Wir erinnern uns: Nach der Entdeckung Amerikas verschleppten die Engländer Afrikaner in die "Neue Welt", um sie als Arbeitskräfte an wohlhabende Bürger zu verkaufen. Die düstere Zeit der Sklaverei begann. Alex Haley hat diese Epoche 1976 aus der Sicht seiner eigenen Familiengeschichte in dem Roman "Roots" erzählt und tat das derart packend, dass es nur ein Jahr dauerte, bis der aufwühlende Epos für das Fernsehen inszeniert wurde. Jetzt folgt ein weiterer Anlauf, der im Vorfeld zunächst einmal eine Frage aufwarf: Ist das überhaupt notwendig? Immerhin räumte die Original-Serie einst doch bereits neun Emmys und einen Golden Globe ab und stellte damit eindrucksvoll unter Beweis, dass dieses heikle Thema gleichermaßen unterhaltend wie lehrend erzählt werden kann.

Die Neuauflage von "Roots" verplempert jedoch keine Zeit, den Beweis anzutreten, wie gerechtfertigt ihre Existenz ist. Dabei haben sich die Macher sichtlich bemüht, noch detailreicher und skrupelloser zu erzählen. So wird Kunta Kintes Jugend in seinem Dorf in Gambia anfangs viel intensiver erzählt als in der ursprünglichen Serien-Version. Der Zuschauer begleitet ihn dabei, wie er langsam erwachsen wird, Rituale durchstehen muss und sich seiner ersten Liebe widmet – bis er abrupt in einen Hinterhalt gelockt und plötzlich zu einem materiellen Besitz wird, der anderen Menschen bedingungslos dienen soll. Bereits dieser verblüffend realistische und schmerzvoll drastische Kontrast ist nicht immer leicht mit anzusehen.

Der Raub der Freiheit, die Trennung von der Familie, die ständige Demütigung – all den Schmerz, den diese Menschen damals teilweise ihr Leben lang durchzustehen hatten, hat Kunta Kintes Darsteller Malachi Kirby ("Black Mirror") mit einer derart leidenschaftlichen Performance offenbart, dass es zu keiner Sekunde schwer fällt, seine Emotionen und teils sturen Handlungen nachzuvollziehen. Nicht zuletzt eine Szene in "Roots" beschreibt es sehr treffend und bleibt in Erinnerung: "Es gab Momente, in denen die Besitzer ihre Menschlichkeit zeigten und uns etwas Gutes tun wollten. Doch das war nichts, wofür man dankbar war", hört man Laurence Fishburne sagen, der seine Stimme dem mittlerweile verstorbenen Alex Haley leiht. "Wir wollten unsere verdiente Freiheit."

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Doch es wird nicht nur Kunta Kintes Geschichte erzählt, sondern auch die seiner Kinder und Kindeskinder über ganze sieben Generationen hinweg, bis hin zur Abschaffung der Sklaverei. Und auch diese Reise ist immer wieder schmerzhaft. So wird die Kamera bei schwierigen Momenten nicht weggedreht, sondern voll drauf gehalten. Wenn Kinte unzählige Peitschenhiebe über sich ergehen lassen muss und dem Zuschauer die Brutalität so lange vor Augen geführt wird, bis das Fleisch aufplatzt, dann hat man vor dem Fernseher lediglich die Option, die Decke vor den Kopf zu ziehen. "Roots" ist genauso unangenehm, wie es sein muss, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, damit die Erinnerungen an die Zeit Sklaverei auch weit nach dem Abspann noch nachwirken.

Um einen der bittersten Augenblicke der amerikanischen Geschichte erneut zum Leben zu erwecken, hat der amerikanische History Channel viel Geld in die Hand genommen. Mit knapp 50 Millionen US-Dollar hat man, im Vergleich zum Vorgänger, beinahe zehn mal so viel investiert. Damit ist "Roots" das bisher teuerste Prestige-Projekt der Sendergruppe von A&E. Interessanterweise ist LeVar Burton ("Raumschiff Enterprise"), der damalige Darsteller von Kunta Kinte, ebenso wie Korin D. Huggins als Co-Executive Producer involviert. Die Verantwortlichen nutzten nicht nur die Expertise, sondern bauten auch gleich noch einen Cameo ein. So taucht Burton als der Sklave Ephraim auf. Als er in einem verriegelten Wagen weggefahren wird, gibt es einen Moment, in dem er Kunta eindringlich in die Augen schaut.

Wie relevant die "Roots"-Neuauflage ist, wird auch durch ein Beispiel erkenntlich, das der Produzent Mark L. Wolper selbst liefert: Als er seinem Sohn das Original-“Roots“ gezeigt hat, antwortete dieser, dass er die Message verstanden habe. "Aber Dad, es ist wie deine Musik", antwortete er weiter. "Ich habe es einfach nicht gefühlt." Wenn man nicht gerade in den 70ern geboren ist, kann man das gut nachvollziehen. Inhaltlich überragend, bestand aus heutiger Sucht produktionstechnisch noch reichlich Luft nach oben. Dies wurde jetzt mit der Neuauflage korrigiert. Der Look ist schlicht der Wahnsinn und bietet neben all den lehrreichen Momenten auch viel fürs Auge. Wer "Roots" sieht, nimmt daher so einiges mit.

History zeigt "Roots" zwischen Karfreitag, dem 14. April und Ostermontag, den 17. April täglich ab 22:10 Uhr mit einer Doppelfolge. Die Wiederholung ist zudem am jeweils folgenden Tag ab 20:15 Uhr zu sehen.