Im Marketing wird das Spannungsfeld zwischen Performance und Branding schon lange debattiert. Und doch standen in den zurückliegenden Jahren vor allem Performance-Kampagnen im Mittelpunkt. Diese liefern den werbungtreibenden Unternehmen im besten Fall schnelle und messbare Ergebnisse. Branding-Kampagnen zielen nicht auf den Absatz eines bestimmten Produkts, sie sollen stattdessen Identität und Vertrauen in eine Marke stärken. Langsam aber findet ein Wandel statt.
"Vielleicht haben wir zu lange einen Fokus auf Performance gelegt und dabei Branding ein wenig vergessen", erklärte OWM-Geschäftsführerin Susanne Kunz zuletzt gegenüber DWDL.de. In der realen Welt kann man den Shift von Performance hin zu Branding immer häufiger beobachten - und viele Unternehmen setzen dabei auf Mockumentarys, um den Menschen so ihre Produkte möglichst subtil näherzubringen.
Seien es die "Filialhelden" von Lidl, eine Mockumentary über den Flughafen Köln/Bonn oder auch "Die Sonnenbergs" von Yello Strom, in dem Gisa Flake eine Rolle mit dem Namen "Klyma Wandel" spielt: Viele Marken entdecken zunehmen das Storytelling für sich, anstatt mit platten Kampagnen auf Sonderaktionen oder Ähnliches hinzuweisen. Zwei besonders große Storytelling-Kampagnen aus der jüngeren Vergangenheit sind eine Mockumentary der Deutschen Bahn mit Anke Engelke und ein ähnlich gelagertes Projekt von McDonald’s mit der Hauptfigur Bernd Stromberg aka Christoph Maria Herbst (DWDL.de berichtete 1 | 2).
Anstatt in immer kürzere TV-Spots zu investieren, setzen Marken mittlerweile verstärkt auf Longform-Inhalte. Dabei müssen sie umdenken: Produzentinnen und Produzenten sowie Kreative sind sich einig: Bei Mockumentarys müssen die Geschichten und die Figuren im Mittelpunkt stehen, nicht die Marke, von der das Format kommt. Wenn diese Marke dann aber subtil in die Handlung eingebunden werden kann, bleibt sie positiv beim Publikum hängen.
Werbung ja, aber subtil
© wtf
Kerstin Kohle und Yannick Moll
"Der Spagat zwischen Werbung und glaubwürdiger Fiktion gelingt, wenn man auf jeden Fall das Werbliche nicht auf Gedeih und Verderb in den Vordergrund schiebt", sagen Kohle und Moll. Bei "Boah, Bahn!" sei es immer zuerst um die Szene, den Moment und den Menschen gegangen. Auch bei Banijay Media Germany schlagen sie in eine ähnliche Kerbe. "Das Wichtigste ist Glaubwürdigkeit. Eine Mockumentary lebt davon, dass sie sich ‘real’ anfühlt – dass man kurz vergisst, dass sie inszeniert ist. [...] Die Marke darf nicht zum Fremdkörper werden, sondern muss Teil des Settings sein – selbstverständlich, nicht aufgesetzt. Wenn man merkt, dass die Geschichte nur gebaut wurde, um ein Produkt zu zeigen, funktioniert das Format nicht", sagt Christian Nienaber, Geschäftsführer von Banijay Media Germany, gegenüber DWDL.de. Banijay Media und Brainpool haben für McDonald’s die Mockumentary mit Bernd Stromberg umgesetzt.
"Die Kommunikation war zu häufig produktgetrieben, zu auffordernd, schnell zu plump oder auch zu laut und zu schnell."
Kerstin Kohle, Geschäftsführerin der wtf GmbH
Marken sollten in einer Mockumentary nicht beworben, sondern erlebbar werden, ergänzt Nienaber. Auf die Frage, ob Marken in den zurückliegenden Jahren das Storytelling zu sehr aus den Augen verloren haben, antwortet der Chef von Banijay Media: "Zum Teil, ja." Die Werbung sei zu stark auf Performance, Reichweiten und kurzfristige KPIs ausgerichtet gewesen. "Das war wirtschaftlich nachvollziehbar, hat aber oft dazu geführt, dass die erzählerische Dimension – also das emotionale Fundament einer Marke – verloren gegangen ist." Inzwischen würde es einen Wandel geben, sagt Nienaber. "Storytelling ist nicht mehr ‘nice to have’, sondern die Grundlage, um Relevanz zu schaffen."
Mockumentarys passen gut in den Storytelling-Trend
© Steffen Z Wolff / Banijay Media Germany
Christian Nienaber
"Wenn man merkt, dass die Geschichte nur gebaut wurde, um ein Produkt zu zeigen, funktioniert das Format nicht."
Christian Nienaber, Geschäftsführer von Banijay Media Germany
Auch Kerstin Kohle von wtf glaubt, dass die Werbebranche das eigentliche Erzählen von Geschichten in den zurückliegenden Jahren ein wenig aus den Augen verloren hat. "Die Kommunikation war zu häufig produktgetrieben, zu auffordernd, schnell zu plump oder auch zu laut und zu schnell", sagt sie. Die Idee dahinter sei gewesen, möglichst sofort ein Signal zu setzen. Langfristig habe das dazu geführt, dass die Bindung zwischen Marke und Publikum schwächer geworden sei. "Gutes Storytelling braucht Ruhe und immer Figuren und Situationen, mit denen man mitgeht und die man fühlen kann. Man sollte versuchen, nicht komplett nur über das Produkt zu sprechen, sondern aus dem Produkt heraus erzählen zu lassen."
Die Menschen würden zunehmend Szenen und Szenarien sehen wollen, in denen sie sich zumindest teilweise wiedererkennen, sagt Kohle. "Perfekt überinszenierte Werbung wirkt zunehmend wie ein Fremdkörper." Mockumentarys würden das Bedürfnis sehr gut treffen, "weil sie alltägliche Situationen zeigen, die leicht überzeichnet, aber nie völlig abgehoben sind." Und so kann man dann auch wieder eine Beziehung zu den Konsumentinnen und Konsumenten aufbauen - und sich im besten Fall von der Konkurrenz abheben, die in der Werbung weiterhin nur von einer Sonderaktion zur nächsten hetzt.
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