Wolfgang Fellner © oe24.TV Firmen- und Familienpatriarch Wolfgang Fellner
Mit Understatement hat man es bei der Mediengruppe Österreich im Allgemeinen und hat es Unternehmensgründer Wolfgang Fellner im Speziellen nicht so. Als der österreichische Medienkonzern vor einigen Jahren einen eigenen News-Sender on Air brachte, sprach Fellner davon, dass man sich CNN als Vorbild nehme. Inhaltlich könnte oe24.TV von CNN aktuell nicht weiter entfernt sein, aber immerhin die Quoten auf dem kleinen österreichischen Markt stimmen. Ende des vergangenen Jahres verspürte man in Wien trotz zahlreicher Probleme und Baustellen offenkundig einen solchen Aufwind, dass man ein News-Portal für den deutschen Markt auf Schiene brachte. 

Die Ankündigungen waren im Dezember 2022 nicht weniger groß als in den Jahren davor beim heimischen TV-Sender. Bis zum Februar befinde man sich in einer Testphase und wolle das Angebot danach kontinuierlich ausbauen, hieß es damals. Danach wollte man "DE24LIVE", so der Name des Angebots, bis zur Jahresmitte 2023 "in das Top Ranking der deutschen Online-Angebote" führen. Branchenkenner konnten schon damals nur mit dem Kopf schütteln ob der offenkundig unrealistischen Zielvorgaben. Hinzu kommt, dass das Projekt gar nicht von aus Deutschland betreut wurde. Stattdessen sollte die deutsche Seite mit einem eigenständigen Team aus Wien heraus betrieben werden. 

Mit dem deutschen Portal fokussiere man sich "stark auf aktuelle Breaking News sowie Top-Stories aus Politik und Weltgeschehen", so die Erklärung. Mit etlichen anderen Meldungen aus verschiedenen Bereichen wollte man aber ein Komplett-Angebot für die Nutzerinnen und Nutzer schaffen. Die Mediengruppe Österreich warb damit, ein völlig kostenloses Angebot zu schaffen. Und das in einer Zeit, in der andere Nachrichtenplattformen verstärkt auf Bezahlinhalte setzen. 

Und heute? Wurden alle Ziele weit verfehlt. 

Wer in den vergangenen Wochen die Webseite besucht hat, konnte sich nur verwundert die Augen reiben. Teilweise standen tagelang alte Geschichte ganz oben auf der Webseite, umfassend über alle Themen wurde man ohnehin nicht informiert. So ist es bis heute. Auch Anfang November berichtet "DE24LIVE" sehr sichtbar in einem gelben Laufband ganz oben auf der Seite über den Einstands-Sieg von Julian Nagelsmann bei der Nationalmannschaft - das Spiel hat Mitte Oktober stattgefunden. Weitere Meldungen im Ticker: Ergebnisse der Landtagswahlen in Bayern, ein vermeintlicher Angriff auf AfD-Chef Tino Chrupalla (beides Anfang Oktober) und die Wiederwahl von Markus Söder auf dem CSU-Parteitag (Mitte September). 

Breaking News: Wendler-Baby ist da!

Doch das ist längst nicht alles: Wer auf ein großes "Breaking News"-Banner auf der Startseite von "DE24LIVE" klickt, erfährt: "Freispruch im Prozess um ‘Badewannen-Mord’ nach 13 Jahren Gefängnis" und natürlich "Der Wendler und Laura Müller: Das Baby ist da!". Beides sind Meldungen, die im Sommer aktuell waren. Als DWDL.de Mitte Oktober erstmals bei der Mediengruppe Österreich anfragt und um ein Gespräch zur Zukunft des deutschen Angebots bittet, kommt zwar keine Antwort, dafür wird die Webseite kurz darauf erstmals seit Tagen wieder aktualisiert. Aber auch danach standen Meldungen jedoch teilweise tagelang auf prominenten Positionen, ohne dass es Aktualisierungen gegeben hätte. 

Wer heute ein bisschen auf "DE24LIVE" scrollt, kann sich beim "Aufreger des Tages" einen "tobenden Autofahrer" ansehen. Es ist seit rund fünf Wochen der Aufreger des Tages. Auch der vermeintliche "Mager-Schock" rund um Til Schweiger stammt aus dem September und dann finden Leserinnen und Leser auch noch recht prominent platziert einen Beitrag über Günter Wallraff bei Burger King. Dieser Text stammt aus dem Juli. In der Meinungs-Rubrik ist der letzte Eintrag aus dem Juni - es ist ein Video von "Achtung, Reichelt". Tamara Fellner, die "DE24LIVE" leiten sollte, hat in all den Monaten exakt einen Kommentar verfasst - und das noch im Dezember 2022. 

Besucherzahlen zuletzt kaum mehr messbar

Diese und weitere Beispiele zeigen: Die Mediengruppe Österreich hat ihre Deutschland-Ambitionen längst begraben. Das unterstreichen auch Zahlen von Similarweb. Die können die genauen Visits und Besucherzahlen zwar nie mit einhundertprozentiger Sicherheit benannt werden, sie zeigen aber einen Trend. Und der war zu Beginn gar nicht mal so schlecht: Für den Januar weist Similarweb mehr als eine halbe Million Visits aus. Das ist zwar noch längst nicht das "Top Ranking der deutschen Online-Angebote", aber ein Anfang für ein völlig neues News-Portal. Doch schon in den Monaten danach ließ das Interesse spürbar nach. Im März hatte man die Zahl bereits halbiert - und im Mai dann noch einmal. Im September und Oktober war die Zahl der Visits dann kaum noch messbar, laut Similarweb lag sie bei weniger als 5.000. 

Wir haben de24live.de immer als langfristiges Projekt gesehen.
Niki Fellner, Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer der Mediengruppe Österreich


Auf schriftliche Anfrage meldet sich nach mehreren Versuchen Niki Fellner (Foto oben), Geschäftsführer der Mediengruppe Österreich und Sohn von Unternehmensgründer Wolfgang Fellner, doch noch. DWDL.de wollte wissen: Welche Priorität hat Deutschland für das Unternehmen noch? Wieso stockt die Aufrechterhaltung des Angebots? Wie viele Menschen arbeiten dezidiert an dem deutschen Angebot - und wie hat sich diese Zahl verändert? Und wie sehen eigentlich die Ziele mit der Plattform aus? 

Niki Fellner antwortet, man habe DE24LIVE "immer als langfristiges Projekt gesehen", um die Online-Reichweite in Deutschland zu erweitern. Er spricht also nicht mehr davon, in die Top-Auswahl der deutschen Nachrichtenangebote vorzustoßen. Mehr noch: Fellner erklärt, der Fokus des Unternehmens liege aktuell auf der Weiterentwicklung des österreichischen Geschäfts. Hier verweist er auf gute Zahlen, die die vielen Online-Angebote in der Österreichischen Web Analyse (ÖWA) einfahren würden. 

Probleme in Österreich waren groß

Tatsächlich macht ein Fokus auf Österreich Sinn, hatte das Unternehmen auf seinem Heimatmarkt zuletzt doch einige Probleme zu lösen. Bereits zum Jahreswechsel erfolgte ein Generationswechsel, Wolfgang Fellner, der damals wegen seines Umgangs mit Mitarbeiterinnen in der Kritik stand und teilweise auch verurteilt wurde, übergab das Business an seinen Sohn Niki, der seither auch Haupt-Eigentümer ist. Mit kreditgebenden Banken einigte man sich damals auf einen Schuldenschnitt, auch die Familie schoss Geld ins Unternehmen. 

Bis Ende September dieses Jahres war Unternehmensberater Andreas Pres zur Sanierung der Mediengruppe an Bord. Unter ihm wurde nicht nur die Sonntagsausgabe der Zeitung eingestellt, man schloss auch die eigene Druckerei, entließ viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und reduzierte Büroflächen. Man musste sich also erstmal konsolidieren. Seit Anfang September arbeiten Print- und Online-Redaktion außerdem zusammen im Wiener Newsroom - und das unter einer "Digital first"-Strategie. Mit Daniela Bardel gibt es seither auch eine neue Chefredakteurin des gesamten Newsrooms (DWDL.de berichtete). Vielleicht kann und will sie ja auf absehbare Zeit wieder Schwung in DE24LIVE bringen. Bis es soweit ist, spielt die Mediengruppe Österreich in Deutschland publizistisch gesehen keine Rolle.