In Großbritannien sind innerhalb eines Jahres zwei Kandidaten von "Love Island" gestorben, zuletzt nahm sich auch ein Mann das Leben, nachdem er in der "Jeremy Kyle Show" zu Gast war und einen Lügendetektor-Test nicht bestanden hatte. ITV ist in beiden Fällen der ausstrahlende Sender gewesen und hat zumindest die Talkshow direkt nach dem Vorfall eingestellt. Die Summe der tragischen Vorfälle hat inzwischen zu einer breiten Debatte darüber geführt, wie sehr Sender und Produktionsfirmen sich um Teilnehmer von solchen Sendungen kümmern - oder eben auch nicht. Selbst das Parlament in London hat sich bereits mit der Sache beschäftigt. 

Auf dem Edinburgh TV Festival wurde unter dem Titel "Duty of care" ebenfalls zu diesem Thema gesprochen. Einen interessanten Einblick dabei liefern konnte Jeff Brazier, der ebenfalls durch das Reality-TV bekannt wurde. 2001 nahm er an der Show "Shipwrecked" teil. Damals habe es überhaupt keine Gespräche oder Vorkehrungen gegeben, sagte Brazier mit Blick auf die aktuellen Diskussionen und Maßnahmen, die die Sender ergriffen haben. 2018, als er bei "SAS: Who Dares Wins" zu sehen war, sei das ganz anders gewesen. Dort habe es vor, während und nach der Ausstrahlung Gespräche mit Psychologen gegeben. 

Dieses Beispiel zeigt schon sehr gut, was sich in den vergangenen Jahren in Großbritannien verändert hat, wenn es um den Schutz von Teilnehmern von TV-Shows geht. Und so erklärten auch alle auf dem Panel vertretenen Personen unisono, dass der Schutz eben dieser Personen sehr wichtig sei - aber bereits auch schon passiere. "Producers do care", war einer der Sätze, der auf dem Panel am häufigsten fiel. 

Etwas in der Defensive war Angela Jain, Managing Director bei ITV Studios Entertainment. ITV stand zuletzt besonders im Fokus der Debatten. Zur "Jeremy Kyle Show" verwies Jain lediglich auf die Statements des Senders. Stattdessen zählte sie auf, was man nun bei "Love Island" alles für die Kandidaten tue. So bietet man den Teilnehmern neben psychologischer Betreuung unter anderem auch Training im Bereich Social Media an (DWDL.de berichtete). 

Hinken andere Branchen hinterher?

Tim Hincks, Co-CEO der Produktionsfirma Expectation und früherer "Big Brother"-Produzent, verwies in der Runde auf andere Branchen wie etwa die Musikindustrie, dort würde sich, im Gegensatz zur TV-Branche, niemand um die Menschen kümmern, die im Rampenlicht stehen. Auch wenn Menschen durch Nachrichten zufällig einen Popularitätsschub erhalten, würde sich niemand mit ihnen beschäftigen und ihnen psychologische Unterstützung anbieten. Im Fernsehen sei das anders - schon immer. Hincks sagt, Sender und Produktionsfirmen würden schon seit jeher auf die Bedürfnisse der Menschen achten - das sei keine Erfindung der regulatorischen Behörden. 

Produzenten sollen sich im Vorfeld nicht einschränken

Zuletzt hatte sich etwa auch die Ofcom in die Debatte eingeschaltet, demnächst wird es wohl neue Regeln geben, um TV-Show-Teilnehmer besser als bislang zu schützen (DWDL.de berichtete). Kelly Webb-Lamb, Deputy Director Programm und Head of Popular Factual, zeigte auf dem Panel in Edinburgh Verständnis für das Einmischen der Ofcom. Gleichzeitig appellierte sie aber auch an die Produzenten, dass diese aufgrund der Diskussionen ihre Ideen nicht limitieren sollten. Sie dürften keine Tabus haben. Wenn ein fertiges Konzept auf dem Tisch liege, könne man immer noch darüber reden, wie man die Kandidaten am besten schütze. Der wichtigste Punkt ist für die TV-Managerin Transparenz: Die Teilnehmer müssten wissen, an welchem Format sie teilnehmen, worum es geht und was die Intentionen der Macher sind. 

Eigentlich sind sich also alle einig: Die Unterstützung für TV-Teilnehmer ist wichtig, in Zukunft soll es keine weiteren Todesfälle durch Unterhaltungsformate geben. Natürlich besteht dabei auch die Gefahr, dass es durch neue Regeln nicht mehr alle potenziellen Kandidaten tatsächlich auch in die jeweilige Show schaffen. Wenn gesundheitliche Probleme einer Teilnahme entgegenstehen, wird man künftig wohl genauer hinschauen. Tim Hincks von Expectations warnt gleichzeitig aber auch: "Wir müssen das Recht der Leute, an TV-Shows teilzunehmen, verteidigen. Es ist kein Verbrechen, ein Promi werden zu wollen." Dabei, so Hincks, müsse und wolle man die Teilnehmer bestmöglich unterstützen und schützen.