Foto: ARDVor einem Jahr löste Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki mit seinem Auftritt beim damaligen Deutschen Fernsehpreis eine Debatte über die Qualität im deutschen Fernsehen aus. Es war jedoch ein Sturm im Wasserglas, auch weil sein Urteil aus Unkenntnis heraus kam. Reich-Ranicki sprach über etwas, was er nicht kannte und pauschal im Gesamten verurteilte. Wer jedoch kann darüber urteilen, was gut ist und was schlecht? Sind es die Kritiker? Oder letztlich etwa die Zuschauer, die mit der Fernbedienung entscheiden?

Diese Frage führt zum Kern allen Übels in der Diskussion um die Qualität im deutschen Fernsehen und der alles entscheidenden Frage: Bedeutet Quote Qualität? Schon beim Schreiben dieser Zeilen bedarf es nicht viel Fantasie sich den lauten Aufschrei der Kritiker und Feuilletonisten vorzustellen. Einen Automatismus gibt es ganz sicher nicht. Faktoren wie Sensationsgier, Bequemlichkeit, Gelegenheit, Zufall und manchmal auch ganz schnöde die starke oder schwache Gegenprogrammierung sorgen dafür, dass die Quote, also die Masse, nicht unmittelbar für Klasse spricht.

Aber umgekehrt stellt sich die viel spannendere Frage: Kann ein Format schlecht sein, wenn die Quote auf Dauer gut ist? Sind Castingshows, Dokusoaps und manch anderes erfolgreiche Genre per se schlecht, obwohl sie in der Gunst der Fernsehzuschauer hoch stehen? Aus der Sicht derer, die einschalten, ganz offensichtlich nicht. Fragt man das Feuilleton, dann ist die Antwort der Hochkultur meist simpel: Das Volk leidet an Verdummung und Geschmackslosigkeit. Ist dem so? Es fällt schwer zu glauben, dass das deutsche Volk in den vergangenen zehn Jahren kollektiv verblödet ist.

Natürlich muss man klar und deutlich festhalten, dass es vermutlich noch nie so viel Müll im deutschen Fernsehen gab wie heutzutage. Das aber liegt einfach daran, dass es so viele Kanäle gibt, wie nie zu vor. Damit gibt es nicht nur so viel Müll, sondern auch so viel Sehenswertes wie nie zuvor. Im Vergleich zu den 90er Jahren hat sich nicht nur der Geschmack gewandelt, nicht verschlechert - der Geschmack des Publikums ist breiter geworden, vielfältiger. Kurz gesagt: Das Fernsehverhalten der Deutschen hat sich geändert.