An Erfahrungen mit Impro-Projekten mangelt es Jan Georg Schütte nun wahrlich nicht. Er ist so etwas wie der Branchen-Experte in diesem Gebiet und hat auf diese Art schon einen "Tatort" und viele weitere Filme ("Altersglühen", "Wellness für Paare" etc.) umgesetzt. Jetzt kommt mit "Für immer Sommer 90" ein weiteres hinzu. Bei dem führt er nicht nur erstmals gemeinsam mit Lars Jessen Regie, mit einer möglichen Vergewaltigung im Mittelpunkt der Geschichte behandelt man zudem ein heikles Thema, bei dem man schon mal mit viel Kritik rechnen muss, wenn man es nicht angemessen umsetzt.
"Ich hatte da große Bedenken, diesem Thema insbesondere mit unserem männerlastigen Autoren-Team nicht gerecht zu werden", sagt Schütte im Gespräch mit DWDL.de. Aber gerade durch die Improvisation, die in der entscheidenden Szene durch eine Frau geführt worden sei, habe man einen adäquaten Umgang mit der Thematik gefunden, zeigt sich der Filmemacher überzeugt. "Die größte Herausforderung war, dass wir einen Plot hatten, den es zu erfüllen gab. Impro hin oder her", so Schütte.
Die Handlung setzt im Sommer des Jahres 1990 an. Deutschland befindet sich noch im Wiedervereinigungrausch und in Mecklenburg-Vorpommern nutzt die Jugendclique von Andy (Charly Hübner) den Titelgewinn bei der Fußballweltmeisterschaft für eine ausgelassene Party am See mit Alkohol, Drogen und anschließendem Filmriss. Was in der Nacht passiert ist, bekommt 30 Jahre später eine neue Bedeutung. Andy ist inzwischen erfolgreicher Investmentbanker und nutzt selbst die Corona-Krise für einen Karrieresprung. Eine anonym verfasste Nachricht wirft ihm nun jedoch vor, damals vor 30 Jahren eine junge Frau vergewaltigt und damit ihr Leben zerstört zu haben. Zunächst vermutet er eine berufliche Intrige – womöglich zugunsten seiner Kollegin Bea (Lisa Maria Potthoff). Dass auch seine Mutter Ingrid (Walfriede Schmitt) das Schreiben erhalten hat, bringt ihn auf eine andere Vermutung. Jemand aus seiner alten Clique, bei der sich Andy 30 Jahre nicht gemeldet hat, muss damit etwas zu tun haben. Nach und nach sucht er seine Freunde von früher auf.
Charly Hübner auch als Autor mit dabei
Hauptdarsteller Charly Hübner war auch an der Buch-Entwicklung beteiligt, darüber hinaus schrieben Jessen und Schütte die Geschichten. Die Handlung war größtenteils also vorgegeben, hinzu kamen überraschende Details, auf die die Schauspieler spontan reagieren mussten. Jessen agiert bei dem Projekt neben Klaas Heufer-Umlauf zudem auch als Produzent, als Produktionsfirma steht Florida Film hinter "Für immer Sommer 90". Auftraggeber war die ARD Degeto (Redaktion: Carolin Haasis, Christoph Pellander). Und auch wenn es ihre erste gemeinsame Regie-Arbeit war, kennen sich Jessen und Schütte natürlich auch schon aus anderen Projekt. Zuletzt war Jessen bei Schüttes Impro-Serie "Das Begräbnis" als Produzent mit an Bord.
Und was war nun die Herausforderung in der ersten gemeinsamen Regie-Arbeit der beiden Filmemacher? "Wir sind beide kollegiale Menschen, die sich schon ein paar Sporen verdient haben. Da musste sich keiner profilieren. Ich habe mich bemüht, wirklich einen substanziellen Beitrag zu leisten und dabei Jans Methode nicht zu beschädigen und gleichzeitig sanft in eine gestaltetere Form zu führen", sagt Jessen gegenüber DWDL.de. Er würde sich jederzeit wieder auf die Arbeitsweise von Schütte einlassen, so Jessen. "Nur würden wir beim nächsten Mal definitiv auf Komödie setzen. Uns fehlt da sonst was fürs Seelenheil."

Auch die Art der Veröffentlichung ist durchaus besonders. Ab dem 23. Dezember ist "Für immer Sommer 90" als vierteilige Miniserie in der Mediathek zu sehen, ab 6. Januar ist dann eine Film-Version der Miniserie im Ersten zu sehen. Alle Szenen des Films werden auch in der Serie zu sehen sein, dort lässt man sich atmosphärisch aber etwas mehr Zeit und erzählt einige Momente ausführlicher.
Wir sind beide kollegiale Menschen, die sich schon ein paar Sporen verdient haben. Da musste sich keiner profilieren.
Lars Jessen
Den Dreh hätten die unterschiedlichen Formate nicht beeinflusst, sagt Schütte, der übrigens in zwei Cameo-Auftritten zu sehen ist. "Beim Schnitt war es schön zu wissen, dass man für die Serie etwas mehr Atem lassen kann." Jessen bezeichnet das gesamte Projekt als eine Art Wette. "Vielversprechende Zutaten in Form der beteiligten Kreativen waren dabei und eine gute Grundidee. Insofern hatten wir eine solide Chance auf starke Szenen. Aber ob das ein Film werden würde, der 90 Minuten trägt, der spannend, abwechslungsreich und überraschend genug ist, das war das wirklich Offene. Toll, dass die Degeto da so beherzt eingestiegen ist!" Über Gelingen oder Nicht-Gelingen können sich die Zuschauer ab sofort selbst ein Bild machen.
In der ARD-Mediathek stehen die vier Folgen von "Für immer Sommer 90" ab sofort zur Verfügung. Das Erste wird am 6. Januar ab 20:15 Uhr eine Film-Version zeigen.