An Talkshows mangelt es dem deutschen Fernsehen eigentlich nicht, doch politische Diskussionen kann man derzeit bei den Privatsendern mit der Lupe suchen. So gesehen verwunderte es durchaus, dass ausgerechnet ProSieben einen Polittalk ins Programm nehmen wollte - mit Stefan Raab als Moderator. Alleine die Ankündigung reichte aus, um im Vorfeld große Diskussionen auszulösen. Doch wieso eigentlich? Wer einst die "TV total Bundestagswahl" gesehen hat, müsste eigentlich wissen, dass es Witzbold Raab gar nicht darum geht, die Politik durch den Kakao zu ziehen, auch wenn er den für Umweltminister Altmaier eingesprungenen CDU-Politiker Michael Fuchs am Sonntag bei der Premiere von "Absolute Mehrheit" erst mal fragte, wer die Gans gestohlen hat.

An Wolfgang Kubicki - nicht gerade als besonderer Freund seines Parteivorsitzenden Philipp Rösler bekannt - gerichtet, fragte Raab gar: "Muss der Rösler weg und wie kann ich Ihnen dabei helfen?" Insofern hatte Raab schon Recht, wenn er während der Sendung immer wieder davon sprach, dass seine Gäste mit ihrem Besuch "Mut und Pioniergeist" unter Beweis stellten. Mag sein, dass seine Art der Gesprächsführung in den Augen manch alteingesessener Politbeoachter ungewohnt wirkt - doch dass Raab nicht 1:1 die Talkshows von Günther Jauch und Anne Will kopiert, kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Zumal es im weiteren Verlauf der Sendung keineswegs bei den Scherzfragen bleiben sollte, hinter denen sich mitunter ja durchaus manch ernst gemeinte Spitze versteckte.

Für seine neue Sendung selbst hatte sich Stefan Raab viel vorgenommen. Den Talk verpackte er in ein Spielshow-Konzept, bei dem die Zuschauer wie bei einer Castingshow darüber abstimmen konnten, welcher Diskutant sie am meisten überzeugte. Fuchs flog dabei als erster raus - den verdutzten Blick des Politikers gab's inklusive. An der weiteren Diskussion durfte er sich zwar beteiligen, doch die Siegprämie in Höhe von 100.000 Euro konnte er damit ebenso wenig sein Eigen nennen wie FDP-Politiker Kubicki, der am Ende die absolute Mehrheit verfehlte. Alles andere hätte aber wohl selbst den um keine Antwort verlegenen Liberalen, der sich noch zwei Tage zuvor ein spannendes Wortduell mit Oliver Welke in der "heute-show" geliefert hatte, überrascht.

"Sie müssen um Stimmen betteln!", appellierte Raab zwischenzeitlich an den SPD-Politiker Thomas Oppermann - ganz so, als würde es um Inhalte gar nicht gehen. Dabei mangelte es der Sendung keineswegs an Gesprächsstoff. Gleich drei Themen wurden bei "Absolute Mehrheit" innerhalb von 90 Minuten diskutiert. Steuergerechtigkeit, Energiewende und soziale Netzwerke standen bei der Premiere auf der Tagesordnung. Debattiert wurde erwartungsgemäß nicht tiefgreifend, aber zumindest so, dass womöglich ein paar Zuschauer, die sich bislang wenig bis gar nicht für Politik interessierten, einen Eindruck von den Positionen der Parteien bekamen. Sein Ziel dürfte Raab damit in jedem Fall erreicht haben. Und mehr hatte er auch gar nicht vor. "Das Medium Fernsehen bietet sich fürs In- die-Tiefe-Gehen grundsätzlich nicht an", sagte er im Vorfeld in einem Interview.

"Bei manchen Themen müsste dann die Sendung so lang wie 'Schlag den Raab' sein. Aber wozu? Politiker sind doch darauf geschult, wichtige Statements innerhalb kürzester Zeit zusammenzufassen." Das bekam auch Raab zu spüren, denn wie bei seinen Talk-Kollegen feuerten Kubicki & Co auch bei ProSieben so manche Phrase ab. Linken-Politiker Jan van Aken verzichtete natürlich nicht darauf, über die berühmt-berüchtigte Schere zwischen Arm und Reich zu sprechen und Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, lavierte sich geschickt um Raabs Frage, ob Peer Steinbrück nach Bekanntwerden seiner Nebeneinkünftige als Kanzlerkandidat überhaupt noch haltbar sei. Das muss man vermutlich in Kauf nehmen, wenn man sich an eine politische Talkshow wagt.

Ärgerlicher war es da schon, dass die mitunter durchaus lebhaften Diskussionen immer wieder ein jähes Ende fanden, um die nichtssagenden Zwischenergebnisse des Telefonvotings unterzubringen. Auch die Werbepause tat dem Fluss der Show nicht sonderlich gut - ein Makel, den man ProSieben keineswegs vorwerfen kann, mit dem aber auch schon andere politische Gesprächsrunden bei den Privaten zu kämpfen hatten. Da sollte man schon eher mal darüber diskutieren, ob es tatsächlich Not tut, 50 Cent für die Stimmabgabe zu verlangen. Doch das sind eher Nebenkriegsschauplätze. "Ich fand's sehr gut", urteilte Sat.1-Nachrichtenanchor Peter Limbourg, den sich Stefan Raab zur Unterstützung in die Sendung holte, trotz allem.

Ganz so weit muss man nach der ersten Ausgabe von "Absolute Mehrheit" sicher nicht gehen, denn es besteht bestimmt noch reichlich Luft nach oben. In Zukunft gilt es, die aufkommenden Streitgespräche nicht sofort wieder im Keim zu ersticken. Die Horrorszenarien einiger Dauernörgler haben sich aber gewiss nicht bewahrheitet. Und ProSieben hat ganz nebenbei eineinhalb Stunden Politik schadlos überlebt. Das muss für die kommenden Wochen reichen. Man darf aber durchaus auf die weiteren Ausgaben von "Absolute Mehrheit" gespannt sein. Bis dahin gelten die Telefonnummern des Politiker-Votings erst mal wieder für "Schlag den Raab".