizont. "The Big Bang Theory" ist in den USA bekanntlich bereits zu Ende gegangen, hierzulande werden die letzten Folgen ab dem Herbst zu sehen sein. Auch mit Wiederholungen fährt ProSieben derzeit zwar noch recht gut, aber natürlich längst nicht so gut wie mit frischen Folgen. Es wird eine der großen Herausforderunge für die Zukunft: Was macht man künftig ohne die neuen Folgen von "Big Bang"? Die anderen Sitcoms können an den großen Erfolg der Nerds nicht anknüpfen, am besten läuft es nach wie vor für den "Big Bang"-Ableger "Young Sheldon" - doch wie er sich ohne die Mutterserie schlägt, bleibt noch abzuwarten. Am späten Montagabend hat "Late Night Berlin" mittlerweile sein Stammpublikum gefunden - das allerdings nur bei rund einer halben Million Zuschauern liegt. Gut getan hat dem Format im Herbst allerdings die Tatsache, dass einige zusätzliche Ausgaben im Anschluss an "The Voice" zu sehen waren, hier erreichte Klaas Heufer-Umlauf mehr als eine Million Menschen, was wiederum auch auf die Montagssendungen abstrahlte. Man darf gespannt sein, ob man daraus bei ProSieben noch irgendwelche Schlüsse ziehen wird.

Apropos "The Voice": Die Castingshow war trotz merklicher Verluste neben "Germany’s Next Topmodel", das sich deutlich steigern konnte, einer der ganz wichtigen Quotenbringer am Donnerstagabend. Das ungelöste Problem blieb, für die Zeit dazwischen weitere Erfolge zu finden. "Masters of Dance" war ein Flop mit Ansage: Schon in der Vergangenheit waren derartige Tanzwettbewerbe im Fernsehen allenfalls mäßig beliebt. Auch "Global Gladiators" lief deutlich schlechter als ein Jahr zuvor und mit "My Hit. Your Song" fand auch ein neues Format nur wenig Zuspruch. Darüber hinaus hat ProSieben auch versucht, die späteren Sendeplätze besser zu bespielen. "Win Your Song" war eine tolle Show, die im Schlepptau von "The Voice" sehr gut lief, "Matchmakers" war dagegen inhaltlich schwach und holte entsprechende Quoten - da halfen auch die "Topmodels" im Vorlauf nur bedingt etwas.  

"taff" stark wie lange nicht

Dass ProSieben in so vielen Monaten besser dastand als im Vorjahr ist aber nicht zuletzt auch auf die Daytime zurückzuführen. Die Sitcoms am Nachmittag sind weiter eine sichere Bank, die "Simpsons" haben sich am Vorabend nach einem Durchhänger wieder spürbar erholt und auch "Galileo" liegt nun wieder bei konstant zweistelligen Werten. Der heimliche Star im Tagesprogramm von ProSieben heißt aber "taff". Das inzwischen 24 Jahre alte Magazin hat zuletzt deutlich zugelegt, im laufenden Jahr steht man bei fast 15 Prozent Marktanteil. Besser performt kein anderes Format in der Daytime - und "taff" zieht damit auch "Newstime" nach oben. Die Nachrichten liegen derzeit ebenfalls über dem Senderschnitt.

Was bleibt also von dieser Saison? ProSieben hat in den vergangenen Monaten wichtige Erfahrungen sammeln können. Vor allem für den Dienstagabend hat man bereits nach der ersten Saison eine Reihe von Eigenproduktionen, die dort gut funktionieren. Das ist eine gute Basis, um den Erfolg hier auszubauen. Und der Fokus auf Eigenentwicklungen ist auch dringend nötig, weil die Versorgung mit US-Ware weiter problematisch bleibt. Mit "Big Bang" kann man sich vielleicht noch ein Jahr in der Primetime durchhangeln, danach wird man sich aber nach neuen starken Zugpferden umsehen müssen. Im Drama-Bereich jedenfalls kann man sich nach wie vor nur auf "Grey’s Anatomy" verlassen - alle anderen Serien liefen im besten Falle unauffällig oder fielen ganz durch. Nur die Blockbuster am Sonntagabend sind derweil gesetzt und performen nach wie vor sehr gut - hier muss man also nichts wagen. Doch an Herausforderungen für die kommende TV-Saison mangelt es dafür an diversen anderen Stellen nicht.