Über 1,5 Prozent Marktanteil für "Rüttens Bullshit Universum" bei den 14- bis 49-Jährigen kommt bei den großen Fernsehsendern niemand ins Grübeln. Dabei wäre es ein wichtiger Denkanstoß, der dem deutschen Fernsehen und der deutschen Produzentenlandschaft helfen könnte. Ja, die Rede ist von diesem kleinen TrashTV-Format - und das sei an dieser Stelle als liebevolle Bezeichnung gemeint. Statt die 260.000 Zuschauer zu belächeln und sich sogar darüber aufzuregen, dass Tele 5 für diese Nischenprogramme vor dem Start so viel Aufmerksamkeit bekam, sollten auch die beiden großen TV-Konzerne vielleicht einen Augenblick länger über die Quoten von Donnerstagabend nachdenken. Denn so gerne wie Quotenanalysen gescholten werden, so ergiebig sind sie bei genauerer Betrachtung.

"Rüttens Bullshit Universum" ist einfachstes Fernsehen: Ein Mann mit einer Idee. Umgesetzt fast in Eigenregie, wenn man sich den ungewöhnlich kurzen Abspann anschaut. Einen Preis für Kostüm und Bühnenbild wird die Sendung nie gewinnen (wenn es eine solche Ehrung in der deutschen Branche überhaupt geben würde) und doch schauten 260.000 Menschen zu. Um das mal ins Verhältnis zu setzen: "NeoParadise" haben zur gleichen Zeit 70.000 Zuschauer gesehen. Eine Wiederholung der US-Serie "Vampire Diaries" bei Sixx 80.000. Es geht dabei nicht um den inhaltlichen Vergleich mit den genannten Formaten sondern die pure Erkenntnis, was ein Mann mit einer Idee und ein Sender mit Mut erreichen kann - wohl gemerkt natürlich in einer Nische. Aber Sender, hört doch bitte die Signale.

Rüttens Humor ist wahrlich nichts für alle. Und niemand muss diese Sendung gut finden, aber abseits des persönlichen Geschmacks ist es doch erfreulich zu sehen, dass wahrlich günstig produziertes Fernsehen trotzdem Fans finden kann. Das ist kein Plädoyer für Preisdumping - sondern für den Glauben daran, dass eine Sendung funktionieren kann, auch ohne dass sie durch Marktforschung gegangen ist oder in Ecuador den Marktanteil eines Senders verdreifacht hat. Jetzt mag man bei RTL und ProSieben denken, dass man das doch nicht ernsthaft als Rezept für erfolgreiches (Primetime)-Fernsehen vorschlagen kann. Natürlich nicht. Es geht nicht darum die TV-Welt auf den Kopf zu stellen.

Aber wenn ihr das nächste Mal nach neuen Talenten und frischen Ideen sucht - dann fragt Euch doch mal, ob es nicht besser wäre statt immer neue Abspielkanäle für Lizenzware zu starten, die tiefhängende Messlatte dieser neuen Kanäle für mehr Experimente zu nutzen. Die große Primetime-Comedy kommt nicht aus dem Nichts. Wir brauchen Labore - und zwar auf dem Bildschirm. Eine Zeit lang schien es als wollten die Digitalsender von ARD und ZDF dies sein. Leider will man jetzt entweder mehr Mainstream (ZDFneo) oder versendet manch nette Idee völlig konzeptlos und gleich alle auf einmal auf nicht auseinanderzuhaltenden Digitalsendern wie bei der ARD.

Aber wie schon eingangs gesagt. Über 1,5 Prozent Marktanteil für "Rüttens Bullshit Universum" wird bei den großen Fernsehsendern leider niemand ins Grübeln. Im Gegenteil: Man wird sich wundern wieviel Bedeutung die Journalisten diesen Formaten zukommen lassen. Und man würde kritisieren, wenn nicht auf die beiden quotenschwächeren Formate der "Intelligenzoffensive" hinweist. Deshalb: Ja, "Ulmen.TV" lief danach nur ordentlich und "Stuckrad-Barre" in der Tat unter dem Durchschnitt von Tele 5. Aber man kann es auch so sehen: Eine Stunde später als "NeoParadise" holt "Stuckrad-Barre" mehr Zuschauer. Und das auf Anhieb auf einem nicht gelernten Sendeplatz auf einem Sender, den viele Zuschauer nicht einmal in ihrem Fernseher einprogrammiert haben. Das ist ein Achtungserfolg - und ein Signal.