Plötzlich verlässt Harald Schmidt das Studio, nimmt einen Kameramann mit und zeigt seine Räumlichkeiten. Er schlendert durch die Gänge, grüßt Mitarbeiter und setzt sich schließlich an einen Flügel in der Garderobe. Es ist ein kurzer Einblick in sein musikalisches Talent - Übung für den für Mittwoch geplanten gemeinsamen Auftritt mit Anne Sophie Mutter. Die Zuschauer von Sat.1 werden diese Szene allerdings nie zu sehen bekommen, denn den spontanen Ausflug hinter die Kulissen gewährte Schmidt am Dienstag bei der Aufzeichnung seiner ersten Show nach siebenjährigem ARD-Intermezzo während der Umbaupause für die Guano Apes ausschließlich dem Publikum im Studio 449 (inzwischen auch online).

Für Schmidt fühlt sich das Comeback nicht an wie ein Comeback, schließlich macht er seine Shows schon seit Jahren im selben Kölner Studio. Nur der Anstrich ändert sich gelegentlich. Nun also wieder eine Backstein-Kulisse, die an die oft beschworenen guten, alten Zeiten erinnert - genauso wie die Titelmusik und die Sendezeit. "Um 23:15 Uhr - und morgen in allen Dritten von Sat.1", scherzt Schmidt und hat dabei die zahlreichen Wiederholungen seiner Show im Sinn, die während seiner ARD-Zeit im Nachtprogramm von NDR & Co. zu sehen waren. Ein Dank an das Publikum, das ihn 16 Jahre lang "Tag für Tag" in die Wohnzimmer gelassen habe, darf da natürlich nicht fehlen.

Nun also wieder Sat.1. Verändert hat sich allerdings wenig, denn irgendwie fühlt sich alles doch an wie immer: Der Vorhang öffnet sich, Schmidt kommt raus und reißt Witze. Dass sich der Sender geändert hat, ist eher Nebensache. Passend zur Krise sei er beim "Sender mit der größten Insolvenzkompetenz", sagt er. Da kann sich auch Sat.1-Chef Andreas Bartl im Publikum ein Lachen nicht verkneifen. Dass vielleicht nicht alles so funktioniert wie geplant, stört Schmidt nicht. Dafür hat er in mehr als 1600 Late-Night-Shows schon zu viel erlebt.

Günther Jauch ist natürlich auch da - zwar nicht persönlich anwesend, aber von Anfang an präsent. In Jauch-Manier kündigt Schmidt noch vor dem Vorspann seine Sendung an, spricht davon, dass der 11. September 2011 die Welt verändert habe - und scherzt über "Dust-Lady" Anne Will, die sich vom Sonntag auf den Mittwoch gerettet habe. An "Stern TV" habe er sich nicht erinnert gefühlt, gibt Harald Schmidt hinsichtlich von Jauchs Talk-Premiere zu Protokoll, schließlich habe Jauch auf der Bühne nicht mit Tieren gespielt.

Das Publikum lacht und dann geht's auch schon in die Werbung. Singend und groovend kündigt Schmidt die Pause an. Ja, Harald Schmidt weiß definitiv noch zu überraschen. Überraschend ist auch Schmidts erster Gast Olli Dittrich. In Sidekick-Manier tauscht Schmidt mit ihm alte Witze aus. Ein Tick zu lang, nicht brüllend komisch - ein fester Sidekick wäre sicherlich hilfreicher, aber einer wie Manuel Andrack findet sich eben nicht über Nacht. Deutlich unterhaltsamer gerät da schon das anschließende Gespräch mit Hape Kerkeling, der wiederum gleich zu Beginn seines Auftritts "eine große Überraschung" über eine "sehr große Fernsehshow" ankündigt.

Nun gut, die Auflösung am Ende war freilich deutlich unspektakulärer. Im Januar werde er erstmals... zu Gast sein bei "Tietjen und Hirschhausen", erzählt Kerkeling, scherzt dann aber doch mit Schmidt über die seit Monaten kursierenden "Wetten, dass..?"-Spekulationen. Ob sein Leben sich nicht manchmal wie eine Außenwette anfühle, will Schmidt wissen und fragt, ob er im kommenden Jahr an einigen Samstagen noch Termine frei habe. Netter Talk, nette Späße - und die eine oder andere Anekdote. Von langen Einspielfilmen oder dem Einsatz seines Comedy-Teams sieht Schmidt in der Sendung ab - gerade bei der Premiere ist das vielleicht auch besser so.

Wer die "Harald Schmidt Show" einschaltet, will eben Schmidt sehen. Oder man setzt sich gleich ins Publikum. Dann erfährt man ganz nebenbei auch, was aus "Wasserbringer" Sven geworden ist und dass Thomas Gottschalks neue ARD-Show am 23. Januar starten wird. Doch auch so weiß die Premiere zu unterhalten. Keine überragende Show, aber souveräne Unterhaltung. Eigentlich so, wie man es von einer täglichen Late-Night-Show erwarten darf. Nun ja, an der täglichen Ausstrahlung sollte Sat.1 vielleicht noch ein wenig arbeiten. Genauso wie am nachfolgenden Programm, das Schmidt ankündigt. Diesmal läuft "24 Stunden: Drunter und Drüber – Stellungswechsel im Pornoland". Willkommen zurück bei den Privaten, Harald Schmidt.

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