Wie so viele Fernsehbosse schaut auch Jaume Roures gespannt auf die bevorstehende Fußball-WM in Katar. Der 72-jährige Katalane dürfte ein besonderes Interesse haben, immerhin hat er den Grundstein für sein heutiges Medienimperium einst mit der Produktion von Sportübertragungen gelegt. Als Inhaber der WM-Rechte für Spanien startet er pünktlich zum Anstoß im Wüstenstaat einen eigenen Pay-TV-Kanal, der rund um die Uhr jedes Fitzelchen vom Großereignis zeigen und über die Plattformen von Telefónica, Vodafone und Orange verfügbar sein soll. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind derweil nur die Spiele der Spanier sowie Halbfinale und Finale frei empfangbar.

Die Vorgeschichte zur WM war für den Gründer und CEO von Mediapro weniger erfreulich. 2018 zahlte sein Konzern als Teil eines gerichtlichen Vergleichs in New York 24 Millionen Dollar, um weiterer Strafverfolgung wegen Korruption zu entgehen. Umfangreiche FBI-Ermittlungen hatten die 'FIFA Gate'-Affäre ins Rollen gebracht und schließlich zum Schuldeingeständnis von Mediapro und anderen Medienunternehmen geführt: Seit 2008 hatte man zahlreiche Funktionäre von südamerikanischen Fußballverbänden mit hohen Summen bestochen, um Medien- und Vermarktungsrechte für die WM-Qualifkationen 2014, 2018 und 2022 zu bekommen. Roures brach darüber mit seinem Mitgründer und früheren Co-CEO Gerard Romy, der in den USA noch immer wegen Betrugs, Geldwäsche und Erpressung unter Anklage steht.

Die 1994 in Barcelona gegründete Mediaproducción – kurz Mediapro – ist trotz ihres nüchternen Namens heute ein Milliardenkonzern und der wohl einflussreichste Produktionsbetrieb der spanischsprachigen Welt. Neben Studiokomplexen, Produktions- und Übertragungstechnik, dem Betrieb von Sportkanälen und der Vermarktung von Sportrechten bilden mittlerweile Produktion und Vertrieb von Filmen, Serien und TV-Formaten unter dem Label The Mediapro Studio das Herz der Unternehmensgruppe. Zu den bekanntesten Werken zählen die Woody-Allen-Filme "Vicky Cristina Barcelona" und "Midnight in Paris", Roman Polanskis "Gott des Gemetzels" oder die HBO-Sky-Koproduktionen "The Young Pope" und "The New Pope" von Paolo Sorrentino.

Jaume Roures © esade Mediapro-Gründer Jaume Roures
Der bekennende Trotzkist Roures, der während der Franco-Diktatur als politischer Häftling zwei Jahre im Gefängnis saß, hat seinen Anteil an der Holding auf rund zwölf Prozent reduziert. Um die internationale Expansion zu stemmen, holte er 2018 die chinesische Private-Equity-Gesellschaft Orient Hontai Capital ins Haus, die mit ihren Fonds inzwischen rund 85 Prozent der Anteile kontrolliert. Ende 2021 pumpten die Chinesen im Zuge einer Refinanzierung rund 620 Millionen Euro an frischem Kapital in die Mediapro-Kasse, um den Liquiditätsbedarf des Unternehmens sicherzustellen und die enorme Verschuldung zu reduzieren. Nach eigenen Angaben hatte Mediapro "signifikante Auswirkungen" der Corona-Pandemie zu verarbeiten, die insgesamt 52 laufende Produktionen zur Drehpause gezwungen und sämtliche Geschäftsbereiche zum Erliegen gebracht hatte. 2020 waren die Umsätze um 38 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro eingebrochen, 2021 stiegen sie nur unwesentlich auf 1,2 Milliarden. Im Juli dieses Jahres vermeldete Mediapro schließlich die erfolgreiche Umschuldung von weiteren 500 Millionen Euro auf langfristige Anlagen, was nun eine "optimale Kapitalstruktur" zur Folge habe, mit der man die Wachstumsstrategie in einer "Zeit voller spannender neuer Möglichkeiten" fortsetzen könne.

Mediapro auf einen Blick

  • Umsatz: 1,2 Milliarden Euro (2021)

  • Führung: Jaume Roures, Tatxo Benet (Co-CEOs)

  • Gesellschafter: Orient Hontai Capital, Peking (85%)

  • Wichtige Programme: The Head, Midnight in Paris, Official Competition, Six Dreams, The Young Pope / The New Pope

Zu den kreativen Köpfen, die diese Strategie mit Leben erfüllen sollen, gehört seit kurzem auch Penélope Cruz. Der Hollywood-Star aus Spanien hat gemeinsam mit The Mediapro Studio das Produktionslabel Moonlyon gegründet, das sowohl fiktionale als auch dokumentarische Projekte mit Cruz hinter der Kamera entwickeln soll. "Geschichten mit diverser Perspektive und aus neuen Ecken der Welt" sollen dabei im Vordergrund stehen, wie die Oscar-Preisträgerin zu Protokoll gab. Mit weiteren Töchtern und Niederlassungen an zwölf Standorten – neben Spanien und Portugal quer durch Südamerika, aber auch in New York, Miami, London, Paris und Dubai – hat Laura Fernández Espeso als CEO von The Mediapro Studio ein weit gewachsenes Reich zu beaufsichtigen.

Mit dem eigenen Vertriebsarm The Mediapro Studio Distribution wickelt Espeso in vielen Fällen die Verkäufe ihrer Produktionen selbst ab. Auf diese Weise kann sie Rechte im Haus behalten, während die Finanzierungen durch individuelle Deals pro Territorium zustande kommen. So wurde etwa die erste englischsprachige Serie des Unternehmens, der Südpol-Thriller "The Head", an HBO, Hulu Japan, Canal+, Starzplay und in mehr als 50 weitere Märkte verkauft. "Manche Kunden wollen die weltweiten Rechte, aber wir versuchen, diese Rechte zu behalten", so Espeso. Gerade in Spanien und Lateinamerika ist dieses Vorgehen von entscheidender Bedeutung, da US-Streaming-Plattformen wie Netflix oder HBO Max dort massiv in die lokalen Märkte investieren und Mediapro entsprechend herausgefordert ist, bei Schlagzahl, Budget und Talentbindung mitzuhalten.

Die Ambition hinter den jüngsten englischsprachigen Serienprojekten ist jedenfalls klar erkennbar: Hollywood-Star John Turturro entwickelt als Autor und Regisseur die Romanverfilmung "Is There No Place on Earth for Me?", "The Wire"-Macher David Simon bereitet das Bürgerkriegs-Epos "A Dry Run: The Lincolns in Spain" vor, und die "Casualty"-Autoren Jeremy Brock und Paul Unwin schreiben die britische Drama-Serie "58 Seconds". Auch Erik Barmack, langjähriger Chef der nicht-englischsprachigen Serien bei Netflix, spielt inzwischen im Team Mediapro. Die Spanier haben sich an seiner auf internationale Koproduktionen spezialisierten Firma Wild Sheep Content beteiligt und übernehmen den Weltvertrieb von etlichen der kommenden Serien.

Europas Studios im Umbruch – bisher erschienen