Die Sache mit der Interaktivität ist nicht so einfach. Das musste schon RTL vor 15 Jahren feststellen, als man in der Kölner Innenstadt eine Kneipe eröffnete, die das Ziel hatte, die Zuschauer zu binden. Mit wenig Erfolg, wie sich schnell herausstellen sollte. Der Tresen von heute hat andere Namen: Facebook und Twitter sind wohl die bekanntesten davon - und immer mehr Fernsehmacher tummeln sich auf diesen Plattformen. Unter dem Motto "Lagerfeuer 2.0? Die Zukunft der Audiovisualität" drehte es sich am Donnerstag auf dem Medienforum NRW um eben jene interaktiven Möglichkeiten.

Einer, der wissen muss, wie man die Zuschauer in das Geschehen auf dem Bildschirm integriert, ist Alexander Mazzara. Als CEO des Senders joiz hat er in der Schweiz ein spannendes Konzept entwickelt, das er noch in diesem Jahr auch auf den deutschen Markt übertragen möchte. "Wenn ich an Social TV denke, dann denke ich an joiz", scherzte Mazzara auf dem Medienforum und betonte dann ganz im Ernst, dass es für den Erfolg im Social TV vor allem darauf ankomme, ein Community-Gefühl zu entwickeln. Dabei sei es wichtig, möglichst viele Zuschauer in die Sendung zu integrieren - und entsprechend wenige vor dem Fernseher zu enttäuschen.

In Spitzenzeiten erreichen joiz in der Schweiz derzeit bis zu 20.000 Fragen pro Stunde, von denen aber gewiss nicht alle verschieden sind. Am Ende blieben rund 30 unterschiedliche Fragetypen - ein Großteil davon müssen es dann aber auch auf den Schirm bringen. "Die wichtigsten Fragen müssen wir als Journalisten stellen", sagte Mazzara bei der von DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath moderierten Diskussionsrunde. Und so manches Mal zieht er dann daraus auch für sich selbst wichtige Erkenntnisse. "Es ist für mich das spannendste, in Realtime verstehen zu können, was die Menschen bewegt." Doch trotz aller Interaktivität betonte Mazzara, sich an gewisse Gesetzmäßigkeiten des Mediums zu halten: "Wir verändern nicht von Grund auf das Fernsehen."

Dass man sich heute traue, einen Sender wie joiz zu starten, führt der Senderchef auch darauf zurück, dass es mehr Möglichkeiten gibt als noch vor ein paar Jahren. "Die Welt hat sich verändert. Wir haben ganz viele Dinge, die man sich vor zehn Jahren gewünscht hätte. Denken Sie nur an Twitter oder Facebook." Noch einige Jahre zuvor habe es schon als interaktiv gegolten, wenn Faxe geschickt wurden. Und doch will Mazzara das Konzept seines Schweizer Senders nicht 1:1 nach Deutschland holen. "Ich bin mir sicher, dass wir in Deutschland etwas anders werden als die Schweiz." Doch in der Diskussionsrunde auf dem Medienforum ging es nicht nur um den hierzulande noch gar nicht gestarteten Sender.

An so mancher Stelle der Diskussion blitzte auch Skepsis gegenüber der Einbeziehung sozialer Netzwerke im Fernsehen auf. So wies der stellvertretende Arte-Programmdirektor Florian Hager darauf hin, dass es im Falle des Social-Media-Erfolgs "Berlin - Tag & Nacht" wohl kaum möglich sei, die tausenden Kommentare der User unter den Postings und Videos der Protagonisten zu lesen - geschweige denn Sie in irgendeiner Form auch für sich zu nutzen. Andererseits gebe es zu großen Fernsehshows mit sechs Millionen Zuschauern oft im besten Falle 10.000 Tweets - ein fast schon verschwindend geringer Anteil. Letztlich dürften Sender bei ihren Ausflügen in die sozialen Netzwerke auch nichts versprechen, was sie nicht halten könnten, so Hager. Oft sei es eben doch nur ein Marketinginstrument.

Bei Facebook sei eine emotionale Ansprache nötig, die noch dazu authentisch bei den Usern rüberkomme müsse, beschreibt er das Erfolgsrezept. Doch da stellt sich die Frage, ob überhaupt jedes Format in den sozialen Netzwerken mitmischen muss. Fast schon sinnbildlich war da die Frage eines jungen Mannes von der WDR Mediagroup, die darauf abzielte, warum denn eine Sendung wie die ARD-Vorabendserie "Zwischen den Zeilen" trotz aller Anstrengungen in Social Media nicht funktioniert habe. "Fernsehsender versuchen krampfhaft, modern zu sein, aber so funktioniert es nicht", erklärte Produzentin Christian Ruff. "Es muss aus der Mitte kommen und nicht von Sendern, die jetzt versuchen, auf dieser Art etwas für die junge Zielgruppe zu machen. Deswegen wirkt es immer muffig."

Eine Meinung, die auch Arte-Mann Florian Hager teilte. "Es kostet einen Haufen Geld und bringt nichts", sagte Hager und meint den Versuch von manchen Sendern nicht geeignete Formate auf Teufel komm raus plump in Social Media zu verlängern. Da stimmt auch Ruff zu, denn man müsse sich ohnehin erst mal Gedanken um den Inhalt eines guten Programms machen - eine subtile Anspielung darauf, dass es bei "Zwischen den Zeilen" letztlich auch auf schlechte Drehbücher zurückzuführen ist. Social Media könne keine schlechte Sendung retten. Einen schwachen Trost gibt es allerdings für den jungen Mann aus dem Publikum: Am ARD-Vorabend sind in der Vergangenheit schon ganz andere an der Interaktivität gescheitert.