Es ist ein ganz schöner Trend, der gerade Einzug hält ins Fernsehprogramm. Nachdem es eine Zeit lang so schien, als gehe es bei vielen Sendern nur noch darum, immer noch ein Stückchen weiter an der Irrsins-Schraube zu drehen, wurde der Fokus zuletzt wieder verstärkt in Richtung echter Geschichten gelenkt. Authentizität ist zwar kein schönes Wort und von vielen Fernsehmachern mehr als nur einmal zu oft verwendet worden. Auf das neue Format "Die Klinik", versehen mit dem Untertitel "Ärzte, Helfer, Diagnosen", trifft es aber ganz sicher zu.

Es handelt sich dabei um den vermutlich vielversprechendsten Primetime-Neustart von kabel eins seit einigen Jahren, auch wenn das Konzept einer simplen Grundidee folgt. 100 Tage lang begleiteten vier Ein-Mann-Filmteams den Alltag in einem Frankfurter Klinikum, das gut 2.000 Angestellte und rund 140.000 Patienten pro Jahr zählt. Die Ärzte und Patienten fassten dabei so viel Vertrauen, dass es keinen Bereich gab, in dem die Kameras draußen bleiben mussten.

Dass kabel eins und die Produktionsfirma Janus TV dennoch der Versuchung widerstehen konnten, möglichst blutige Bilder zu zeigen, mag riskant sein, ist letztlich aber eine der Stärken des Formats. Eine andere sind die Mitarbeiter des Krankenhauses – und damit sind längst nicht nur die Ärzte gemeint. Gleich in der ersten Folge lernen die Zuschauer beispielsweise den Mann kennen, der dafür sorgt, dass stets ausreichend Müllbeutel verfügbar sind. Oder die Reinigungskraft, die mit über 70 Jahren das Blut im OP-Saal beseitigt.

Heimlicher Star der "Klinik" ist der junge Krankenpfleger Alessandro, der selbst in den stressigsten Momenten sein Lachen nicht zu verlieren scheint. Dabei hat den lebensfrohen Mann mit seinem hessischen Dialekt eine traurige Geschichte zu seinem Job geführt. Sein Opa sei einst an Magenkrebs verstorben, erzählt er. Er selbst habe nicht viel für ihn tun können, will dafür nun aber umso mehr anderen Menschen helfen. Eine herzliche Geschichte, für die es kein Drehbuch braucht.

Ungewöhnlich auch der Einblick in den Alltag eines Kardiologen, der einen Herzfehler am Computer zu beheben versucht und dabei zeitweise wirkt, als sei er auf dem Weg zur Gamescom falsch abgebogen. "Ich habe zwar keine Zeit Computerspiele zu machen, aber es trainiert", sagt der Arzt über seinen hochkomplexen Job, den er mit einfachen Worten beschreibt: "Ich bin der Elektriker und Suche die elektrischen Störungen im Herz."

Die Klinik - Ärzte, Helfer, Diagnosen© kabel eins

Natürlich wird es in der "Klinik" auch dramatisch – etwa, wenn dem mit Drogen gefüllten Bodypacker das Koks herausoperiert wird, ein Arzt mit schwerem Gerät einer älteren Mann die sehnsüchtig erwartete neue Hüfte einbaut ("Ich habe immer gerne handwerklich gearbeitet") oder ein ganzes Team um das von der Amputation bedrohte Bein eines Patienten kämpft. Es geht um die Geburt eines Kindes und um eine an Krebs erkrankte Frau. "Was wir verlängern wollen, ist das Leben. Was wir nicht verlängern wollen, ist die Qual", sagt einer der Ärzte fast kinoreif. 

Kein Zweifel – den "Klinik"-Machern ist es gelungen, die Anonymität des auf den ersten Blick tristen Klinik-Großbaus zu durchbrechen und im besten Sinne mit Leben zu füllen. Durch die Stimme aus dem Off kommt das Format von kabel eins zudem etwas zugänglicher daher als die WDR-Doku "Feuer & Flamme", in der einzig und alleine die Einsatzkräfte zu Wort kommen. Beide Formate eint, dass man ahnt, in guten Händen zu sein, sollte einmal etwas Schlimmes passieren. Ein Wert, den das Fernsehen nur dann entfaltet, wenn es echt ist. Eine schöne Nebenwirkung.

kabel eins zeigt "Die Klinik - Ärzte, Helfer, Diagnosen" dienstags um 20:15 Uhr.