Es sind einschneidende Wochen für die deutsche Medienbranche. Kurz nachdem bekannt wurde, dass RTL den Pay-TV-Player Sky Deutschland übernehmen will, kündigten RTLzwei und Warner Bros. Discovery (WBD) an, ihre Vermarktung bereits ab dem kommenden Jahr unter dem Dach eines neuen Joint Ventures zusammenlegen zu wollen. Während die Freigabe für den RTL/Sky-Deal wohl frühestens im Laufe des nächsten Jahres erfolgt, erwarten die Verantwortlichen bei RTLzwei und WBD bereits im Laufe des Augusts eine Rückmeldung vom Bundeskartellamt zu ihren Projekt El Cartel Brothers.
Zuletzt wollte RTLzwei in der Vermarktung noch unter das Dach der Ad Alliance schlüpfen. Nachdem die Kartellwächter an diesem Vorhaben aber Bedenken angemeldet hatten, gaben die Beteiligten ihre Pläne Ende 2024 auf. Nun sind die Vorzeichen andere, durch den Zusammenschluss von RTLzwei und WBD würde ein Vermarkter entstehen, der auf dem Bewegtbild-Markt nicht nur der Ad Alliance und SevenOne Media Konkurrenz machen könnte, sondern der auch gerade im Vergleich zu großen US-Playern schlagkräftiger auftreten könnte.
Spürbare Auswirkungen wird der Plan, sollte er so genehmigt werden, auf die Mediaagenturen haben. Sie hätten künftig einen Vermarkter weniger, mit dem sie Verhandlungen führen könnten - und das im guten wie im schlechten Sinne. Aus der Branche kommen auf Anfrage vom Medienmagazin DWDL.de aber fast ausschließlich wohlwollende Töne zum geplanten Deal.

Bereits vor einiger Zeit hatte der Verband Die Mediaagenturen ein Strategiepapier mit dem Titel "Das Duale System neu denken" veröffentlicht. Schon damals hatte man verstärkte Kooperationen eingefordert, vor allem im Hinblick auf die Content-Seite. So brachten die Mediaagenturen schon damals eine gemeinsame Streamingplattform von öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern ins Gespräch. Auch die Werbefreiheit der Mediatheken von ARD und ZDF stellten sie infrage.
Die Politik denkt um
Solche Vorhaben sind in der Vergangenheit immer wieder besprochen worden, konkrete Umsetzungen scheiterten aber meist am Bundeskartellamt. Politisch hat sich zuletzt aber einiges getan, nicht zuletzt deshalb könnten die großen Mediendeals RTL/Sky und RTLzwei/WBD möglicherweise durchgehen - anders als in der Vergangenheit. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist beispielsweise unter dem Punkt "Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern" festgehalten, dass das Wettbewerbsrecht auf allen Ebenen "weiterentwickelt und mit dem Medienkonzentrationsrecht der Länder verzahnt werden" müsse - "auch um Fusionen von Medienunternehmen mit Anbietern medienrelevanter Infrastruktur zu prüfen". Für Kooperationen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll sogar eine "wettbewerbsrechtliche Bereichsausnahme" geschaffen werden. "Auch Kooperationen privater Medienhäuser sollen erleichtert werden", heißt es.
"Bei vielen ist inzwischen angekommen, dass Google, Amazon und Meta in Deutschland mehr als 50 Prozent der Werbespendings auf sich vereinen. Dass das nicht gut sein kann für die Finanzierung von Medienvielfalt und Journalismus, ist verstanden worden."
Klaus-Peter Schulz, Geschäftsführer und Sprecher Die Mediaagenturen e.V.
Darüber hinaus haben in den zurückliegenden Monaten verschiedene Verbände und Unternehmen immer wieder versucht, auf das Bundeskartellamt einzuwirken, um ein Umdenken zu bewirken. "Bei vielen ist inzwischen angekommen, dass Google, Amazon und Meta in Deutschland mehr als 50 Prozent der Werbespendings auf sich vereinen. Dass das nicht gut sein kann für die Finanzierung von Medienvielfalt und Journalismus, ist verstanden worden", sagt Klaus-Peter Schulz gegenüber DWDL.de. Dass das Bundeskartellamt in der Vergangenheit vor allem den linearen TV-Markt gesondert betrachtet und Zusammenschlüsse in diesem Bereich verhindert hat, bezeichnet er als "Fehler der Vergangenheit". Man müsse den Markt ganzheitlich im Hinblick auf Total Video betrachten. "In den Kategorien Linear und Nicht-Linear denken weder die Zuschauerinnen und Zuschauer noch die Werbungtreibenden."
Wie viele Zusammenschlüsse folgen noch?

"Beide Partner bringen komplementäre Stärken ein. Für Werbekunden eröffnet dieser neue Verbund die Möglichkeit, sehr zielgerichtet zu buchen."
Britta Brumbach, Managing Partner Unbound Media
Das Kräfteverhältnis im deutschen TV-Werbemarkt wird sich durch den Deal wohl aber dennoch nicht nachhaltig verschieben, glaubt Britta Brumbach. Die El Cartel Brothers könnten sich aber "zwischen den etablierten Playern Ad Alliance und SevenOne Media positionieren". Und dann wirft die Mediaagentur-Managerin noch eine Frage auf, die aktuell wohl alle in der Branche umtreibt: Es zeige sich, dass Zusammenschlüsse an der Tagesordnung seien. Es bleibe abzuwarten, "inwiefern ein einzelner Sender die Kraft aufbringen kann, am Markt weiterhin zu bestehen". Also konkret: Was bringt die Konsolidierungswelle noch mit sich?
Einer, der die speziellen Herausforderung kennt, mit denen El Cartel als Einzelvermarkter von RTLzwei immer zu kämpfen hatte, ist Andreas Kösling. Er war lange selbst Geschäftsführer bei der RTLzwei-Tochter, nach Stationen bei der Ad Alliance und ProSiebenSat.1 ist er mittlerweile mit seiner eigenen Mediaagentur B-Media selbstständig (Mehr dazu lesen Sie hier). "Ich sehe die Zusammenlegung grundsätzlich positiv", sagt Kösling jetzt gegenüber DWDL.de. Er spricht von einem "überfälligen" Schritt, schon seit längerer Zeit werde über eine stärkere Bündelung der kleinen Vermarkter nachgedacht.
Es gibt auch einen Wermutstropfen...

"Die Bündelung dürfte den Markt strukturell verdichten und mittelfristig zu mehr Standardisierung und Preisstabilität führen"
Andreas Kösling, Geschäftsführer B-Media
Andreas Kösling spricht aber auch die unschönen Folgen für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Unternehmen an, sollte der Deal genehmigt werden. "Der einzige Wermutstropfen liegt erfahrungsgemäß in den personellen Veränderungen, die Synergien mit sich bringen", so der ehemalige El-Cartel-Chef, der trotzdem sagt, die Chancen des Vorhabens würden klar überwiegen. Zu einem möglichen Stellenabbau im kombinierten Unternehmen haben sich RTLzwei und WBD bislang noch nicht geäußert - das will man nachholen, wenn das Bundeskartellamt grünes Licht gegeben hat. Eins steht aber jetzt schon fest: Auf Seiten der Mediaagenturen gibt es keinen Widerstand zum geplanten Joint Venture.
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Carglass repariert, Carglass tauscht aus - und Carglass investiert jetzt auch massiv in TV-Werbung. In den vergangenen zwei Wochen war der Autoglas-Spezialist so präsent im TV wie noch nie in diesem Jahr, alleine in der zurückliegenden Woche investierte das Unternehmen brutto rund 3,3 Millionen Euro in TV-Werbung. Am meisten davon entfiel nach Angaben der Zahlen-Spezialisten von All Eyes on Screens auf RTL und RTLzwei. Aber auch ProSieben und Sat.1 erhielten substanziell Werbegeld von Carglass. Mit mehr als 1.300 Spots und einer Bruttoreichweite in Höhe von 662 XRP schaffte es das Unternehmen in der vergangenen Woche auf Platz zwei der Markencharts.
Mehr Bruttoreichweite erzielte in der vergangenen Woche nur die Ferrero-Marke Kinder, die 957 XRP erzielte. Dafür schaltete man aber auch einige Spots mehr, 1.603 waren es. Dass viele Spots aber nicht unbedingt für eine höhere Reichweite sorgen, kann man am Beispiel Enpal sehen: Das Solar-Unternehmen erzielte zwar mit 578 XRP den dritten Platz im Ranking, dafür warb man allerdings auch mehr als 3.500 Mal in den Werbeblöcken der TV-Sender - und das alles nur im Verlauf der zurückliegenden Woche.
Das Werberanking kurz erklärt
All Eyes On Screens (früher: AdScanner) stellt für das Ranking eine Liste aller in der vergangenen Woche im deutschen TV ausgestrahlten Werbespots zusammen und ermittelt für diese die in Summe erzielte Reichweite in den gemessenen Vodafone-Haushalten. Da hier die sekundengenaue Reichweite statt der bislang branchenüblichen Werbeinselreichweite als Grundlage dient, spricht All Eyes On Screens von XRP (Exact Rating Points). Da es sich um Brutto-Reichweiten handelt, werden dafür die Einzel-Reichweite jeder Ausstrahlung aufaddiert. Zur Veranschaulichung: Läuft ein Spot zehn Mal und erreicht dabei jeweils fünf Prozent der gemessenen Vodafone-Haushalte, ergibt das für die gesamte Woche 50 XRP - auch wenn es immer die gleichen fünf Prozent gewesen wären.