"Hier spielt die Musik." Als Moderator Jochen Schropp zu Beginn des Abends diesen Satz sagte, hatte er ganz sicher nicht unrecht. Die neue "X Factor"-Staffel startete am Dienstag bei VOX äußerst vielversprechend. Der Sender hat seine Castingshow im Vergleich zum vergangenen Jahr nicht zuletzt optisch deutlich aufgewertet - und auch sonst wurde an den richtigen Stellschrauben gedreht. Rapper Das Bo tut der Jury gut und gesanglich liegt "X Factor" auch diesmal wieder deutlich vor Pendants wie "DSDS" oder "Popstars".

Doch die eigentliche Überraschung des Dienstags war nicht etwa "X Factor", sondern jenes Format, das VOX direkt im Anschluss ausstrahlte. "Cover My Song" heißt die Sendung, in der VOX ein äußerst spannendes Projekt angeht. Das Konzept ist schnell erklärt: Ein Nachwuchs-Rapper trifft auf einen Schlagerstar. Verständlich, dass bei Begegnungen dieser Art Welten aufeinanderprallen. Doch wer nun denkt, es handle sich um ein krawalliges Format, der sieht sich geirrt. Denn "Cover My Song" ist wirklich tolles Fernsehen.

Am Ende des Treffens überreichen sich beide Musiker ihren wertvollsten Schatz - und das ist ihr erfolgreichstes Lied. Ziel ist es nun, den Song des jeweils anderen in ganz neuem Gewand zu verpacken. Die Idee klingt bereits auf dem Papier wunderbar, doch noch viel wunderbarer ist die Umsetzung. Ohne schnelle Schnitte und lächerliche Kommentare, dafür aber mit viel Liebe zur Musik zeigt "Cover My Song" zudem, wie spannend es sein kann, wenn sich zwei komplett verschiedene Lebenswelten treffen - und dadurch jede Menge Inspiration gewinnen.

Gleich die erste Folge war dafür ein Parade-Beispiel: Rapper Dennis Lisk alias Denyo vom Hamburger HipHop-Trio "Beginner" bringt Schlagerstar Chris Roberts und den Nachwuchs-Rapper MoTrip zusammen - und beide staunen nicht schlecht, als sie die Musik des jeweils anderen hörten. Den persönlichen Musikgeschmack trifft "Du kannst nicht immer 17 sein" bei MoTrip zwar nicht. Und doch ist der Rapper von der Kernaussage des Klassikers begeistert. "Das ist Hammer", sagt er und macht sich wenig später an die Arbeit, seine eigenen Gedanken und Gefühle in den Song zu bringen. Oder wie er es nennt: "Ein cooles, fettes Teil abliefern."

Chris Roberts, der einst elf Millionen Schallplatten verkaufte und dennoch herrlich bodenständig wirkt, holt sich derweil Unterstützung von seinem Sohn, um den Song des Nachwuchs-Rappers formgerecht in die Schlagerwelt zu hieven. "Durch die Berge fällt's mir schwer, in die Ferne zu schauen" ist die Stelle, von der der Sänger hellauf begeistert ist - und aus der er schließlich in seiner Version des Songs deutlich eine optimistischere Sichtweise formt. Dabei zu sein, wie ein Titel entsteht: Das ist äußerst spannend und zudem eine Idee, die man trotz unzähliger Dokusoaps im deutschen Fernsehen in dieser Form noch nicht zu sehen bekommen hat.

Noch spannender ist freilich die zweite Begegnung der Musiker, ausgestattet mit dem kaum wiederzuerkennenden Cover. "Ich hoffe, ich habe einen Lichtblick reingebracht", sagt Roberts und MoTrip lauscht gespannt der Schlager-Version seines Titels. Erst gedankenversunken, dann lächelnd. Auch Chris Roberts wartet zunächst vorsichtig ab, taut aber schließlich mehr und mehr auf - bis er sich sogar zur Rap-Version seines Schlager-Klassikers sichtlich begeistert bewegt. Eine schöne Botschaft: Musik bringt zusammen, das Alter spielt keine Rolle. Später sagt Roberts: "Ich glaube, dass ich schon bessere Texte geschrieben habe. Aber ich bin inspiriert worden." Schön, was Fernsehen noch bewirken kann.