Wenn ich Markus Metz und Georg Seeßlen einst richtig verstanden habe, dann ist der Sport eine der größten Blödmaschinen unserer Tage. Ich musste daran denken, als ich gestern mal wieder in die Olympiaberichterstattung geraten bin. Ich habe gesehen, wie Menschen erst hektisch anliefen, dann in längliche, Särgen nicht unähnliche Kisten sprangen, die danach in einem Eiskanal zu Tal fuhren. Es war ein Vorgang, der sich dutzendfach wiederholte und auch beim mehrfachen Anschauen beinahe identisch ablief. Mal lag der Sarg einen Hauch mehr links im Eis, mal mehr rechts. Manchmal wackelte das Ding minimal, manchmal nicht. Zum Ereignis wurde dieses Geschehen erst durch den Kommentator, der sich redlich bemühte, Spannung herbeizureden, wo eigentlich keine war.
Ich habe mal versucht, das Ganze ohne Ton zu schauen. Da offenbarte sich diese ungeheure Gleichförmigkeit, die trotzdem noch zum Ereignis wurde, weil Zahlen durch den Bildschirm liefen und irgendwann stehen blieben. Wurden sie grün unterlegt, war der Sarg schneller unterwegs als alle vorher. Fehlte das Grün, gab es einen Loser zu sehen. Was aber wenn man nicht nur den Ton, sondern auch die Zahlen wegließe? Was sähe man dann? Die Antwort ist klar: Nichts.
Es ist mir ein großes Rätsel, wieso dieses Kistengeschiebe, bei dem man quasi nichts von Belang sieht, im Fernsehen übertragen werden muss. Ich kenne natürlich die Antwort, denn ich schaue ja ab und an auch Formel 1 bei RTL und bin immer verwundert, wie es die Kommentatoren schaffen, diese tumbe Kreisfahrerei als hochspannend zu verkaufen. Fährt Sebastian Vettel mit einer halben Stunde Vorsprung vor dem Feld, sagen sie, dass man nie wisse, ob die Reifen halten, ob nicht ein plötzlich auftauchender Maulwurf die Strecke zur Rumpeltour mache. Ich denke dann, au ja, das ist spannend, weiß es aber besser.
So funktioniert eben diese Blödmaschine Sport. Sie produziert das ewig Gleiche und lässt es vom Fernsehen adeln. Die darin liegende Logik leuchtet mir noch ein, wenn ich als Zuschauer nachverfolgen kann, was beim Sport passiert. Fußball ist so ein Beispiel. Beim Fußball kann ich sehen, dass der eine Spieler dem anderen den Ball wegnimmt. Auch wenn sich Langläufer verfolgen, kann ich manchmal sehen, dass einer vorne läuft, der andere hinten. Und wenn der hinten dem vorne näher kommt, wird es spannend. Für diese Erkenntnis brauche ich dann noch nicht einmal einen Kommentator.
Was aber, wenn das Fernsehbild gar nicht wiedergeben kann, was wirklich geschieht? Was, wenn Menschen in Särgen eine Eisbahn herunterfahren und alle gleich aussehen? Wohlgemerkt, ich will hier nichts gegen den Sport und seine Akteure sagen. Die haben Spaß daran, in Kisten zu springen und eine Eisbahn hinunter zu sausen. Das sei ihnen gegönnt. Die Frage stellt sich nur, ob man das über Stunden zeigen muss.
Vielleicht hilft es ja, wenn man künftig Medaillen für Kommentatoren vergibt, weil ohne die ein Sport gänzlich unansehnlich würde. Ich habe während der aktuellen Winterspiele neuerlich eine Hochachtung für die Leistung dieser Sprecher entwickelt, deren Kunst es ist, das Nichts schönzureden. Immer und immer wieder müssen sie so tun, als gäbe es Unterschiede, wo ganz offensichtlich allenfalls minimale Abweichungen zu messen sind. Hundertstel vermitteln sich aber nicht übers Auge, Hundertstel kann man nicht sehen und daher auch nicht begreifen, warum der eine schneller war als der andere.
Ich glaube ja inzwischen, dass die meisten Übertragungen aus Sotschi lediglich als Sedativum dienen. Sie sollen unruhigen Menschen helfen, sich einmal zurückzulehnen. Sie spüren irgendwann, dass sie lediglich einer Aufregungssimulation beiwohnen, dass sie aber bestens betreut werden von jenen Menschen, die im Fernsehen das Sagen haben. Man kann das als Blödmaschine bezeichnen, man kann das aber auch als das bezeichnen, was es ist: Die Fernsehrealität 2014.