Wer ein Symbolbild für die Baustellen von ProSiebenSat.1 suchte, musste zuletzt bloß nach Unterföhring fahren, denn dort, wo die Sendergruppe ihren Sitz hat, prägen schon seit Jahren Kräne, Bagger und Beton das Bild. Schon Anfang 2017 wurde bekannt, dass ProSiebenSat.1 an seinem Standort einen großen Neubau plant - und gut eineinhalb Jahre später begannen die ersten Abrissarbeiten der Gebäude an der Gutenbergstraße 4, in denen sich bis dato Studios, Technik und Infrastruktur befanden.

Der "New Campus", wie der Sendersitz einmal heißen wird, ist ein echtes Großprojekt - und eigentlich sollte zumindest ein Bauabschnitt längst fertiggestellt sein. Schon für den Sommer 2021 peilte ProSiebenSat.1 ursprünglich an, den ersten Teil des Neubaus zu beziehen. Stattdessen muss auch jetzt, zwei Jahre und eine Pandemie später, noch ein Helm aufgesetzt werden, will man die Baustelle unweit des S-Bahnhofs betreten. Wenn alles glatt geht, sollen die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun zum Jahresende einziehen. "Aktuell werden hier der Innenausbau und die Elektronik finalisiert", klärt eine Unternehmenssprecherin gegenüber DWDL.de über den aktuellen Zwischenstand auf.

Eine schnellere Finalisierung hätte sich wohl vor allem die neue Nachrichtenredaktion gewünscht, die zu Beginn des Jahres - nach dem Auslaufen des Vertrags mit WeltN24 - die Arbeit aufnahm und sich aktuell noch mit einem Provisorium behelfen muss. Das gilt auch für das Studio: Bevor ein modernes und vor allem reales Set bezogen werden kann, entsteht die "Newstime", wie neuerdings alle Nachrichten-Formate der Gruppe heißen, noch in einem Greenscreen.

Der neue Newsroom soll allerdings künftig nicht nur Platz für die Nachrichtenredaktion bieten, sondern auch für Kolleginnen und Kollegen anderer Gewerken, etwa der Produktion, der Grafik und der Wetterredaktion. "Alle arbeiten für die Nachrichten", heißt es aus Unterföhring. "Das neue Studio befindet sich in unmittelbarer Nähe. Dadurch entsteht eine neue Dynamik in der Zusammenarbeit. Wir können unsere Arbeitsabläufe optimieren, noch schneller und effizienter gestalten. Auch der Kontakt zu den anderen aktuellen Redaktionen wird durch die räumliche Nähe noch einfacher und direkter möglich sein."

Zunächst, so sieht es der Plan vor, sollen alle Nachrichtenformate von ProSiebenSat.1 auf dem New Campus produziert und gesendet werden. "Mittelfristig werden dann alle Produktionen und Studiosendungen, die momentan in Unterföhring produziert werden, auf den New Campus umziehen", erklärt eine Unternehmenssprecherin, "also unsere täglichen und wöchentlichen Magazine wie 'Galileo', 'taff', 'ZOL' und viele mehr". Und dabei soll es nicht bleiben: "Die Kapazitäten in dem neuen Studiokomplex ermöglichen noch weitere Sendungen, auch mit Publikum."

Tatsächlich aber dürfte es bis dahin noch eine Zeit lang dauern, denn der Bauabschnitt soll aktuellen Planungen zufolge erst 2025 fertiggestellt werden - und damit ebenfalls zwei Jahre später als zunächst vorgesehen. "Bei unserem zweiten Bauabschnitt steht der Rohbau kurz vor der Fertigstellung. Im Anschluss folgen Fassadenarbeiten sowie der Innenausbau", sagt die Sprecherin. Am Ende sollen auf rund 26.000 Quadratmetern vier Studios mit moderner Produktion- und Sendetechnik stehen, aber auch das Play-Out-Center, ein Rechenzentrum und die Postproduktion sowie freilich Büro- und Konferenzräume, "die ein vernetztes, kreatives und zukunftsorientiertes Arbeiten sicherstellen", wie es heißt.

Wie nötig der Neubau wurde, zeigt der Blick auf den Status Quo: Nach dem Wachstum früherer Jahre war die Belegschaft von ProSiebenSat.1 zuletzt auf 16 verschiedenen Gebäuden verstreut - einige davon waren schon fast legendär baufällig. Gebäude, bei denen es durchregnet, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Schon vor fünf Jahren war die Rede von einer Wohlfühlatmosphäre auf dem gesamten Areal. Geplant ist demnach ein großer Innenhof mit Landschaftsplateau, der als zentraler Treffpunkt für die Mitarbeiter dienen soll, eine Cafeteria mit großer Außenterrasse, gleich zehn Garten-/Dachterrassen und eine Verbindungsbrücke zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen. "Ein bisschen Silicon Valley in Unterföhring", schrieb DWDL.de im Jahr 2018.

Verglichen mit dem ursprünglichen Vorhaben, hat es mit Blick auf die Innengestaltungen aber noch einmal Veränderungen gegeben - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die den Arbeitsalltag auch bei ProSiebenSat.1 nachhaltig verändert hat. "Wir hatten für unseren neuen Campus von Beginn an ein modernes, flexibles Flächenkonzept geplant. Auf Basis unserer hybriden Arbeitsmodellen, in denen wir bereits seit über einem Jahr arbeiten, haben wir dieses Konzept entsprechend weiterentwickelt", so eine ProSiebenSat.1-Sprecherin gegenüber DWDL.de. "Das bedeutet, dass wir in bestimmten Bereichen ein Flex Desk Modell ausrollen und mehr Kollaborationsflächen und Besprechungsmöglichkeiten schaffen. Zum Glück war der Neubau mit Beginn der Pandemie noch in einer Phase, in der wir noch Anpassungen vornehmen und auf die neue, hybride Arbeitswelt ausrichten konnten."

Bauherr der neuen ProSiebenSat.1-Campus ist übrigens nicht die Sendergruppe, sondern eine Leasinggesellschaft, die als Vermieter fungiert. Die Invest-Summe der Alpina Grundstücksverwaltungsgesellschaft liegt nach Angaben von ProSiebenSat.1 im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Bei der strauchelnden Sendergruppe wird man hoffen, dass spätestens mit der finalen Fertigstellung wieder so etwas wie Normalität eingetreten ist. Vielleicht kann der Neubau ja dabei helfen, das Wir-Gefühl wieder zu stärken. Nach den jüngst angekündigten Sparmaßnahmen und der damit verbundenen Unsicherheit innerhalb der Belegschaft ist das vermutlich dringend nötig.

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