2001 veröffentlichte Showrunner Alan Ball den Piloten von "Six Feet Under". In 62 weiteren Episoden erzählte er die schwarzhumorigen Geschichten der Familie Fisher und ihrem Bestattungsunternehmen mit einem unvergleichlichen Feingefühl. Die Liebe zur Serie festigten Fans und Kritiker in überragende Quoten und zahlreiche Emmys. Nun, nachdem er auch "True Blood" zur Berühmtheit führte, erscheint sein neues HBO-Drama "Here and Now". Leider ist es schwerfällig und unzugänglich. Wie so manches Drama, das momentan erscheint.

Ob es bei der Netflix-Serie "Flaked" der Fall war, bei Amazons Drama "The Last Tycoon" oder neuerdings bei "Here and Now" - sie alle haben das Problem, dass nicht nachvollzogen werden kann, um was es eigentlich geht und wo der rote Faden entlang läuft. Apathische Charaktere und eine ungemütliche Atmosphäre sind weitere Schwierigkeiten, die diese Serien in sich tragen. Doch hätten diese ausgeglichen werden können, würde irgendein Ziel verfolgt werden. Auch „Here and Now“ hat keines. 

Im ersten Moment scheint es immerhin so, als ob Serienschöpfer Ball auf die amerikanische Mulit-Kultur im Jahr 2018 blicken möchte. Dafür stellt er die Familie Bayer-Boatwright ins Zentrum. Diese besteht aus Greg und Annie (Tim Robbins und Holly Hunter) und ihren vier Kindern. Drei davon wurden aus Libyen, Vietnam und Kolumbien adoptiert. All die Länder, die Amerika "kaputt gemacht" hat, wie es ein Charakter so schön zusammenfasst. Die jüngste Tochter ist ihr leibliches Kind.

Es hätte also Balls Ziel sein können, zeigen zu wollen, was passiert, wenn man solch einen bunten Haufen Menschen in einen Raum schmeißt. Vor allem wenn dieser Raum Amerika darstellt. Donald Trumps Amerika. Dafür hätte es aber ein sensibles Drehbuch und Autorenteam gebraucht, dass solch ein Thema auch nicht all zu verklemmt angeht. Damit konnte "Six Feet Under" zu seinen besten Zeiten auftrumpfen."Here and Now" geht diesen Schritt aber gerade einmal halbherzig. 

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Dabei hätte das Timing nicht besser sein können. Mit einem Vorreiter wie "This is Us" konnte bereits gesehen werden, wie stark emotionale Familiengeschichten, die in den USA stattfinden, momentan im Fernsehen punkten können. In seinen besten Momenten kann "Here and Now" auch in die Nähe der Klasse der erfolgreichen NBC-Serie kommen. Beispielsweise wenn Annie und Gregs Töchter Kristen (Sosie Bacon), das leibliche, amerikanische Kind, und Ashley (Jerrika Hinton), die aus Libyen stammende Tochter, von der Polizei verhaftet werden. Beide werden auf zutiefst unterschiedliche Weise behandelt. An Stellen wie diesen erreicht das HBO-Drama eine brisante Fahrt zwischen politischer Diskussion und Problembeleuchtung in einer Familiendynamik, die alles andere als verkrampft wirkt.

Das ist die Stärke, die "Here and Now" äußerst selten ausspielt. Die Macher haben sich jedoch dazu entschieden, ein größeres Gesamtbild im Blick haben zu wollen. Alles soll gezeigt werden. Also wird auch mal Greg und sein Professordasein im Philosophiestudium in den Fokus gerückt, wo er über den Wert des Denkens nachdenkt. Philosophisch soll es also auch sein. Auf wiederum einer anderen Seite steht ein muslimischer Teenager im Zentrum, der mit Kristen in die High-School geht. Nicht nur, dass die Familie dieses Jungen auch wichtig für die Geschichte wird, scheint er selbst zudem eine gewisse übernatürliche Vorhersehung zu haben. Wenn Sie von all diesen Bausteinen verwirrt zu scheinen und Ihnen das nicht gefällt, sollten sie "Here and Now" lieber außen vor lassen. In der fertigen Serie wird dieses Gefühl durchgehend vermittelt.

Neben diesem konfusen Wirrwarr kommt noch eine weitere Komponente dazu, die das Seherlebnis schmälert. Wie in den späteren "Six Feet Under"-Staffeln, die auch nicht mehr die besten waren, kommen immer öfter Szenen ins Spiel, die zeigen, was den Charakteren theoretisch alles passieren könnte. Anstatt also konkrete Situationen zu zeigen, wurden rein hypothetische Erzählungen in den Raum geworfen, die die ganze Spannung aus der Serie genommen haben. Für "Here and Now" endet dieses Stilmittel der Traumsequenzen fatal. Da es im Großen und Ganzen auch das einzige verwendete Stilmittel ist. Während also inhaltlich viel zu viel erzählt werden wollte, wurde der Regie-Baukasten nur spärlich benutzt.

"Here and Now" stellt somit ein Paradebeispiel für eine Vielzahl von heutigen Prestige-Dramen dar: In der Serie wird keine Geschichte mit Ziel erzählt. Es werden lediglich Begebenheiten einer Familie aneinander gereiht. Belanglos sind diese nicht immer. Knackig könnten diese aber besser bei YouTube präsentiert werden, als in einer Serie, die sonst noch mit gähnenden Zeitfüllern versehen werden muss, damit die Laufzeit stimmt. 

Ab dem 28. März laufen die zehn Episoden der ersten Staffel, wahlweise auf deutsch oder englisch, immer mittwochs um 20:15 Uhr auf Sky Atlantic HD.