Was finde ich aus der Business-Perspektive spannend?

Das Experiment von Bild mit „Die Heiters: Jetzt wird geheiratet.“ Als vierteilige Dokusoap am 31. Juli gestartet folgte nun letzten Samstag das große sechsstündige Live-Event der Hochzeit an der Amalfiküste. Dass das ganze gutes Reality-Handwerk wurde, dafür sorgten Endemol Shine Germany und der geschätzte Kollege Rainer Laux. Interessant fand ich, dass man selbst als BILDplus-Abonnent einen sogenannten „Wedding Pass“ für fünf Euro kaufen musste, um an dem Spektakel teilhaben zu können. Da das ganze nicht in AGF-Quoten abgebildet wird, und man auch sonst nichts zur Nutzung finden kann, stelle ich mir nun die Frage: War das Projekt ein Erfolg? Bisher hatte man bei Bild mit Pay-per-View-Events wie „Fame Fighting“ wohl recht gute Erfahrungen gemacht. Aber ist das vermeintliche Monetarisierungs-Doppel nicht eher eine doppelte Hürde bei einer Reality-Klientel, die im deutschen Fernsehen ja nicht gerade unterbedient wird? Selbst wenn ein Prozent der kombinierten rund 4,5 Millionen Instagram-Follower der Heiters in zahlende Kunden konvertiert wären, und das wäre nicht wenig, käme man bei 45.000 Tickets auf Erlöse von nur 225.000 Euro. Klar, es gab mit Sicherheit noch hinreichend andere Vermarktungsmöglichkeiten. Aber die Economics hinter diesem Case wüßte ich doch zu gerne. Wir werden die Erfolgsfrage wohl erst geklärt haben, wenn die nächste Reality-Sternchen-Hochzeit bei Bild kommt. Oder eben auch nicht.

Wer segelt im gleichen Wetter, aber in unterschiedlichen Booten?

Die großen deutschen Film- und TV-Produktionsunternehmen. Auch dieses Jahr habe ich wieder die spannende Reihe von Torsten Zarges „Produktionsriesen im Umbruch“ (hier bei DWDL) gelesen, Giganten in der Transformation. Alle kämpfen mit Budgetdruck, Talentschlacht und IP-Wettlauf, doch aus meiner Sicht machen die Eigentümer-Archetypen den Unterschied. Und da ist wirklich alles dabei: von globalen Konzernen (Leonine, Banijay) bis zu über 100% Senderbesitz (Studio Hamburg, NDR), vom Familienunternehmen (Beta Film) bis zu öffentlich-rechtlich/staatlichem Konsortium (Bavaria). Und wenn man jetzt noch die Constantin Film (Highlight Communications AG) hinzu zöge, dann käme auch noch eine börsennotierte Holding dazu. Jede Eigentümer-Konstellation hat wie immer Vor- und Nachteile. Aber wenn ich bewerten sollte, welche Konstruktion am besten für Wachstum und Transformation geeignet ist, dann würde ich mich vermutlich für Banijay Germany entscheiden. Sie nutzt Konzern-Scale (globaler Katalog, Kapital, professionelle M&A-/Controlling-Maschinerie, internationale Remake-Kanäle) und hat zugleich einen lokalen Execution-Turbo mit Chuzpe, da ihr Geschäftsführer, der geschätzte Kollege Marcus Wolter, Teilhaber und damit zusätzlich, sehr direkt incentiviert ist. Deswegen diversifizieren sie konsequent Erlöse auch jenseits der klassischen Primetime, etwa durch die Brücke ins Live-/Event-Geschäft, und werden so von einer Produktionsfirma zum ganzheitlichen Entertainment-Haus. Anyway, ich bin mir sicher, auch die anderen geschätzten Kollegen nutzen die Stärken ihres Eigentümer-Archetypus.

Mehr zu Banijay Germany hier

Was werden wir in Zukunft sicherlich mehr sehen bzw. erleben?

KI-unterstützte, immersive Kultfilm-Erlebnisse. Zum Beispiel seit dem 28. August den MGM-Klassiker „Wizard of Oz“ in der Las Vegas Sphere. Dies ist kein klassischer Filmabend, sondern eine gigantische 75-Minuten-Immersion. Klar, Dorothy bleibt Dorothy, aber Kansas bis Smaragdstadt werden KI-breitgezogen, der Tornado donnert über die 16K-Kuppel, Sitze vibrieren, Wind pfeift. Puristen werden sich jetzt vermutlich bekreuzigen. Aber strategisch ist es für mich ein Lehrstück, denn Katalog-IP wird so zum Erlebnisprodukt. Mit Premium-Tickets, Hotel-Bundles und Merchandising. Aus „Library“ wird so Live-Umsatz, aus dem Archiv ein Eventkalender. Genau hier liegt eine Blaupause für Studios. Kuratierte Setpieces statt 1:1-Restaurierung, technisch übersteuert, aber emotional vertraut. Fun Fact: Obwohl Amazon 2022 MGM gekauft hat, liegen die Rechte am 1939er-„Wizard “ weiterhin beim jetzigen Sphere-Partner Warner Bros. Discovery (über Turner Entertainment). Ted Turner behielt 1986 die pre-1986-MGM-Library und brachte sie 1996 in Time Warner ein. Man weiß nie, wann mal was wert ist. Mein Fazit: Vegas zeigt, wie man Klassiker in die Gegenwart neu verkauft. Weniger Kino, mehr Vergnügungspark. Die eigentliche Frage ist nicht „Darf man das?“, sondern: Welches Studio baut als Nächstes seine Achterbahn? Wie wäre es mit Disney / Lucasfilm? Da steht nämlich 2027 ein Re-Release von „Star Wars: A New Hope“ zum 50jährigen Jubiläum an.

Mehr Fakten zum „Zauberer“ gibt es hier

Welchen Begriff habe ich diese Woche dazu gelernt?

Aufgepaßt: „Moment-Marketing.“ Beispiel gefällig? Ed Sheeran taucht in Stuttgart am Opernvorplatz beim Creator Emilio Piano auf, ganz „zufällig“ natürlich, und singt „Perfect“. 84 Millionen TikTok-Views, knapp zehn Millionen Shorts-Aufrufe und drei Millionen Insta-Likes später ist klar, nicht mehr TV-Shows pushen Releases, sondern kuratierte Überraschungsmomente im echten Leben, gebaut für Feeds. Warner Music-Manager Max Gervink nennt das Moment-Marketing, lokal, schnell, kollaborativ - und eben gnadenlos messbar (Sheerans Follower-Zuwachs betrug rund 15.000 an dem Tag). Die Spielregeln lauten lokale Codes (Duo Lipa singt „99 Luftballons“), Creator-Brücken (Caro Daur), ikonische Twists (Benson Boones Latex-Flip bei den Grammys), Fan-Co-Creation (Shirin David) und Brand-Andockung in Echtzeit. Linkin Park lässt Sängerin Emily Armstrong im Lidl-Tracksuit auftreten (Insta-Hit, Anzug ausverkauft, Aktivierung im Stadion), Adidas reitet die Oasis-Reunion mit Capsule-Drop usw. Mein Fazit: TikTok ist das neue „Wetten, dass..?“, nur ohne Samstagabend und Hebebühne. Ich bleibe auch oft bei solchen Reels in meinen Feeds hängen. Und ehrlich gesagt: auch gut inszenierte „Authentizität“ kann sehr unterhaltsam sein.

Die sehr gute Recherche zum Thema findet ihr hier

Und was finde ich keck und smart zugleich?

Wie der geschätzte Kollege Markus Breitenecker mal eben das Narrativ der MFE-Übernahme von ProSiebenSat.1 ändert. Seit Donnerstag ist klar: MFE hat sich eine Gesamtbeteiligung von 75,61 Prozent gesichert und wird mit Vollzug der Transaktion Mehrheitsaktionärin von ProSiebenSat.1 werden. Das heißt nichts anderes als: sie können durchregieren, im Alleingang. In Unterföhring begrüßt man das und pocht aber weiter auf Augenhöhe. CEO Bert Habets formuliert geschickt: „In den kommenden Wochen werden wir gemeinsam die vielversprechendsten Möglichkeiten für eine tiefergehende Zusammenarbeit identifizieren und unsere Visionen für die Zukunft aufeinander abstimmen.“ Und bereits am Vortag hatte sein Vorstandskollege Breitenecker in einer hauseigenen Nachrichtensendung Eigeninitiative gezeigt. Um im Wettbewerb mit den US-Giganten bestehen zu können sagt er: „Da bringt es natürlich was, wenn wir aus dem Standort München heraus zum Beispiel unsere Streaming-Plattform Joyn, wo wir sehr erfolgreich sind, ausbauen können und vielleicht für ganz Europa anbieten können." Joyn-Hoodies also demnächst auch in Mailand und Madrid? Aber im Ernst: Er hat da schon einen Punkt. Auch MFE braucht in Deutschland ein kluges Management mit Weitsicht, mit dem man gut zusammenarbeiten kann und das Markt und Kultur hier kennt. Und wer weiß, vielleicht hat Pier Silvio Berlusconi schon die nächsten langfristigen Targets im Auge. M6 könnte ab 2028 in Frankreich wieder ein Thema werden. Und ITV in UK war auch mal auf Käufersuche.

Den Beitrag von „17:30 Sat.1 Bayern“ sehr ihr hier