Als irgendwann im Frühsommer 2021 bei Jakob und Jonas Weydemann das Telefon klingelte und Paramount – damals noch ViacomCBS – nach frischen Serienmachern suchte, waren die beiden Berliner Arthouse-Produzenten vorbereitet. Obwohl mit diesem Anruf eigentlich nicht zu rechnen war. Alle US-Streaming-Dienste zuvor waren erstmal mit amerikanischer Programmware ins Land gekommen, um dann etwa drei Jahre nach Markteintritt ihr jeweils erstes German Original auf die Plattform zu heben. Nicht so bei Paramount+. "Wir fanden es sehr motivierend, dass Paramount von sich aus gezielt Produzenten angesprochen hat, noch bevor die Launch-Pläne breit im Markt bekannt waren", sagt Jakob Weydemann im Gespräch mit DWDL.de. "Von Anfang an war klar, dass es darum ging, ein Serienprojekt zum Start-Line-up der Plattform beizusteuern."

Für serielle Stoffe stand die Produktionsfirma Weydemann Bros. zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, eher für preisgekrönte und international erfolgreiche Arthouse-Filme wie "Systemsprenger" oder "In der Mitte des Flusses". Intern hatten die beiden aus Hamburg stammenden Brüder freilich längst die Zeichen der Zeit erkannt und mit der Entwicklung verschiedener Serienideen begonnen. "So ab 2017 haben wir gespürt, dass die Art von Geschichten, die uns interessieren, nun auch in TV und Streaming gefragt sind", sagt Jonas Weydemann. "Das war vorher nicht der Fall, da ging das eher im Kino. Außerdem konnten wir über unsere Kinofilme bei weitgehender kreativer Freiheit eine eigene Handschrift entwickeln und Aufmerksamkeit erzeugen."

So kam es, dass die Weydemanns der lokalen Paramount-Managerin Susanne Schildknecht wenige Tage nach dem ersten Anruf fünf Serienkonzepte vorstellen konnten, darunter auch "A Thin Line", die Cybercrime-Story von zwei Schwestern, die als Umwelt- und Klimaaktivistinnen zunächst gemeinsam kämpfen, dann jedoch nach einem Hackerangriff auf verschiedenen Seiten des Gesetzes landen – die eine im terroristischen Untergrund, die andere aufseiten des BKA. Die deutsche Filiale des Hollywood-Konzerns entschied sich im August 2021 für den brisanten Stoff – unter der Voraussetzung, dass bis Dezember 2022 aus wenigen DIN-A4-Seiten Konzept ein sendefertiger Sechsteiler werden musste. Ein radikales Tempo, wenn man es sonst gewohnt ist, dass allein die Finanzierung eines Arthouse-Streifens zwei bis drei Jahre dauert.

A Thin Line © Paramount+
Machbar war der enge Zeitplan, weil Jakob und Jonas Weydemann als Creator und Showrunner einen wesentlich aktiveren inhaltlichen Part einnahmen als beim Gros ihrer Filme. Und weil sie nicht lange überlegen mussten, mit wem sie zusammenarbeiten wollten. "Für uns war klar, dass wir den Schritt in Richtung Serie mit unserer erweiterten Filmfamilie gehen, mit der wir gemeinsam über die Jahre gewachsen sind", so Jakob Weydemann. Die Regisseure und Co-Autoren Sabrina Sarabi und Damian John Harper hatten vor "A Thin Line" ihre jeweils ersten zwei Spielfilme mit den Weydemann-Brüdern realisiert, Hauptdarstellerin Saskia Rosendahl wiederum hatte in beiden Sarabi-Filmen gespielt.

So konnte der Writers' Room Anfang September 2021 loslegen und ab Ende März 2022 gedreht werden. "Der Vorteil eines so engen Zeitplans ist, dass man noch konkreter spüren kann, welche gesellschaftspolitischen Themen in der Luft liegen und worüber man debattieren muss", so Jonas Weydemann. "2021 waren noch nicht regelmäßig Aktionen der Letzten Generation in der Tagespresse, aber trotzdem war absehbar, dass die moralische Frage der Radikalisierung von aktivistischen Bewegungen dringlicher wird." Das wolle man authentisch aufgreifen, aber zugleich mit den Möglichkeiten des Fiktionalen bewusst zuspitzen, Grenzen überschreiten und aus verschiedenen Blickwinkeln diskutieren.

Weil die Weydemanns vom Kino her die Zusammenarbeit mit Filmförderern kennen und auch bei ihrem Seriendebüt lieber Partner auf Augenhöhe als verlängerte Werkbank sein wollten, überzeugten sie Paramount von einem Koproduktionsmodell mit Eigenanteil und nennenswerter Förderung durch die Film- und Medienstiftung NRW (800.000 Euro), das Medienboard Berlin-Brandenburg (250.000 Euro) sowie den German Motion Picture Fund (2,1 Millionen Euro). 2022 wurde damit zum Jahr des Wachstumssprungs für Weydemann Bros., in dem neben der Serie noch vier Kinofilme gedreht wurden, darunter Aylin Tezels Regiedebüt "Falling into Place". Dem trägt die erweiterte Firmenstruktur mit den neuen operativen Töchtern Weydemann Bros. Film und Weydemann Bros. Serial Drama Rechnung. Die Holding gehört weiterhin nur den beiden Brüdern – und so soll es bleiben: "Wir schätzen die Vorzüge der Unabhängigkeit", so Jakob Weydemann, "und die kreativen Freiräume, die daraus entstehen, dass wir keine große Struktur füttern müssen und niemandem rechenschaftspflichtig sind."

"A Thin Line" startet Donnerstag mit den ersten zwei Folgen auf Paramount+. Weitere Folgen im Wochentakt jeweils donnerstags. Kostenlose Live-Premiere der ersten Folge am Freitag um 17 Uhr auf YouTube.

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