Es wirkt nach all der Aufmerksamkeit für die RTL-Recherchen unglücklicherweise wie ein Nachzügler, dabei steckt auch im neuen Sat.1-Format „Lange undercover“ monatelange Recherche. Der aus dem Magazin „Akte“ schon bekannte, ehemalige Polizeireporter Daniel Lange, darf in zunächst sechs Folgen ausführlicher einzelnen Themen auf den Grund gehen. Ist das sehenswert? Ja, durchaus. Anders als bei RTL bekommt der Zuschauer hier jedoch eine Presenter-Reportage, die weit mehr auf den Protagonisten zugeschnitten ist.
Mit etwas zu plakativ eingesetzten Sprüchen („Zum Billig-Sex gezwungen“) dramatisiert und stets mit der passenden stimmungsvollen Musik unterlegt, führt „Lange undercover… jagt die Menschenhändler“ vor Augen, warum Zwangsprostitution in Deutschland bzw. Europa auch im Jahr 2014 noch weit verbreitet ist. Die Spurensuche ist dabei weitgehend nachvollziehbar aufbereitet. Die Mischung zwischen bewusster krimineller Energie auf Seiten der Menschenhändler und erschreckender Gleichgültigkeit auf Seiten der Freier wird dargestellt - jedoch folgenlos.
„Lange undercover“ ist ein verfilmter Fingerzeig und angesichts so mancher programmlichen Verirrung der letzten Jahre durchaus gutes Privatfernsehen. Aber es gibt an vielen Stellen noch Verbesserungspotential. Menschenhandel ist ein gewichtiges Thema, aber wurde exemplarisch angegangen und schafft damit letztlich zwar ehrenwerte Aufmerksamkeit für das Thema, aber bewirkt nichts. Immerhin: Den Eindruck durch die Reportage selbst etwas bewegen zu wollen, erweckt man erst gar nicht. Hier nimmt sich „Lange undercover“ nicht so wichtig wie „Team Wallraff“, was auch der komplexeren Thematik des Menschenhandels geschuldet ist.
Das wäre noch vor zwei Wochen kein Kritikpunkt gewesen, doch RTL beweist gerade zur Überraschung vieler Beobachter, welche konkreten Folgen investigative Recherche haben kann. Egal ob mit Burger King und Altenpflege bei „Team Wallraff“, mit Zalando bei „Extra“ oder den Dreharbeiten zu „Undercover Deutschland“. Vielleicht könnte „Lange undercover“ aber zumindest etwas mehr erreichen, wenn Sat.1 es nicht am späten Dienstagabend ab 23.20 Uhr versteckt. Hier kann man auch Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow nur mehr Mut zusprechen.
Freuen kann sich in jedem Fall Meta Productions in Berlin. Die Produktionsfirma hinter „Akte“ hat eine lange Historie in investigativem Journalismus, die zuletzt leider immer seltener vom Sender abgefragt wurde. Es gab schließlich Zeiten, in denen Ulrich Meyer mit „Akte“-Recherchen Schlagzeilen machte wie derzeit RTL. Doch das ist mehr als ein Jahrzehnt her. Mit „Lange undercover“ ist jetzt jedoch auch Sat.1 wieder an mehr Relevanz interessiert. Eine begrüßenswerte Entwicklung, die auch auf „Akte“ abfärben darf.