"Ich hatte nie Angst vorm Älterwerden, sondern davor, alleine zu sein." Das sagt die 85-jährige Marlene, deren Mann vor zehn Jahren gestorben ist. Wie Millionen andere lebt sie im Altenheim, doch Vox sei Dank kommt jetzt für einige Wochen Bewegung in ihr Leben. Marlene gehört zu den zehn Seniorinnen und Senioren, die Vox für ein besonderes Doku-Projekt ausgewählt hat. Es hört auf den leider etwas sperrig geratenen Namen "Wir sind klein und ihr seid alt" und soll Generationen zusammenbringen, die unterschiedlicher kaum sein können.

Natürlich dient die Begegnung zwischen den aufgeweckten Vierjährigen und den einsamen Rentnern zunächst einmal der Unterhaltung des Publikums. Wenn die wilden Energiebündel auf die betagten Damen und Herren treffen, kommt es zwangsläufig zu amüsanten Situationen, auch wenn es eine Zeit lang braucht, bis alle miteinander warm werden. Das Format darauf zu reduzieren, wird ihm aber nicht gerecht. Gleichzeitig schwingt nämlich die Hoffnung mit, die körperliche und seelische Gesundheit der Alten könne sich durch die gemeinsame Zeit mit den Kindergartenkindern spürbar verbessern – ein ehrenwerter Ansatz also. 


Um das beurteilen zu können, wird zu Beginn und am Ende des Projekts eine medizinische und psychologische Analyse der Senioren vorgenommen. Tatsächlich zeigt sich schnell, dass es vielen Alten so geht wie Marlene. Ihnen fehlt oft nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch der Lebensmut. Ob sie sich die meiste Zeit glücklich fühle, will eine Psychologin etwa von Helga wissen, die ebenfalls schon weit über 80 ist. Nach einem längeren Schweigen beantwortet sie die Frage mit nur einem Wort: "Nein."

Die schonungslos ehrliche Aussage macht nicht nur Helga nachdenklich, sondern mit einiger Gewissheit auch das Publikum vor dem Fernseher. Und sie zeigt, warum diese Sendung so wichtig ist. Wer sieht, wie einsam oder traurig viele der Protagonisten sind, dann geht das einfach ans Herz – und fast automatisch kommt die Frage auf, was passieren muss, um den Alltag der Alten schöner zu gestalten, wenn nicht gerade ein Fernsehsender vor Ort ist und eine Horde Kinder in die Seniorenresidenz schickt. 

Vox gibt mit dem von Redseven Entertainment produzierten Format einen Lösungsweg vor, auch wenn die Erkenntnis keineswegs neu ist, dass alle Generationen davon profitieren, wenn sie miteinander zu tun haben. Unaufgeregt und liebevoll werden den Zuschauern die Lebensgeschichten der Senioren nähergebracht, und in einer Zeit, in der schier atemlos nach immer neuen Superlativen gesucht wird, ist es hier schon eine große Leistung, wenn die betagten Herrschaften den drei Meter langen Gehtest in weniger als 20 Sekunden absolvieren.

Wir sind klein und ihr seid alt© TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Seinen Ursprung hat "Wir sind klein und ihr seid alt" in Großbritannien, wo das "Altenheim für Vierjährige", so der übersetzte Original-Titel, schon vor einiger Zeit zunächst für Furore und schließlich für Fernsehpreise sorgte. Es ist ein Format, das einen aktuellen TV-Trend aufgreift, schließlich hat das Fernsehen auch an anderer Stelle die Senioren für sich entdeckt: Für seine ARD-Reihe "Zeig mir deine Welt" traf Kai Pflaume erst kürzlich 100-Jährige, in Sat.1 startete "The Voice Senior" und das ZDF wird demnächst schon zum zweiten Mal 80-Jährige um die Welt schicken.

Wie wunderbar der Vox-Neustart ist, zeigen die letzten Minuten der ersten Folge. Da sieht man den 92-jährigen Franz, der dem Projekt anfangs skeptisch gegenüberstand. "Was soll ich denen erzählen?", fragte er, bevor er die Kinder kennenlernte. Zwei Wochen später ist er kaum wiederzuerkennen und blüht regelrecht auf. Selbst beim mühsamen Aufstehen braucht Franz plötzlich keine Hilfe mehr. Berührender kann Fernsehen kaum sein. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Zuschauer die Sendung für sich entdecken. Angesichts der Vielzahl an Formaten mit Kindern, die Vox zuletzt zeigte, fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten.  

Vox zeigt "Wir sind klein und ihr seid alt" montags um 20:15 Uhr.