An den 21. April wird man sich bei ProSieben noch lange erinnern. Mit einem Tagesmarktanteil von mehr als 17 Prozent dominierte der Sender jenen Sonntag vollständig und war zugleich so erfolgreich wie seit vier Jahren nicht mehr. Dass der Erfolg seine Keimzelle allerdings nur bedingt in der Sendezentrale in Unterföhring hatte, sondern in Berlin – genauer gesagt bei der Produktionsfirma Florida Entertainment und ihren Aushängeschildern Joko und Klaas, ist jedoch ebenso Teil der Wahrheit. Sie waren es nämlich, die sich – als Folge einer gewonnenen Ausgabe von "Joko & Klaas gegen ProSieben" – einen Tag lang ganz nach ihren eigenen Wünschen im Programm von ProSieben austoben durften.

Wo sonst tagsüber meist Wiederholungen die Programmlücken füllen, gab's plötzlich ein besonderes "Frühstücksfernsehen", einen UNO-Nachmittag und reichlich Anarchie, etwa mit einem minutenlangen Antilopen-Livestream von einem Wasserloch in Afrika. Dass dann auch noch "Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)" am Abend auf Anhieb mehr als 20 Prozent Marktanteil einfuhr, krönte den Erfolg – und zog die Frage nach sich, ob auch abseits dieses Events etwas mehr Experimentierfreude dem Sender im Speziellen, aber auch dem Fernsehen im Allgemeinen nicht gut täte.

Mit Blick auf die Quoten könnte ProSieben derartige Erfolge jedenfalls häufiger gebrauchen. Denn obwohl es dem Sender auf den ersten Blick nicht an beliebten Marken, darunter "Wer stiehlt mir die Show?", "Germany's next Topmodel und "The Voice of Germany", mangelt, steht ProSieben aktuell bemerkenswert schwach da. In sieben von neun Monaten der zurückliegenden Saison lag man unter dem Marktanteil des Vorjahres – teils betrug das Minus fast einen Prozentpunkt. Und auch wenn sich ProSieben vom Tief aus dem Januar, als im Schnitt gerade mal noch 6,4 Prozent in der Zielgruppe erzielt wurden, zuletzt wieder etwas erholt hat, waren selbst im stärksten Monat der Saison nur 8,2 Prozent drin.

Mehr Comedy, weniger Relevanz?

Es gibt also viel zu tun für Hannes Hiller, den langjährigen Show-Verantwortlichen, der Daniel Rosemann im vergangenen Herbst als Senderchef bei ProSieben beerbte und sich erst mal vom gescheiterten Magazin "Zervakis & Opdenhövel. Live" befreite, das Woche für Woche die Quoten in den Abgrund rauschen ließ, selbst wenn "TV total" zuvor noch die Marktführerschaft ergatterte. Bislang ist es Hiller zwar noch nicht so recht gelungen, der Comedyshow mit Sebastian Pufpaff den passenden Kompagnon zur Seite zu stellen, doch vor allem "Bratwurst & Baklava – Die Show" empfahl sich für mehr. Auch die "Quatsch Comedy Show" zeigte zuletzt positive Tendenzen, während "Rent a Comedian" eher nicht das Zeug zur Dauerleihgabe für den Mittwochabend hat.

Während "ZOL" also verschwunden ist, sah man in der vergangenen Saison auch von Jenke von Wilmsdorff und Thilo Mischke eher wenig im ProSieben-Programm. Ganz so ambitioniert wie unter Hillers Vorgänger kommt der Sender somit derzeit also nicht daher. Der Fokus liegt klar auf Entertainment, doch auch hier häuften sich die Probleme. Insbesondere "The Masked Singer", vor noch nicht allzu langer Zeit ein echter Überflieger, rutschte zuletzt massiv ab. Zeitweise leistete sich dann auch noch "Schlag den Star" eine kurze Schwächephase – die jedoch weniger an ihrem inzwischen abgesägten Moderator Elton lag, sondern ihren Ursprung in einer undankbaren Programmierung gegen das Dschungelcamp bei RTL hatte.

Dazu kommt, dass das "Promibüßen" einst vielleicht als leichte Sommerunterhaltung taugte, im deutlich härter umkämpften Herbst jedoch vom Publikum ebenso verschmäht wurde wie das aus Österreich adaptierte "Forsthaus Rampensau" – das war wohl selbst hart gesottenen Reality-Fans mindestens eine Realityshow zu viel. Der Musikshow-Ableger "The Voice Rap" wiederum konnte selbst im Schlepptau von "The Voice of Germany" nur wenig reißen und bei der Geschwister-Spielshow "Wir gegen die" mit Carolin und David Kebekus war schon nach einer Folge die Luft raus. Und auch "Der Heiratsmarkt" steht auf der Flop-Liste der vergangenen Saison.

Auch Serien tun sich schwerer

Äußerst ernüchternd fällt zudem die Serien-Bilanz aus: Während der "Game of Thrones"-Ableger "House of the Dragon" noch überraschend gut funktionierte und sich "Young Sheldon" auch während der finalen Folgen noch ordentlich schlägt, gingen "Ted", "Based on a True Story" und "Quantum Leap" in Serie baden. Selbst die einst so strahlenden "Simpsons" sind inzwischen nur noch ein Schatten ihrer selbst – zunehmend übrigens auch am Vorabend. Ohnehin tun sich auch die Sitcoms in der Daytime immer schwerer, sodass Hannes Hiller früher oder später wohl auch diesen über viele Jahre hinweg heiligen Gral wird antasten müssen.

Hier, aber auch an anderen Stellen im Programm macht sich verstärkt bemerkbar, dass ProSieben ein vergleichsweise jung aufgestellter Sender ist. Doch in Zeiten, in denen das Publikum des linearen Fernsehens immer älter wird, bekommt insbesondere ProSieben die Auswirkungen dieser Entwicklungen besonders deutlich zu spüren. Dass der Gesamt-Marktanteil inzwischen oft nicht mal mehr drei Prozent beträgt, ist eine bisweilen erschreckende Folge.

Wie gut also, dass man sich in Unterföhring zumindest Joko und Klaas verlassen kann, die inzwischen übrigens auch jenseits der 40 sind. Welchen Stellenwert die beiden für den Sender haben, lässt sich schon alleine daran ablesen, dass Heufer-Umlaufs "Late Night Berlin" nicht schon längst abgesetzt wurde, auch wenn man es bei den oft desolaten Quoten nachvollziehen könnte. Für Erfolge wie jene am 21. April drückt man eben an anderer Stelle gerne mal ein Auge zu.