Mit seiner ersten Auftragsproduktion im Seriellen wagte der Kölner Sender Vox unter dem damaligen Geschäftsführer Bernd Reichart 2015 etwas Radikales: Eine Krankenhausserie, erzählt aus der Kinderperspektive - ohne Weichzeichner und mit der vollen Tragik, die Geschichten um todkranke Kinder mit sich bringen können. Arne Nolting und Jan Martin Scharf haben, basierend auf den Erlebnissen von Albert Espinosa, ein hervorragendes Buch geliefert. 

Denkwürdige Momente, gewagte Szenen, aber auch ganz viel fürs Herz - in einer Balance, die funktionierte, weil oft Erwartungen gebrochen wurde. In einer Familienserie beispielsweise eine Hauptfigur so früh sterben zu lassen - das überraschte mehr als mancher Tod bei „Game of Thrones“. Nach allen Regeln der Medienforschung und üblicher Angst vor den Reaktionen des Publikums eigentlich auch ein Unding.

Aber „Club der roten Bänder“ war da kompromisslos real: Im Krankenhaus wird gestorben, auch wenn man manchmal nicht damit rechnet. Dass und wie trotzdem über drei Staffeln alle Charaktere eingebunden wurden, war eine noch größere Überraschung. Die Spielfreude der drei Staffeln fand in vielerlei Formen Ausdruck - in einer Folge sogar in Form einer alternativen Realität. Man hat Grenzen ausgetestet - und vielleicht auch mit der sehr, sehr langen Abschiedsfolge etwas überdehnt.

Nun also ist "Club der roten Bänder" zurück. Für die ganz große Vorfreude aufs Wiedersehen war die Zeit vielleicht zu kurz: Nur 14 Monate lagen zwischen Serienfinale und Kinofilm. Aber wer "Wie alles begann" erzählen will, hat natürlich ein Problem: Der junge Cast wird natürlich älter. Wie also Tim Oliver Schultz, Damian Hardung, Luise Betfort, Timur Bartels, Ivo Kortlang und Nick Julius Schick sich selbst drei Jahre jünger spielen sollten, war im Vorfeld das größte Fragezeichen.

Diese Sorgen waren unbegründet; das funktioniert. Dafür ließ der schnelle Dreh nach Serienende und ein Kinostart so kurz nach der Ausstrahlung auf Vox allerdings spürbar zu wenig Zeit, die Charaktere der Serie erst einmal richtig zu vermissen. Wer "Club der roten Bänder" innig liebte, wird trotzdem bekommen, was er sich erhoffte: Mehr Hintergrund, mehr Einblicke in die Geschichte der Hauptdarsteller, bevor sie im Krankenhaus aufeinandertreffen.

Erzählt werden in unabhängigen Handlungssträngen die Vorgeschichten aller Club-Mitglieder, wobei der Fokus auf Leo (dem Anführer) liegt. Die in der Serie oftmals nur angerissenen Vorgeschichten werden nun auserzählt. Das bringt die Charaktere ein Stück weit näher, aber bietet auch nichts Unerwartetes: Anders als die Serie, erfüllt der Film einfach die Erwartungen und erzählt aus, was schon mal angedeutet wurde. Das Naheliegende ist dabei so ärgerlich. 

Die Machart wirkt vertraut, das Krankenhaus nicht

So schön es auch ist, zum Beispiel die Vorgeschichte der Freundschaft zwischen Leo und Benito zu erfahren, so wenig überrascht all das. Jürgen Vogels Rolle als Leos eigener Leo sozusagen - sie wirkt wie ein Gimmick. Fürs Kino noch schnell einen prominenten Namen geholt. Dass die Serie bei Vox damals konsequent darauf verzichtete, war erfrischend. Eine Beschreibung, die auf den Film nicht passt. Er wirkt vertraut in Geschichte und Machart.

Gar nicht vertraut wirkt allerdings das Krankenhaus: Der Film wurde nicht im gleichen Gebäude gedreht wie einst die Serie. Produktionstechnisch wahrscheinlich nicht anders zu lösen, aber gerade zum Finale des Films, der quasi zum Serienbeginn aufschließt, ist es ärgerlich - so wie am Anfang Logikfehler zu Gunsten einer vermeintlich tiefgründigen Szene, in der sich alle Hauptdarsteller in Köln begegnen, sich aber eben noch nicht kennen und ahnen, dass sie einmal befreundet sein würden.

Nun, hätte ich für das Kinoticket bezahlt, wäre ich enttäuscht? Nein, dazu ist der Cast zu liebenswert und das Gefühl dieser tollen Serie flackert nochmal auf. Aber Begeisterung löst der Kinofilm nicht aus. In manchen Filmkritiken wurde übrigens die Behauptung aufgestellt, der Film könne auch Zuschauerinnen und Zuschauer ansprechen, die die Serie auf Vox nicht gesehen haben. Das wirkt wie Werbesprech und muss, meiner Meinung nach, verneint werden. 

"Club der roten Bänder - Wie alles begann" ist wie "Mamma Mia! Here we go again" im vergangenen Jahr: Für hartgesottene Fans des Originals geeignet, die sich über ein Wiedersehen freuen. Manchem reicht das, andere aber vermissten am Ende doch irgendwas. War es bei "Mamma Mia! Here we go again" Meryl Streep, ist es hier beim Film zur Serie die Außergewöhnlichkeit.

"Club der roten Bänder - Wie alles begann" läuft ab sofort im Kino