Bloß nicht abschlaffen! Trockenbetrieb statt Sendestart

Am 6. März 1993 ging RTLzwei - damals noch in der Schreibweise RTL2 - auf Sendung, feiert also dementsprechend an diesem Montag seinen 30. Geburtstag. Doch wäre es nach den damals Verantwortlichen gegangen, dann hätten die Feierlichkeiten schon im letzten September stattfinden müssen. Geplanter Starttermin war nämlich der 26. September 1992. Und eigentlich war alles bereit, das Programm war sogar schon in den Programmzeitschriften abgedruckt - doch dann verweigerte die zuständige Landesmedienanstalt in Kassel die Erteilung der Sendelizenz.

Hintergrund war, dass man mit der Gesellschafterstruktur nicht zufrieden war - unter anderem wollte man einen zu großen Einfluss von RTL-Mutter CLT verhindern, Stichwort: Meinungsvielfalt. Es folgte ein Hin und Her, eine im Dezember vorläufig erteilte Lizenz wurde umgehend wieder widerrufen, neue Starttermine mussten mehrfach verschoben werden, ehe es im März dann los gehen konnte. Gerhard Zeiler, einst der erste Geschäftsführer von RTL2, später Chef von RTL und heute fürs internationale Geschäft von Warner Bros. Discovery zuständig, wetterte über einen "amtlichen Willkürakt" - und ließ die Belegschaft einen, wie es die "taz" damals schrieb, "wenig erquicklichen Trockenbetrieb" durchführen: Das Programm wurde in Probedurchläufen getestet, "damit die Kollegen nicht abschlaffen".

RTL2 Sendestart © IMAGO / teutopress Gerhard Zeiler und die RTL2-Crew im März 1993

Eine Busladung Programm nach Luxemburg

RTLzwei hat heute seinen Sitz in München - oder besser gesagt in Grünwald bei München. Das war aber nicht von Anfang an so, der Umzug aufs Gelände von Bavaria Film wurde erst Mitte 1994 vollzogen, zuvor war die Senderzentrale in Köln angesiedelt. Und ausgestrahlt wurde das Programm damals aus Luxemburg. Das führte dazu, dass die Sendebänder mit dem Programm per Bus oder Mini-LKW von Köln durch die Eifel nach Luxemburg gefahren wurden - und zwar einmal in der Woche. Wäre etwas passiert, wäre also gleich eine ganze Sendewoche Programm weg gewesen.

Lady Di sorgte für ein erstes Quoten-Highlight

"Wir waren zu dritt in dieser Ehe, deswegen war es ein bisschen eng" - diese Aussage entlockte BBC-Reporter Martin Bashir (wie man heute weiß unter fragwürdigen Umständen) der damaligen Prinzessin Diana im November 1995 in einem Interview, das die britische Monarchie erschütterte. Und wer es in Deutschland sehen wollte, der musste RTLzwei, pardon, RTL 2 einschalten, das sich die Rechte exklusiv gesichert hatte. Mit 3,9 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern erzielte das Interview die bis dahin höchste Reichweite der Sendergeschichte.

1996 gab es einen Grimme-Preis - für einen Film mit Götz George

Der Sandmann © IMAGO / Allstar Karoline Eichhorn und Götz George in Der Sandmann
Ein eigenproduzierter Primetime-Film von RTLzwei? Heute kaum vorstellbar, doch in den ersten Jahren des Senderbestehens Realität. Unter dem Label "Die jungen Wilden" ließ RTL 2 insgesamt neun TV-Filme produzieren. Und sahnte mit einem davon sogar einen der renommierten Grimme-Preise ab. Nico Hofmann (!) produzierte den mit Götz George (!!) und Karoline Eichhorn hochkarätig besetzten Thriller "Der Sandmann". Rainer Tittelbach bezeichnete den Film als "innovatives Stück Hochglanz-Fernsehen, wie man es Mitte der 90er Jahre noch nicht gesehen hatte". Der Film handelt von einer Fernsehredakteurin, die für eine Sendung über einen Krimiautor recherchiert und Verdacht schöpft, dass der einige Morde selbst begangen hat.

Strip!, Peep!, Exclusiv - Woher kam nur das Schmuddel-Image...

Trotz Grimme-Preis: RTLzwei kämpfte lange damit, das Image als "Tittensender" loszuwerden. Dabei hat man in den 90ern viel dafür getan, es konsequent aufzubauen. Es war ja auch gar nicht so leicht, nicht irgendwann auf eine der unzähligen "Exclusiv"-Reportagen zu stoßen, in denen mit Vorliebe Sauf- und Sextouristen begleitet wurden. Und dann war da ja auch noch das wöchentliche Erotikmagazin "Peep!", das einen großen Fetisch für Swingerclub-Berichte entwickelte. Nachdem zunächst Amanda Lear die Sendung moderierte, wurde sie 1996 durch Verona Feldbusch abgelöst - ein Geniestreich, nachdem die gerade durch die Trennung von Dieter Bohlen nach der Kurzzeitehe ohnehin in allen Schlagzeilen war.

Ein Highlight im Brüste-Fernsehen war aber "Strip!", das von 1999 bis 2000 lief und von Jürgen und Ramona Drews präsentiert wurde. Darin spielten ein Männer- und ein Frauenteam gegeneinander und mussten in schlüpfrig benannten Kategorien beispielsweise Fragen zum Thema Sex beantworten oder Dinge zum Thema Sex ertasten. Wenn das Wort "Strip" aufleuchtete, wurde gestrippt. Und am Ende der Sendung musste aus dem Verlierer-Team auch einer die Kleider fallen lassen. Immerhin: Männer durften ihr Geschlechtsteil mit einem Hut bedecken, Frauen blieben nur die Schuhe. Der Song zur Show kam natürlich von Drews persönlich.

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RTLzwei klagt gegen RTL - seit nunmehr 15 Jahren

30 Jahre wird RTLzwei alt - und die Hälfte seiner "Lebenszeit" klagt der Sender nun schon gegen seinen größten Gesellschafter RTL (bzw. mehrere Töchter der RTL Group) ebenso wie gegen ProSiebenSat.1. Hintergrund waren die Kartellermittlungen gegen die beiden großen Sendergruppen, die ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt hatten und 2007 zu Bußgeldern in einer Gesamthöhe von 216 Millionen Euro verdonnert wurden. Mehrere kleinere Sender versuchten danach, eigene Schadensersatzansprüche geltend zu machen, darunter auch RTLzwei und der Vermarkter El Cartel Media.

2008 wurden die Klagen eingereicht. Doch die Mühlen beim Landgericht Düsseldorf mahlen langsam. Sehr langsam. Erst 2012 und 2014 gab das Gericht Gutachten in Auftrag, die ermitteln sollten, ob RTLzwei wirklich ein direkter Schaden entstanden sei. Dieses Ergebnis lag 2018 endlich vor - und sah "keine statistisch fundierten Indizien für eine positive Schadenswahrscheinlichkeit", sprich: RTLzwei sollte leer ausgehen. RTLzwei stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter. Dann passierte erstmal wieder nichts. 2020 verstarb der Gutachter dann, ohne dass das Gericht ihn befragt oder über den Befangenheitsantrag entschieden hätte. Und das ist der Stand bis heute: Noch immer ist unklar, wie es nun weiter gehen soll. In den Geschäftsberichten von ProSiebenSat.1 und der RTL Group findet sich daher weiter der Satz, dass es möglich ist, dass der Sachverhalt noch einmal von neuem begutachtet werden muss. Eilig hat man es diesbezüglich in Düsseldorf aber offensichtlich nicht.

RTLzwei ist der letzte seiner Art...

Eine weit verzweigte Gesellschafterstruktur hatten in den ersten Jahren des Privatfernsehens viele Sender, doch über die Jahrzehnte hinweg hat eine starke Konsolidierung stattgefunden mit wenigen großen Sendergruppen. Für jeden außerhalb der Branche ist es ja erstmal erklärungsbedürftig, dass RTLzwei gar nicht wirklich zur RTL Group gehört, sondern dass RTL Deutschland nur 35,9 Prozent der Anteile an RTLzwei hält. Neben einem Mini-Anteil von 1,1 Prozent in der Hand von Burda sind die weiteren Gesellschafter mit jeweils 31,5 Prozent der Heinrich Bauer Verlag sowie die Tele München Fernseh GmbH & Co. Medienbeteiligung KG - hinter der wiederum zur Hälfte Leonine, zur anderen Hälfte die Walt Disney Company steckt. Diese Struktur sorgt also dafür, dass RTLzwei nicht wie in den großen Sendergruppen inzwischen Gang und Gäbe in senderübergreifende Strukturen eingepflegt wird und garantiert die Unabhängigkeit der Grünwalder.

"Läuft bei Dir" - nicht: Der Ableger RTL II YOU

RTL II You © RTL II
Die Unabhängigkeit brachte aber auch das Problem mit, dass man als Ein-Kanal-Angebot die Fragmentierung des TV-Marktes nicht so auffangen kann wie große Sendergruppen. Die Antwort darauf sollte 2016 "RTL II YOU" sein: Ein rein online verbreitetes Angebot, das aber trotzdem ein 24-stündiges lineares Programm bot - also eigentlich ein Konzept, das aktuell unter dem Stichwort "FAST-Channel" einen Hype erlebt. RTL II YOU aber, das ein noch jüngeres Publikum als RTL II selbst erreichen sollte, konnte sich nie durchsetzen. Die anfänglich großen Pläne wurden im Lauf der Zeit Stück für Stück zurechtgestutzt, außer der erfolgreichen Selfie-Soap "Mjunik" gelang kaum etwas, das größere Reichweiten erzielte, Kooperationen etwa mit joiz oder den Rocket Beans ließ man auslaufen - und Mitte 2017 war dann bereits wieder komplett Schluss.

Wie sich der RTL II-Geschäftsführer zurückklagte - und dann Hausverbot erhielt

Josef Andorfer 1999 © IMAGO / Plusphoto Josef Andorfer 1999 - noch ohne Hausverbot
Am 8. August 1997 wurde Josef Andorfer Geschäftsführer von RTL 2 und verpasste dem Sender in den folgenden Jahren die Reality-Ausrichtung, die ihn bis heute prägt. Doch Anfang Februar 2005 wurde er gefeuert - trotz hoher Quoten und ansehnlicher Gewinne. Doch bei den Gesellschaftern war er in Ungnade gefallen, vor allem wohl, weil er der RTL-Tochter IP die Vermarktung entzogen hatte und das eigene Unternehmen auch noch "El Cartel" nannte, was man nur als böse Kommentierung der Lage auf dem Werbemarkt lesen konnte. Doch klein beigeben wollte Andorfer nicht, ging vor Gericht - und erwirkte tatsächlich eine einstweilige Verfügung, die ihn vorerst wieder zum RTL II-Chef machte.

Also erklärte Andorfer, dass er sich nun "wieder voll und ganz für RTL II einsetzen" wolle und spazierte zurück ins RTL II-Gebäude - wo an die Belegschaft angeblich die Anweisung ergangen war, nicht mit ihm zu sprechen. Die Gesellschafter von RTL II jedenfalls wollten sich von einem Gericht keinen anderen als den von ihnen eingesetzten Geschäftsführer Jochen Starke vorschreiben lassen - und verwiesen ihn des Hauses. Der damalige Bauer-Sprecher Andreas Fritzenkötter sagte: "Herr Andorfer hat seit gestern Hausverbot und seine Ära als RTL-2-Chef ist defintiv zu Ende." 2009 verlor Andorfer den Rechtsstreit um seine Wiedereinsetzung endgültig vor Gericht. In einem aktuellen DWDL-Interview äußerte sich Andorfer auch zu seinem damaligen Rauswurf.

Justin Bieber feierte seinen 16. Geburtstag bei RTL II

Justin Bieber bei © IMAGO / Eventpress
1997 startete RTL II die Musik-Event-Reihe "The Dome", bei der zahlreiche nationale und internationale Popstars in großen Hallen auftraten. Dabei entstand nicht nur eine erfolgreiche Musik-Sampler-Reihe, mit einigen Tagen Zeitversatz wurde die Aufzeichnung dann im Fernsehen gezeigt. 2009 gab es für "The Dome" den Musikpreis "Echo" in der Kategorie "Medienpartner des Jahres". Und noch mehr zu feiern gab es am 5. März 2010 - und zwar ein bekanntes Geburtstagskind: Justin Bieber stand an seinem 16. Geburtstag bei "The Dome" auf der Bühne. Ende 2012 wurde das Format dann übrigens trotzdem eingestellt.

Die ersten Nachrichten hießen "Action News"

Inzwischen fristen die "RTLzwei News" ein recht tristes Dasein irgendwo im Nachmittagsprogramm. Doch anfangs hatte man noch den Anspruch, direkt gegen die "Tagesschau" um 20 Uhr anzutreten - und zwar mit dem "konsequentesten Versuch des deutschen Privatfernsehens, mit amerikanischer Nachrichtenästhetik junge zuschauer zu begeistern", wie das "Fernsehlexikon" schreibt und die Zutaten so zusammenfasst: "Fette Schriften, bombastische Toneffekte, die Kopie eines US-Nachrichtenstudios und viele Boulevardthemen". Sehen wollte das aber kaum jemand, sodass die Sendung 1995 erst in den Vorabend wanderte und 1996 durch die "RTL2 Nachrichten" ersetzt wurden, die das genaue Gegenteil von spektakulär waren. Begründung: Junge Zuschauer hätten "bei Nachrichten ein konservatives Konsumbedürfnis".

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RTL II verkaufte eigene Sessel...

RTL II Fun Chair © Neckermann Der "Fun Chair" aus der RTL II-Kollektion
2010 brachte RTL II (so die damalige Schreibweise) einen ganze 30-teilige Möbelkollektion auf den Markt, dessen Herzstück der sogenannte "RTL II-Sessel" war. Für die Abende mit weniger aufregendem Programm hatte man auch ein Schlafsofa im Angebot. "RTL II kommt damit nicht nur ins Wohnzimmer, sondern wird zum Wohnzimmer", sagte der damalige Marketing-Direktor und ließ auch diverse Produktionen wie etwa "Big Brother" mit dem Mobiliar ausstatten. Als man einen Bericht der "RTL II News" über eine Einrichtungsmesse vor allem zur Vorstellung der eigenen Möbel nutzte, wurde es den Medienwächtern aber doch zu bunt: Sie sprachen eine Rüge wegen verbotener Schleichwerbung aus.

...oder darf's vielleicht ein ganzes Haus sein?

Schon fünf Jahre zuvor war man die Angelegenheit noch ein paar Nummern größer angegangen und wollte "frischen Wind in die deutsche Baulandschaft bringen", indem man mit einem Partner ganze Häuser in der "RTL II-Sonderedition" anbot. Wieviele Menschen je in ein solches RTL II-Haus gezogen sind und ob sie sich vielleicht auch noch auf einem RTL II-Sessel räkeln, ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass sie aus heutiger Sicht ein echtes Schnäppchen gemacht haben: Das "Drei-Giebel-Haus" gab es inklusive Ford Ka und Einbauküche für nur 69.999 Euro.

Von "Dexter" bis "Game of Thrones": Das erstaunliche Serien-Händchen von RTLzwei

Auch wenn sich RTLzwei immer eher über Reality-Inhalte definierte und daher bei vielen gerne in der Schublade Trash abgelegt wurde und wird: In Sachen US-Fiction bewies RTLzwei ein erstaunlich gutes Händchen. Denn während sich die großen Sendergruppen mit ihren Outputdeals haufenweise an Massenware bedienten, konnte RTLzwei ein paar der größten Serien-Perlen der letzten Jahrzehnte ergattern. Die Auswahl reicht von "Dexter" und "Californication" über "Game of Thrones" und "True Blood" bis zu "The Walking Dead" und "24". Und ganz nebenbei etablierte RTLzwei dabei die Event-Programmierung und lud zum Bingen ein, indem man die Folgen an mehrere aufeinanderfolgenden Tagen teils abendfüllend zeigte.

Den erfolgreichsten Serienstart in der Geschichte von RTLzwei feierte aber nicht eine der oben genannten Produktionen, sondern "Stargate". Als die Serie am 6. Januar 1999 erstmals zu sehen war, saßen 4,3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer vor dem Fernseher. Der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen betrug sagenhafte 23,4 Prozent.

Erster! Vom Musik-Casting bis zu den Restaurantrettern

No Angels © IMAGO / POP-EYE Die "No Angels" gewannen die erste "Popstars"-Staffel
Ein Blick in die Geschichte von RTLzwei zeigt auch, dass der Sender tatsächlich häufig anderen voraus war: Mit "Popstars" war man noch vor "DSDS" mit der ersten modernen Musik-Castingshow im deutschen Fernsehen auf Sendung. Noch bevor Christian Rach oder Frank Rosin mit dem Retten von in Not geratenen Gastronomen begannen, waren bei RTLzwei schon die "Kochprofis" am Werk. Mit "Big Brother" brach man im Jahr 2000 Tabus und ebnete den Weg für zahlreiche Reality-Formate, wie wir sie heute kennen. "Der Trödeltrupp" förderte Schätze weit vor "Bares für Rares" zutage". Mit "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" führte man vor, wie man crossmediales Erzählen in Sozialen Netzwerken mit dem Fernsehen verknüpft. Und auch Anime und Bollywood wurden hierzulande zuerst bei RTLzwei einem größeren Publikum präsentiert. Fragt sich nur noch, ob es RTLzwei nach 30 Jahren noch einmal gelingen wird, einen neuen Trend aufzuspüren.

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