Foto: CoverMit 109.570 verkauften Exemplaren laut IVW 1/2008 ist das Problem der "View" ganz offensichtlich: Es war das schlechteste Quartal der im Herbst 2005 ohnehin schon unter den Erwartungen gestarteten Zeitschrift aus dem Hause Gruner+Jahr. Nach dem Ausscheiden von Tom Jacobi, der neben seiner Funktion als Art Director des "Stern" auch Chefredakteur der "View" war, ist man seit der Mai-Ausgabe zu den Wurzeln zurückgekehrt. Nach dem Versuch eines "Nachrichtenmagazins in Bildern" stehen jetzt wieder die Fotos im Mittelpunkt. Neu auch die Rückenheftung und ein größeres Format. DWDL.de hat sich die Juni-Ausgabe der "View" einmal nähe angeschaut. Ob sich so das Auflagenziel von 150.000 Exemplaren erreichen lässt?

Aufgeteilt ist die neue "View" in die drei großen Rubriken "Bilder des Monats", "Reportage des Monats" und "Menschen des Monats". Dazu gesellen sich einzelne, meist einseitige Rubriken sowie am Ende des Heftes eine sechsseitige Foto-Community mit einer Auswahl von Leserfotos. Die Struktur ist damit nicht komplizierter als nötig bei einem Heft, welches ohnehin vom Blättern und Entdecken lebt. Etwa über die ersten 60 Seiten erstrecken sich die "Bilder des Monats". Hier kann man meist doppelseitige Fotos zu bedeutenden oder auch unbedeutenden Ereignissen entdecken.

Mal wird hier eine große Story auf ein kleines Detail heruntergebrochen, mal macht erst das Foto aus einer Schlagzeile eine lesenswerte Story. Wobei es allerdings - ohne dies als Kritik zu formulieren - generell wenig zu lesen gibt. Meist beschränkt es sich auf einen kurzen Textkasten, nur ab und an gibt es einen kurzen Artikel wie etwa auf den sechs Seiten "China zeigt Gefühle" zum verheerenden Erdbeben und seinen Folgen. Fast immer dabei: Ein Verweis auf die "View"-Website zum Abruf eines dazugehörigen Videos oder weiterer Informationen.
 


Nach der Titelstory in der Heftmitte, diesmal ein ansehnliches und mit 14 Seiten auch nicht zu kurz geratenes Fotoshooting inklusive Artikel anlässlich der Fußball-Europameisterschaft, beginnt der zweite große Heftteil mit den "Menschen des Monats". Im Unterschied zu den "Bildern des Monats" dreht es sich hier um Promis, wobei der Begriff fast überstrapaziert mit Fotos von Tokio Hotel bis Nelson Mandela. Immerhin ist es keine Monatsausgabe einer üblichen Klatschzeitschrift: Da geht "View" schon deutlich darüber hinaus.

Deplatziert wirkt allerdings eine der Rubrik "Menschen des Monats" untergeschobene Doppelseite "Die 10 Geheimnisse des Horst Köhler". Auch wenn links Köhler in Großaufnahme zu sehen ist, fragt man sich doch, was diese Auflistung in der "View" zu suchen hat. Ein besseres Beispiel dafür, wie man über Fotos zu interessanten, wenn auch nicht bedeutenden Storys kommt, ist ein 3-Seiter über Helmut Kohls neue Frau und die Kleider von Hannelore. Oder aber ein kurzes Interview mit dem deutschen Fotografen Jürgen Schadeberg, der Nelson Mandela seit Jahren begleitet und über seine Fotos von ihm spricht.

Wer die "View" durchblättert oder auch liest, der stellt fest: Das Magazin ist frei von jeder Relevanz. Als monatlicher Ableger des "Stern" würde es auch verwundern, wenn man sich brisante Themen für die "View" aufheben würde. Aber das Heft ist wieder stimmig, gut zu lesen und optisch auch dank des größeren Formats wieder eindrucksvoller. Wo wir gerade bei Größe sind: Ein Foto auf einer "View"-Doppelseite ist übrigens größer als das Bild eines 20 Zoll-Display. Schöne Ideen wie die meistgedruckten Bilder der dpa oder die Rubrik "Ein Bild, das ich nicht vergesse" gibt es nach wie vor.

Der erneute Relaunch war ein guter Schritt. Die jetzige Positionierung wird dem Mutterblatt "Stern" nicht mehr gefährlich. Der zwischenzeitliche Versuch eines "Nachrichtenmagazins in Bildern" erinnerte doch sehr an einen monatlichen "Stern". Jetzt hat "View" wieder eine gewisse Eigenständigkeit. Fraglich bleibt jedoch weiterhin, ob es in Deutschland einen Markt für eine derartige Zeitschrift gibt. Denn "View" ist Luxus. Im guten wie im schlechten Sinne. Das Magazin besitzt weder das Zeug zum Massenmarkt noch richtet es sich klar an eine zugespitzte Zielgruppe, für die das Heft unverzichtbar wäre. "View" leistet man sich, wenn man Lust drauf hat. Es würde aber eben auch nichts fehlen, wäre "View" nicht da. Eine tragische Situation für ein gutes Heft.