Nun haben die Öffentlich-Rechtlichen also ihr Jugendangebot. Ein Glückstag für ARD und ZDF, sollte man meinen. Doch die Reaktionen könnten unterschiedlicher kaum ausfallen. Während ZDF-Intendant Thomas Bellut von einer "perfekten Ergänzung für ZDFneo und ZDFinfo" spricht, reagierte SWR-Intendant Peter Boudgoust, der in den vergangenen Jahren die meiste Energie in den Start eines Angebots für junge Zuschauer investiert hat, reichlich enttäuscht, denn der "Jugendkanal" wird längst nicht so aussehen wie er sich das erhofft hat. Genau genommen wird es nämlich gar keinen Kanal geben, weil all die jungen Inhalte, die es nun zu produzieren gilt, auf einer Internet-Plattform gesammelt werden sollen.

Ein Wort des Jubels ist Boudgousts Stellungnahme vom Freitag daher nicht zu entnehmen. Stattdessen verweist er auf mögliche Probleme mit dem Urheberrecht und sagt, dass es nun schwerer werden wird, "das Jugendangebot zum Fliegen zu bringen". Doch ist dem wirklich so? Schon jetzt hat der SWR mit EinsPlus durch die Hintertür ein Angebot für ein junges Publikum entwickelt, das nicht nur zeitunabhängig im Netz abgerufen werden kann, sondern auch klassisch linear im Fernsehen verbreitet wird. Der Erfolg lässt jedoch zu wünschen übrig. Die Marktanteile sind überschaubar und die Vielzahl an Versuchen, eine neue Zuschaueransprache zu finden, zwar ehrenwert, letztlich aber nur selten Gesprächsthema in den sozialen Netzwerken. Da helfen auch Rubriken-Bezeichnungen wie "Spaß" und "Nerdkram" wenig. Alleine die Existenz eines Senders ist eben noch lange keine Garantie für einen Erfolg.

Stattdessen bieten sich durch die Konzentration auf das Internet viele Chancen, schließlich können ARD und ZDF bei ihren Planungen auf diverse Füll-Programme, die zur Bespielung eines 24-Stunden-Senders ohne Zweifel nötig gewesen wären, verzichten und sich stattdessen auf wirklich gute Inhalte konzentrieren. Die sind auch tatsächlich unabdingbar, denn ohne sie wird es kaum möglich sein, die erhoffte Zielgruppe auf die Plattform zu bringen. Hierbei wird sich die Frage stellen, ob die Mehrzahl an Formaten, wie sie bislang bei EinsPlus zu sehen waren, das Zeug dazu haben - oder ob man sich nicht viel stärker an Jan Böhmermanns "Neo Magazin" orientieren muss, das es übrigens ganz ohne Jugend-Angebot schafft, von der heiß begehrten jungen Zuschauern im Netz gefunden zu werden.

Das neue Jugend-Angebot, das bald kommen wird, sollte sich daher auf wenige, dafür aber qualitativ gute Formate konzentrieren, gerade weil es eben nicht nötig ist, an sieben Abenden pro Woche vermeintlich hippe Show- und Doku-Konzepte ausstrahlen zu müssen. Die 45 Millionen Euro, die ARD und ZDF künftig dafür ausgeben können, sind verglichen mit den Milliarden-Einnahmen durch den Rundfunkbeitrag zwar verschwindend gering, letztlich aber sicherlich ausreichend, um ein Portal zu schaffen, das einerseits innovativ daherkommt, andererseits aber seinen öffentlich-rechtlichen Ansprüchen gerecht werden kann. Fähige Redaktionen wie etwa bei 1Live haben mit Sicherheit schon jetzt gute Ideen im Köcher, die auf ihre Umsetzung warten.

Und doch wirft die Entscheidung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auch Fragen auf, etwa bezüglich der Zukunft von Einsfestival, das - im Gegensatz zu EinsPlus - weiterhin existieren muss. Dass für diesen Sender künftig kaum Geld vorhanden sein wird, liegt auf der Hand, schließlich sah der Vorschlag der ARD vor, 30 Millionen Euro in den Jugendkanal zu investieren und im Gegenzug sowohl EinsPlus als auch Einsfestival einzustellen. Wenn die 30 Millionen aber nach wie vor komplett in das Jugend-Angebot gesteckt werden sollen, stellt sich die Frage, woher das Geld für Einsfestival kommen soll.

Auf DWDL.de-Nachfrage ließ der für Einsfestival verantwortliche WDR daher zunächst offen, wie es mit dem Sender weitergehen wird, ob weiter eigene Formate dafür entwickelt werden und wie viel Geld der Erhalt überhaupt verschlingen wird. "Über alle Fragen und Aspekte im Zusammenhang mit der Beschlussfassung der Ministerpräsidenten zum Jugendkanal werden die ARD-Intendanten nun beraten", erklärte eine WDR-Sprecherin gegenüber DWDL.de. Eine mögliche Antwort könnte der Blick auf ZDFkultur liefern, dessen Erhalt als Zombie-Sender das ZDF zuletzt jährlich mehr als zwei Millionen Euro kostete. Kein Wunder also, dass sich ZDF-Intendant Thomas Bellut über das nun endlich von der Politik beschlossene Aus für ZDFkultur freut.

Freuen kann er sich auch deshalb, weil ihm durch das Jugend-Angebot künftig neues Personal zur Verfügung stehen wird - und er mit ZDFinfo und ZDFneo zwei Spartensender sein Eigen nennen kann, die inzwischen zu verlässlichen Quotenbringern geworden sind. Der ARD ist das mit ihren Kleinstsendern dagegen nie gelungen. Dass man jetzt zusammen mit dem ZDF ein gemeinsames Jugend-Angebot bloß im Netz betreiben kann, gleichzeitig aber trotzdem das nicht funktionierende Einsfestival an der Backe hat, ist aus Sicht von ARD-Verantwortlichen wie Lutz Marmor oder Peter Boudgoust so gesehen doppelt tragisch.

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