Foto: ProSieben/Christiane PauschGerne hört man von Produzenten oder Senderchefs vor der Premiere neuer Produktionen Sätze wie „Wenn das nicht funktioniert, versteh ich nichts vom Fernsehen“. Würde man darauf näher eingehen, würde es ein für manche Verantwortliche sehr peinlicher Artikel. Doch bei der ProSieben-Serie „Unschuldig“, produziert von Teamworx, könnte man eine entsprechende Behauptung bedenkenlos unterschreiben. Lange gab es keine deutsche Serie, bei der fast alles stimmt - und man sich nicht zu schämen braucht, dies so direkt zu schreiben. „Unschuldig“ ist schlicht beste Fernsehunterhaltung - nicht mehr, aber gottseidank auch nicht weniger.

Über den Inhalt wurde schon zahlreich geschrieben. In Kurzform: Alexandra Neldel spielt die Anwältin Anna Winter, die zusammen mit ihren Kollegen Marco (Clemens Schick) und Sebastian (Erhan Emre) ungelöste Kriminalfälle noch einmal aufrollt, um Gerechtigkeit walten zu lassen und Unschuld zu beweisen. Klingt etwas nach den US-Serien „Cold Case“ und dem kurzlebigen "In Justice", hat auch etwas davon - aber mit sehr deutlicher, eigener Handschrift. Die gelingt sowohl den Darstellern als auch der Produktionsfirma Teamworx, die nach dem eher durchwachsenen und beim Publikum gescheiterten „Verrückt nach Clara“ zum zweiten Mal eine Serie für ProSieben produzierte.
 
Mit dabei: Ein Josef Matula der ProSieben-Generation
 
Die wahrscheinlich beste Entscheidung ihrer Karriere - am Höhepunkt bei „Verliebt in Berlin“ auszusteigen - kommt Alexandra Neldel bei „Unschuldig“ zu Gute. Zu keinem Zeitpunkt hat man ihre damalige Serienrolle vor Augen, was ihrer überzeugenden Darstellung geschuldet ist. Die liefern auch Schauspiel-Kollege Clemens Schick, der den Ex-Polizist Marco spielt, derquasi als Schnüffler in ehrenwerten Diensten arbeitet. Ein Josef Matula der ProSieben-Generation. Der von Erhan Emre gespielte Krebsforscher Sebastian übernimmt dann all die Analysen, die dank „CSI“ ins Krimigenre Einzug erhalten haben.
 


Ohnehin lehnt sich „Unschuldig“ auch bei der Optik an amerikanische Krimiserien an. Schnelle Schnitte, viele Zwischenbilder und ein meist recht lauter - wenn nötig aber auch dezenter - Soundtrack. Auch vom Tempo reicht „Unschuldig“ immer dann an die amerikanischen Serien heran, wenn es nötig und richtig ist. So beginnt die erste Folge sehr rasant und ohne den in deutschen Serien leider oft sehr langen Vorlauf. Doch Optik und Sound allein sind natürlich nicht alles.
 
Gekonnte Mischung aus Gewohntem und Neuem
 
So endet man letztlich bei einem gelungenen Cast, spannenden Episoden und einem erstaunlicherweise gut passenden Humor in einzelnen Momenten, der der Serie nicht die Ernsthaftigkeit oder Spannung raubt. Wollte man die herausragende Leistung des Teams um Produzent Sascha Schwingel irgendwie benennen, so ist es vielleicht die gekonnte Mischung aus Gewohntem und Neuem. „Unschuldig“ setzt auf ein klassisches Genre mit einer bekannten Hauptdarstellerin - und ruht sich nicht allein darauf aus. Es kommen ungewöhnliche Fälle, der überzeugende Cast, der dezente Humor und die gesamte Verpackung hinzu.

Das schlechteste, was man über „Unschuldig“ sagen kann, ist die Tatsache, dass ProSieben sich - wie auch Schwestersender Sat.1 - zu der unmöglichen Wortschöpfung „Crime-Serie“ hat hinreissen lassen. Insbesondere wenn es halb englisch, halb deutsch ausgesprochen wird, wie man es bei den Kollegen von Sat.1 und ihren Trailern für die „Crime-Serien“ erlebt. Wäre es so viel weniger trendy gewesen, einfach von Krimiserie zu sprechen? Aber es wäre auch unheimlich, wenn man einfach alles richtig gemacht hätte.