"How to spend it" - der Name der Hochglanz-Beilage der "Financial Times Deutschland", die auch an diesem Freitag der letzten Ausgabe beiliegt, war die Kernfrage für die neue Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel. Und auch wenn sich das Team der finanziell nie tragfähigen Finanzzeitung zuvor schon ausführlich vier Zeitungsbücher lang mit (schwarzem) Humor und Rückblicken verabschiedet, so könnte man auch bei der Sonderbeilage "Interim-Management" Parallelen vermuten. Überschrift dort auf Seite 1: "Für die schnelle Lösung." Von quälend langen Tagen bis zur endgültigen Bestätigung den Mitarbeitern gegenüber einmal abgesehen, ging die Abwicklung der "Financial Times Deutschland" verblüffend schnell. Über Jahre hinweg wurde immer wieder darüber spekuliert. Die neue Chefin bei Gruner+Jahr griff in weniger als drei Monaten durch. Und immer wieder mischte sich in das Lob für die mitunter in Ton und Bild einzigartige Berichterstattung der "FTD" die Erinnerung daran, dass man nie schwarze Zahlen geschrieben habe.

Umso böser der Humor mit dem sich die Macher der "FTD" am Freitag von ihren Lesern verabschieden. Herabgefallene Buchstaben aus dem Titel hinterlassen den Schriftzug "Final Times" auf einer komplett schwarzen Titelseite mit nur zwei Worten: "Endlich schwarz". Dahinter bekommt der Leser vier Zeitungsbücher mit den Titeln: "Letzte Ehre", "Letzte Worte", "Letzter Auftritt" und "Letzter Wille" - und dazu oben auf jeder Seite: Ein Countdown zur allerletzten Seite. Die letzte "FTD" widmet sich dabei nicht ausschließlich sich selbst, sondern schafft den spannenden Spagat das eigene Schicksal mit Fragen nach Moral, Anspruch und Zukunft von Wirtschaft und Journalismus zu verbinden. Es war zu erwarten, dass es eine besondere Ausgabe werden würde. Es ist aber sogar eine besonders gute geworden. Alles ist drin. Die größten Scoops, die schönsten Illustrationen, aber auch Falschmeldungen.

Dazu gibt es einige wenige Dankes-Anzeigen wie die der Helaba ("Ab morgen gibt es leider ein bisschen weniger Farbe in der Wirtschaft"). Doch zusätzlich zu diesen echten Anzeigen gibt es dann auch jene, die sich die "FTD" selbst ausgedacht hat. So gratulieren vermeintlich andere Pleitiers wie "Schlecker" oder "Lehman Brothers" mit herrlich pointierten Aussagen. Es ist ein letzter Seitenhieb der Blattmacher gegenüber den Werbekunden, die sich zum Start damals auf Vielfalt in der täglichen Wirtschaftspresse freuten und dann doch die meinungsfreudigen Umfeldern scheute. Selten konnte man so laut lachen bei der "FTD"-Lektüre wie heute. Da sind die "Financial Times Lemminge" vom begnadeten Joscha Sauer ("Nicht lustig") nur eines der Highlights. Immer wieder erwischt man sich bei der Lektüre bei dem Gedanken: Wären Sie doch nur immer schon noch frecher gewesen.

Denn auch wenn sich die "FTD"-Macher in den vergangenen Wochen oft rühmten, eine etwas andere Zeitung gemacht zu sein, so fiel dieser Unterschied im Alltag viel zu selten auf. Ja, es gab besondere Titelseiten. Und eine ganz eigene Bildsprache inklusive der aufwändigen Illustrationen. Aber durch die Angst bei noch klarerer Meinungsfreude weitere Anzeigenkunden zu verlieren hat man gleichzeitig im Lesermarkt vielleicht eine Chance verpasst. Wie begeisternd man mit sich, dem Medium und dem Thema Wirtschaft hantieren kann - die finale "FTD" zeigt es. Ihren letzten Auftritt haben darin auch die 309 Macher der "FTD" - mit Foto, Geschichten aus dem Redaktionsalltag und doppelseitiger, nicht ganz ernstgemeinter Illustration der Büros. Anregungen für die Zukunft liefert das letzte Buch: "Letzter Wille" mit zahlreichen Kommentaren - und charmanten Ideen. Unter der Überschrift "Was lesen?" durften "Welt", "FAZ", "SZ" und "taz" Bewerbungsschreiben an "FTD"-Leser formulieren. Das Sprichwort "Niemals geht man so ganz" verdeutlicht eine Illustration der Vielzahl an Medien, die in den vergangenen zwölf Jahren Mitarbeiter der "FTD" abgeworben oder übernommen haben.

Das finale Finale jedoch ist dann noch einmal ganz großes Kino. Eine Entschuldigung im Querformat. Unter dem Foto der sich verbeugenden "FTD"-Mannschaft" stehen die allerletzten Worte der "Financial Times Deutschland": "Entschuldigung, liebe Gesellschafter, dass wir so viele Millionen verbrannt haben. Entschuldigung, liebe Anzeigenkunden, dass wir so kritisch über Eure Unternehmen berichtet haben. Entschuldigung, liebe Pressesprecher, dass wir so oft Euren Formulierungsvorschlägen nicht gefolgt sind. Entschuldigung, liebe Politiker, dass wir Euch so wenig geglaubt haben. Entschuldigung, liebe Kollegen, dass wir Euch so viele Nächte und so viele Wochenenden haben durcharbeiten lassen. Entschuldigung, liebe Leser, dass dies jetzt die letzten Zeilen der FTD sind. Es tut uns leid. Wir entschuldigen uns vorbehaltlos. Aber: Wenn wir noch einmal von vorn anfangen dürften - wir würden es jederzeit wieder genauso machen. Stefan Weigel, Steffen Klusmann, Sven Clausen (im Bild, erste Reihe, von links nach rechts)"

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