Es ist noch nicht lange her, da war Simon Stäblein nur wenigen Kennern der Comedy-Szene ein Begriff. Inzwischen aber hat der gebürtige Unterfranke eine beachtliche Karriere hingelegt, die dazu führte, dass er für den Radiosender 1Live die "Hörsaal-Comedy" moderiert oder zuletzt regelmäßig durch die "NightWash"-Shows führte. An diesem Wochenende kommt nun eine ganz besondere Aufgabe auf den 31-Jährigen zu, denn zusammen mit Bettina Böttinger wird er im Kölner Gloria Theater für den WDR eine Show präsentieren, dessen Titel erst mal nicht so recht nach typischer WDR-Unterhaltung klingt.

Tatsächlich ist "Küsst euch!" auch sonst alles – außer gewöhnlich. Bei der Sendung handelt es sich nämlich um eine Show zum Kölner Pride-Wochenende , das am Sonntag mit der traditionellen Parade seinen Höhepunkt finden wird. Mehr als eine Million Menschen sollen im vergangenen Jahr auf der Straße gewesen sein, diesmal dürfte die Zahl ähnlich hoch ausfallen, immerhin jährt sich der Christopher Street Day nun bereits zum 50. Mal. Alles begann in der Nacht zum 28. Juni 1969, als sich in einer Bar in der New Yorker Christopher Street erstmals eine große Gruppe queerer Meschen der Verhaftung bei einer Polizeirazzia widersetzte.



"Die Botschaft der Show ist eindeutig: Love is Love. Jeder sollte den Menschen küssen dürfen, den er liebt. Deswegen hoffe ich, dass sich in unserer Sendung möglichst viele Menschen küssen werden", sagt Simon Stäblein im Gespräch mit DWDL.de mit Blick auf die CSD-Show, die von "queer@wdr", dem Netzwerk für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle WDR-Mitarbeiter*innen entwickelt wurde und von Bettina Böttingers Firma Encanto produziert wird. Stäblein selbst erhielt die Anfrage zur Moderation erst vor wenigen Wochen. Böttinger habe er bis dahin nicht persönlich gekannt, erzählt er. "Daher war ich im Vorfeld schon nervös, ob wir uns verstehen würden."

Dass Stäblein die Moderation der Sendung übernimmt, ist keineswegs selbstverständlich, schließlich wollen auch heute noch viele Schwule ihre sexuelle Orientierung im Fernsehen lieber nicht thematisieren, weil sie um Aufträge fürchten – so wie Jochen Schropp, der nach seinem Outing vor einem Jahr im "Stern" mutmaßte, er werde wohl keine Rollenangebote als Herzensbrecher mehr bekommen. Nun wird er ebenso wie ESC-Siegerin Conchita Wurst, der Komikerin Tahnee und Grünen-Politikerin Claudia Roth einer der Gäste bei "Küsst euch!" sein, eingebettet zwischen Aktionen, Spiele, Musik-Acts und Talks.

"Ich wundere mich ein wenig darüber, dass es in den Redaktionen der Sender und Produktionsfirmen zwar viele Schwule gibt, aber vieles vor der Kamera nicht in der Relation dazu steht", sagt Simon Stäblein. "Und wenn dann Schwule vor der Kamera stehen, dann ist es oft gleich so bunt und schrill wie bei der TV-Hochzeit von Hubert und Matthias. Vielleicht macht es das insbesondere für junge Menschen, die sich gerade in der Findungsphase befinden, schwer, sich damit zu identifizieren, weil die Welt für sie eben nicht nur rosa ist. Natürlich soll jeder so sein wie er will und natürlich ist die schwule Welt sehr fröhlich – doch das ist eben nur ein Aspekt von vielen."

Das Fernsehen habe sich weiterentwickelt, aber es gebe noch Nachholbedarf, attestiert Stäblein dem Medium, in dem er nun selbst zu sehen ist. Doch auch die CSD-Show des WDR soll bunt werden, verspricht der Moderator und Comedian. "Trotzdem freue ich mich drauf, an manchen Stellen etwas ernster zu werden, besonders in den persönlichen Gesprächen mit den Gästen. Ich selbst bin ja in einer kleinen Stadt aufgewachsen, in der ich irgendwann gemerkt habe, dass ich vielleicht nicht so bin wie die anderen – dem einen oder anderen Gast ging das sicher ganz genauso. Das ist eine schöne Verbindung, die ich gerne aufgreifen möchte."

Für ihn selbst ist "Küsst euch!" ohne Zweifel der nächste Schritt auf der Karriereleiter, die in der Vergangenheit nicht durchweg nach Plan gebaut war. "Die Jobs, die das meiste Geld abwerfen, sind oft die schlimmsten", erzählt Simon Stäblein im Gespräch mit DWDL.de und erinnert sich an eine Dinner-Show, bei der fast keiner der Gäste verstand, was er da eigentlich erzählte. "Und dann stand ich einmal auf einem Schiff: Mein Platz war eine Treppe, das Publikum war an Stehtischen verteilt und hörte kaum zu. Nach zwölf Minuten habe ich abgebrochen und auf den zweiten Auftritt des Tages verzichtet." Später sei er mitleidig angesehen worden. "Ich konnte ja nicht weg. Die einzige Möglichkeit zu gehen, wäre ein 'Köpper' in den Rhein gewesen."

Dafür, dass diesmal nichts schiefgehen wird, dürfte Bettina Böttinger sorgen – und das Kölner Publikum, das "Küsst euch!" zur Party machen soll, auch wenn die erhoffte Partystimmung bei der Aufzeichnung wohl größer gewesen wäre, hätte es mehr Musik und weniger Talk gegeben. "Ich bin gespannt auf das Meer an Regenbogenfahnen im Gloria-Theater, auf ein Publikum, das so stolz und fröhlich vor unseren Kameras feiern wird, bis der Funke auch auf diejenigen überspringt, die sich mit Toleranz gegenüber queeren Menschen immer noch schwer tun", sagte die Moderatorin im Vorfeld. "Die Zeiten, in denen wir uns wegducken sollten, sind vorbei. 50 Jahre nach Stonewall werden wir feiern, weil unsere Lebenslust boomt."

Der WDR zeigt "Küsst euch!" am Sonntag um 21:45 Uhr.