Die "komplizierteste und anspruchsvollste Rechtevergabe" der Bundesliga-Geschichte stellte Christian Seifert in Aussicht. Das war am 3. März. Dass die Corona-Krise die Deutsche Fußball-Liga (DFL), deren Geschäftsführer er seit 15 Jahren ist, alles noch viel komplizierter und anspruchsvoller machen würde, wusste Seifert zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nur acht Tage später legte die Pandemie den Spielbetrieb für zwei Monate lahm und offenbarte in der Folge, wie knapp viele Klubs bei Kasse sind - trotz der hohen Summen, die dank milliardenschwerer TV-Rechte fließen.

In der aktuellen Rechteperiode bezahlen die Sender zusammengerechnet mehr als vier Milliarden Euro, um über die Bundesliga berichten zu können. Mit einer 83-prozentigen Steigerung wie beim letzten Mal rechnete Seifert allerdings schon vor Corona nicht. "Wir streben ganz klar ein weiteres Wachstum an, aber es muss ein gesundes Wachstum sein." Fraglich, ob Seifert das heute noch einmal so sagen würde, schließlich hat die Krise nahezu alle Unternehmen getroffen.

Das Dilemma: Wer heute die Bundesliga-Rechte kauft, verpflichtet sich für gleich vier Spielzeiten - das wirkt angesichts der Geschwindigkeit, mit der Corona binnen weniger Wochen die Wirtschaft ebenso wie die Gesellschaft veränderte, wie eine Ewigkeit. Und doch geht es etwa für Sky um viel. Wenn nicht sogar um alles. Der Pay-TV-Sender braucht die Bundesliga, weil sie, aller Bemühungen abseits des Sports Fuß zu fassen, noch immer das wichtigste Zugpferd ist. Erst recht, nachdem jüngst sogar die Champions League abhanden gekommen ist.

Mit einer Entscheidung wird an diesem Montag gerechnet, nachdem in den vergangenen beiden Wochen um zahlreiche Rechte-Pakete gepokert wurde - knapp zwei Monate später als ursprünglich geplant. Die wichtigste Neuerung: Anders als bisher ist es denkbar, dass wieder ein einziger Pay-TV-Anbieter alle ausgeschriebenen Pakete erwirbt. Sollte dem so sein, werden die in der Auktion an dritter und vierter Stelle ausgeschriebenen Pakete jedoch zur parallelen Verwertung über die Übertragungswege Web und Mobile-TV an einen zweiten Anbieter vergeben – welche Pakete an welcher Stelle stehen, entscheidet sich erst im Laufe des Pokers.

Entscheidend für die Beantwortung der Frage, wer den Zuschlag kommt, ist die Höhe des Gebots. Zumindest sofern der Unterschied zwischen dem höchsten und zweithöchsten Gebot mehr als 20 Prozent beträgt. Sofern die Differenz geringer ausfallen sollte, würde eine zweite Runde folgen. Sollten die Gebote auch dann noch enger als 20 Prozent beisammenliegen, kann sich die DFL theoretisch auch für das niedrigere Gebot entscheiden, sofern qualitative Kriterien dafür sprechen. Hier hätte Sky womöglich einen Vorteil: Dass der Sender jüngst einen großen Teil seiner Rate bezahlte, obwohl gar nicht klar war, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann, dürfte für den Platzhirschen sprechen. 

Um welche Pakete geht es?

Mit Blick auf die Bundesliga-Spiele wird es künftig leicht veränderte Anstoßzeiten geben. Während sich am Samstag nichts ändert, beginnt das zweite Sonntagsspiel fortan um 17:30 Uhr und damit eine halbe Stunde früher als bisher. Neu ist, dass zehn sogenannte "Entlastungsspiele" sonntags um 19:30 Uhr angepfiffen werden. Im Gegenzug entfallen die ganz frühen Sonntagsspiele und die ungeliebten Partien am Montagabend. Das Topspiel der 2. Liga wandert nach vielen Jahren vom Montag auf Samstag um 20:30 Uhr. Letzteres wird sowohl für Pay- als auch Free-TV ausgeschrieben - und vieles spricht dafür, dass sich Sport1 die Rechte daran gesichert hat.

Bundesliga-Ausschreibung

Pay-TV-Anbieter können mit Blick aufs Oberhaus derweil um vier Rechtepakete buhlen. Paket A umfasst die Samstags-Konferenz, in Paket B sind die Einzelspiele am Samstag um 15:30 Uhr enthalten sowie die Relegation zwischen Bundesliga und 2. Bundesliga. Konkret könnte die Aufsplittung also zur Folge haben, dass Einzelspiele woanders laufen als die Konferenz, auch wenn übereinstimmende Medienberichte darauf hindeuten, dass sich Sky diese Pakete ebenso gesichert hat wird das Paket C, das wiederum das Topspiel am Samstag und den Supercup beinhaltet. Deutlich aufgewertet wird das Paket D, das nicht nur die Freitagsspiele umfasst, sondern auch sämtliche Sonntagsspiele. Hinzu kommt noch ein Live-Paket fürs Free-TV, in dem drei Bundesliga-Spiele, der Saison-Auftakt der 2. Liga, der Supercup und sämtliche Relegationsspiele dabei sind. Letztere kehren damit definitiv wieder ins Free-TV zurück.

Für die 2. Bundesliga gibt es indes zwei Pakete: Paket F umfasst sämtliche Spiele am Freitag und Sonntag sowie Samstag um 13:30 Uhr und die Relegation zwischen 2. Bundesliga und 3. Liga. In Paket G geht es um das Topspiel am Samstagabend, das sich theoretisch auch ein Free-TV-Sender sichern könnte. Denkbar ist auch eine Aufsplittung, so wie das in der Vergangenheit schon von Sky und Sport1 gehandhabt wurde.

Wie stehen die Chancen?

Nach DWDL.de-Informationen stehen die Chancen nicht schlecht, dass Sky auch in Zukunft die Bundesliga zeigen wird. Allerdings hat sich in den vergangenen Wochen mit Amazon noch ein weiterer Mitbewerber aufgetan: Nachdem Eurosport die Gunst der Stunde nutzte und einen ungeliebten Bundesliga-Vertrag kündigte, nutzte Amazon die Gunst der Stunde und übertrug seither parallel zu DAZN mehrere Spiele live - auch die Relegation wird Amazon in wenigen Tagen über seinen Streamingdienst Prime Video zeigen. Und nachdem sich der US-Riese bereits einige Champions-League-Rechte gesichert hat, ist klar: Amazon will mit Live-Sport wachsen. 

Dass Amazon für seine Wachstumspläne das vollumfängliche Bundesliga-Paket benötigt, ist eher unwahrscheinlich. Ganz sicher hätte schon das Sonntags-Paket großen Charme. Das gilt auch für DAZN, das in der aktuellen Saison-Blut leckte und nur allzu gerne weiter am Ball bliebe. Mit dem Erwerb fast aller Champions-League-Spiele ab der Saison 2021/22 dürfte der Sport-Streamer jedoch bereits tief in die Tasche gegriffen haben. Und dann ist da auch noch die Deutsche Telekom und damit so etwas wie die große Unbekannte. Die Bundesliga würde MagentaSport mächtig aufwerten - und dass der Bonner Riese immer für eine Überraschung gut ist, zeigt der Kauf der Rechte für die EM 2024.

Tatsächlich läuft wohl alles auf eine Splittung der Rechte zwischen Sky und DAZN hinaus. Während Sky samstags am Ball ist, soll der Streamingdienst laut eines "Bild"-Berichts vom Wochenende die übrigen Partien übertragen und damit mehr als je zuvor. Für Sky würde das Bundesliga-Paket damit weiter zusammenschrumpfen. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass sich der Pay-TV-Sender im Gegenzug komplette Exklusivität bei der Formel 1 gesichert hat - nach fast 30 Jahren nach RTL jedenfalls seinen Rückzug von der Motorsport-Königsklasse angekündigt. 

Hat die "Sportschau" eine Zukunft?

Insgesamt sieben Highlight-Rechte werden vergeben – hier fällt auf, dass das Paket, das aktuell Nitro für Zusammenfassungen am späten Montagabend nutzt, nicht mehr ausgeschrieben wird. Neu ist hingegen die Möglichkeit, am Montag um Mitternacht Highlight-Clips zu zeigen, in deren Gestaltung die Anbieter frei sind. Darüber hinaus haben Bezahlanbieter künftig die Möglichkeit, schon direkt nach Abpfiff Highlights zu zeigen. Ansonsten ändert sich wenig: So schreibt die DFL Pakete aus, wie sie bisher von der "Sportschau", dem "Sportstudio" oder Sport1 genutzt werden. Insbesondere durch den Ausbau der Live-Spiele will die DFL also die Free-Berichterstattung stärken. 

Generell dürfte vieles dafür sprechen, dass die Bundesliga am Samstag weiter in der "Sportschau" beheimatet ist. Allerdings fällt der Poker um die Rechte in eine Phase, in der die Quoten spürbar gesunken sind. Zuletzt rutschten die Marktanteile unter die Marke von 20 Prozent, bei den Spielzusammenfassungen unter der Woche schalteten nur rund zwei Millionen Zuschauer ein. "Ich weiß nicht, ob das nicht so herausragende Zuschauerinteresse auch Protest ist", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky jüngst der dpa. "Aber Fußball ist einigen Menschen im Moment anscheinend nicht so wichtig wie sonst."


Spannend ist auch die Frage, was Axel Springer plant. Der Verlag könnte sich etwa für das Paket K interessieren, das es erlaubt, sonntags zwischen 6 und 15 Uhr Zusammenfassungen zu zeigen -  Sport1 nutzt dieses Paket derzeit unter anderem, um den "Doppelpass" mit Spielbildern aufzuwerten. Auffällig ist, dass "Bild" zuletzt seine Fußball-Berichterstattung ausgebaut hat, unter anderem mit einem regelmäßig Talk mit Marcel Reif. 

Neu ist außerdem die Ausschreibung eines sogenannten "Digital Out of Home"-Pakets, das Verwertungsrechte für digitale Außenwerbung vorsieht. Theoretisch ist dadurch denkbar, dass Fans etwa beim Warten auf die Bahn kurze Ausschnitte aus Bundesliga-Spielen sehen können. Gezeigt werden dürfen diese jeweils nach dem Ende der Erstberichterstattung im Free-TV. "Wir wissen nicht, was dabei herauskommt", sagte DFL-Chef Christian Seifert im März und sprach von "sehr überschaubaren Umsatzerwartungen" in diesem Bereich. Gleichwohl gehe es darum, die Aufmerksamkeit zu steigern und mehr Flexibilität in der Nutzung von Bundesliga-Bildern anzubieten.

Offiziell will sich die DFL übrigens im Laufe des Nachmittags zu der Vergabe der Rechte äußern - im Anschluss an eine Mitgliederversammlung, deren Beginn für 13:30 Uhr angesetzt ist. 

Mehr zum Thema