"'Wishlist' ist eine Serie für Fans von 'Stranger Things', 'Die Tribute von Panem' und der YouTube-Webserie 'vivi&denny'." Auf diesen Werbespruch muss man erstmal kommen und so sind die Bilder, die einem im Vorhinein zu "Wishlist" durch den Kopf schwirren, eine Mischung aus Hoffnung und Grusel. Hoffnung, weil hinter dieser neuen Webserie, mit dem sich das öffentlich-rechtliche Jugendangebot funk in die eigenproduzierte Fiction vorwagt, ein dermaßen junges Team steht, dass man mit einem frischen Inhalt rechnen dürfte, der die deutsche Serienwelt etwas aufwirbeln kann. Grusel, weil die YouTube-Welt, die bei "Wishlist" so gut wie alle Finger im Spiel hat, hierzulande häufig eher auf 14-jährige Mädels getrimmt ist, die sich nach der Schule gerne anschauen, wie andere Menschen Müsli essen und sich Schminke ins Gesicht klatschen. 

Und ja, man wird an bestimmten YouTube-Stars nicht vorbeikommen, wenn man sich dazu entschließt, sich auf "Wishlist" einzulassen. Die von Jan Böhmermann gerne ins Visier genommene Dagi Bee ist mit dabei, genauso wie MrTrashpack, Dav...irgendwas mit Schulz und eine Menge andere, die man als YouTube-Laie nicht so schnell erkennen mag. Ob man sie aber nun liebt oder nicht - die Selbstironie, die hier an den Tag gelegt wird, kann man nicht ohne den ein oder anderen Lacher zur Kenntnis nehmen. Ob es nun der junge Kerl ist, der penetrant darauf besteht, als großer Internetheld angesehen zu werden, oder eben doch besagte Dagi, die sich als Tinder-Flamme eines etwas reiferen Mannes entpuppt. Man merkt ihnen an, dass sie mit ihren Rollen umzugehen wissen.

Dabei lenken sie aber keineswegs von den eigentlichen Stars ab. In den Hauptrollen stecken - bis auf Marcel Becker-Neu - nämlich keine Youtuber, sondern echte Schauspieler. Und selbst Becker-Neu ist kein typischer Youtuber, sondern einer, der es durchaus geschafft hat, die Streamingseite zu seiner Bühne zu machen und sein Schauspielerkönnen zu demonstrieren. Im Mittelpunkt steht jedoch die 17-jährige Mira (Vita Tepel, "Der Lehrer"), die neutral betrachtet ein sehr behütetes Leben führt, das sie aber absolut beschissen findet. In der Schule läuft es zwar gut, Freunde hat sie aber keine und ihr Vater (Charles Rettinghaus, "Radio Silence") lebt das Jetset-Leben, ist selten zu Hause. Eines typisch deprimierenden Tages ploppt eine Nachricht auf dem Smartphone auf: Die App "Wishlist" möchte sich installieren. Mit ihr kann sie sich plötzlich jeden Wunsch erfüllen - dafür muss man im Gegenzug aber auch jeweils eine praktische Aufgabe erfüllen. 

Einer ihrer ersten Wünsche ist es, einen "spektakulären, fetten Abend" zu haben. Mit der erfüllten Aufgabe, ihrer Lehrerin eine mysteriöse schwarze Ledertasche ins Büro zu stellen, bekommt sie wenig später eine Clique an die Seite gestellt: Casper (Michael Glantschnig, "Pregau"), Kim (Yung Ngo, "Weinberg"), Dustin (Becker-Neu, "Points of View") und Janina (Nele Schepe, "SOKO Wismar") haben die gleiche, ominöse App-Anfrage bekommen und benutzen Wishlist genauso gerne. Nur blöd, dass sich die App, die wie ein Traum klingt, mit der Zeit als ziemlich gefährlich herausstellt.

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Man kann erahnen, warum Radio Bremen, der MDR und funk dieses Konzept so reizvoll fanden, denn in ihm steckt eine Menge Potenzial für eine ordentliche Mystery-Story - was in Deutschland immer noch Mangelware ist. Doch gerade an Mystery fehlt es in "Wishlist" kurioserweise extrem. Zwar werden hier und da nette Details eingestreut, wie etwa das plötzliche Verschwinden eines Protagonisten, doch geht dieses Element im Grunde zwischen den Witzen und dem Humor beinahe komplett unter. Damit wir uns da nicht falsch verstehen: "Wishlist" hat einige unwahrscheinlich lustige Momente parat - alleine dem stets netten Dustin gelingt es in schöner Regelmäßigkeit, für einen Schmunzler zu sorgen - doch dadurch verbrät man größtenteils die Grundidee, mit der ja so stark geworben wird. Hinzu kommt, dass Mystery an manchen Stellen offensichtlich gerne mal mit Action verwechselt wird. 

Das ist schade, wird die junge Zielgruppe aber nicht zwangsläufig stören. Der Cast ist bis auf wenige Außnahmen sympathisch, Internet-Gags gibt es zuhauf und auch sonst ist "Wishlist" eine nette Produktion, die man ohne große Bedenken nebenbei schauen kann. Man spürt das Herzblut, das die Macher in ihr Projekt steckten; dass sie versuchten, eine Serie auf die Beine zu stellen, deren Qualität man im deutschsprachigen Raum bislang eher selten gesehen hat. Denn schick sieht "Wishlist" wirklich aus. Vom US-amerikanisch anmutenden Intro bis hin zu Dreh und Schnitt, der an manchen Stellen vielleicht etwas zu hektisch, aber durchgehend überzeugend ist. 

Der Knackpunkt ist und bleibt das Drehbuch. Zu oft verliert sich der rote Faden in Belanglosigkeiten und Dialogen, die an zu vielen Stellen zu nah an der Generation Fremdscham gehalten wurden. Wirklich von der Geschichte gefesselt sitzt man dann eben nicht vor dem Bildschirm. Für einen Schritt hin zu einem neuen Seriendeutschland ist "Wishlist" dennoch ein Projekt, das sich sehen lassen kann. Und nach ein paar Folgen wird einem auch klar, warum mit einem "Stranger-Things"-Vergleich geworben wird: "Wishlist" wirkt nicht wie eine YouTube-Produktion, sondern erinnert eher an eine Netflix-Serie. 

Ab dem heutigen Donnerstag wird im YouTube-Channel von "Wishlist" und in der funk-App wöchentlich eine der ingesamt zehn Episoden um jeweils 15 Uhr freigeschaltet.