Die Umwälzungen, die aktuell bei RTL Deutschland und Gruner + Jahr stattfinden, sind groß. Vor wenigen Wochen kündigte Thomas Rabe, neben seiner Führungsrolle beim deutschen Medienunternehmen auch Boss von RTL Group und Bertelsmann, einen radikalen Umbau an. Etliche G+J-Titel sollen eingestampft oder verkauft werden, nur einige Kerntitel verbleiben im Portfolio und wandern zudem größtenteils unter das Dach von RTL (DWDL.de berichtete). Hinzu kommt ein Stellenabbau in Köln und Hamburg. Vor allem in der Verlagswelt hat er damit für Kritik gesorgt. Funke-Verlegerin Julia Becker warf dem RTL-Chef etwa Mutlosigkeit vor

In einem Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten nach Vorlage der RTL-Group-Geschäftszahlen hat sich Rabe nun noch einmal etwas ausführlicher zum aktuellen Stand bei Gruner + Jahr und den Beweggründen für den massiven Umbau geäußert. So erklärte er, der Jahresstart für das Publishing-Geschäft sei erwartbar schlecht gewesen. Würde man keine Gegenmaßnahmen ergreifen, würde der Bereich 2023 einen zweistelligen Millionenverlust erwirtschaften. Rabe: "Die verschiedenen Geschäfte müssen sich einzeln rechnen. Es gibt bei Bertelsmann keine dauerhafte Quersubventionierung." Das könne man eine Zeit lang machen, sollten aber strukturelle Probleme in einem Bereich auftreten, müsse man gegensteuern. 

Auch auf den Vorwurf, der gerade erst im "Handelsblatt" erhoben wurde, Rabe habe Gruner + Jahr schlechtgeredet, ging Rabe in dem Gespräch ein. "Ich wünschte, die Performance von Gruner + Jahr wäre besser. Ich kann keinen Grund erkennen, warum ich ein Geschäft schlechter darstellen sollte als es ist", so der Konzernchef. Die Zahlen seien eindeutig und auch nicht schöngerechnet, so der Bertelsmann-Chef. Auch das war ein Vorwurf des "Handelsblattes": Gut laufende Geschäfte von G+J seien in andere Unternehmensteile gewandert und so sei das Ergebnis des Verlags künstlich schlecht gerechnet worden. Rabe sagt nun: Man habe G+J-Geschäfte bei RTL angesiedelt, weil man sich davon Synergien verspreche. Andere, bei denen das nicht der Fall sei, seien nun direkt bei Bertelsmann angedockt. 

Am Ende machte Rabe dann auch noch einmal klar, dass er nicht alleine für die Entscheidungen verantwortlich ist. Alles, was man in Bezug auf Gruner + Jahr (und andere Geschäfte) angekündigt habe, werde vom Aufsichtsrat von Bertelsmann und der RTL Group "uneingeschränkt unterstützt". Man habe erst am Mittwoch große Unterstützung aus dem Aufsichtsgremium der RTL Group in Bezug auf die Vorgehensweise bei Gruner + Jahr  erfahren. "Nicht, weil wir das gerne tun. Sondern weil es objektiv aufgrund der Geschäftslage erforderlich ist".  Rabe weiter: "Ich bin mit mir vollkommen im Reinen und ich bin überzeugt, dass wir das tun, was erforderlich ist. Das versuchen wir bestmöglich umzusetzen. Natürlich mit großer Rücksicht auf die Belange der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so wie das bei Bertelsmann üblich ist."

"Marktkonsolidierung wird kommen"

Im Zuge des Umbaus und der massiven Schrumpfkur von Gruner + Jahr musste sich Rabe auch anhören, sich nicht für Journalismus zu interessieren. Dazu sagt er jetzt: "Ich habe nie gesagt, dass ich Journalist oder Verleger bin. Ich habe ein gutes Verständnis für Journalismus und interessiere mich für journalistische Inhalte. Da würde ich mir kein Defizit attestieren." Seine Stärken und Aufgaben sehe er aber bei der Führung eines Unternehmens wie Bertelsmann - "mit einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und sehr vielen Geschäften in einem anderen Bereich".

Darüber hinaus hat Thomas Rabe bei dem Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten auch darüber gesprochen, dass die Wettbewerbsbehörden in Frankreich und den Niederlanden dem Konzern zuletzt weitreichende Zusammenschlüsse mit anderen Medienunternehmen untersagten. Rabe sprach hier von verpassten Chancen. "Eine Marktkonsolidierung in Europa wird früher oder später kommen", sagte Rabe, der auf eine Notwendigkeit von Zusammenschlüssen verwies, damit man auch künftig noch mit global agierenden Tech-Konzernen mithalten könne. Trotz des Verbots der Kartellbehörden wolle man die Geschäfte nun weiter skalieren und sich um Partnerschaften und Allianzen kümmern. 

Ich habe nie gesagt, dass ich Journalist oder Verleger bin.
Thomas Rabe

Der Start in das Jahr 2023 sei aus Sicht der TV-Werbung "wie erwartet schwierig" gewesen, so Rabe. Nicht nur Start-ups würden ihr Geld zusammenhalten und weniger werben, sondern auch der Mittelstand. Für die kommenden Monate erwartet der Chef der RTL Group allerdings eine Entspannung, wenngleich der Konzern auch in diesem Jahr von schrumpfenden Werbeerlösen ausgeht. Das will man aber durch andere Bereiche, vor allem das Produktionsgeschäft mit Fremantle und das Segment Streaming, auffangen - diese Bereiche wuchsen im vergangenen Jahr bereits sehr stark (DWDL.de berichtete). 

Als Thomas Rabe im vergangenen Jahr auch die Geschäftsführung von RTL Deutschland von Stephan Schäfer übernahm, sprach er noch davon, diesen Posten "ganz sicher nicht länger als ein Jahr" ausüben zu wollen. Nun wird es wohl doch länger. Rabe kündigte an, Ende des Jahres aus der Geschäftsführung der deutschen Tochter aussteigen zu wollen. Bis dahin soll es auch einen neuen Geschäftsführer geben. Dass er nun doch länger an der Spitze des Unternehmens bleibe, sei nicht entscheidend, so Rabe. "Wir sprechen hier über wenige Monate." Aktuell würden jedoch große strategische Projekte anstehen und da wolle er das neu zusammengesetzte Führungsteam in Köln nicht alleine lassen. "Meine Aufgabe ist es, dieses Team in strategischen Weichenstellungen zu begleiten." Die RTL-Deutschland-Chefetage besteht neben Rabe aktuell auch noch aus Co-CEO Matthias Dang, COO Andreas Fischer, CFO Ingrid Heisserer, Personalchefin Xenia Meuser und CCO Stephan Schmitter.