"Mein Arsch ist wirklich knackig und geil", sagt Nicolas stolz und zeigt sogleich, was er zu bieten hat. Wie Gott ihn schuf springt er in einen Swimmingpool, um auf der der anderen Seite wieder aufzutauchen und seinen muskulösen Oberkörper zu räkeln. Dieser Mann, der sich offenkundig gerne vor der Kamera zeigt, ist 28 Jahre alt, von Beruf Medizinprodukte-Berater – und schwul. Das alleine wäre vermutlich nicht der Rede wert, wäre Nicolas nicht auch noch "Prince Charming", eine Art homosexueller "Bachelor".

Anders als die Paul Jahnkes und Leonard Freiers dieser Welt verteilt "Prince Charming" allerdings keine roten Rosen, sondern schwarze Krawatten, was bisweilen so wirkt, als wolle er seinen "Love-Interests" den Strick geben. Und von denen gibt es einige. "Ich hatte noch nie ein Blind Date – heute habe ich gleich 20", lässt Nicolas das Publikum gleich zu Beginn der Sendung wissen. Und dann geht sie auch schon los, die wilde Sause, die sich auch sonst in ihren Abläufen nicht sonderlich von der Fleischbeschau unterscheidet, die durch die offensichtlichen Vorbilder mit Mann und Frau bestens vertraut sind.

Mit einem nicht ganz unwichtigen Unterschied: Anders als bei "Bachelor" und "Bachelorette" können die Kandidaten bei "Prince Charming" theoretisch nicht nur ein Auge auf den Namensgeber der Show werfen. Nicht umsonst betont der Prinz, wie wichtig es ihm ist, dass die Männer für ihn im Haus sind und nicht für andere. In der ersten Folge, die vor allem der Vorstellung der Protagonisten dient, ist von Sodom und Gomorra aber noch nicht allzu viel zu spüren. Es ist gewissermaßen ein Vorspiel vor dem eigentlichen Akt. Nicht umsonst fragt ein Kandidat vorsorglich schon mal, wo man hier masturbieren kann.

Der gut geschnittene Ausblick vor dem Vorspann legt dann auch die Vermutung nahe, dass in den nächsten Wochen noch mit einer gehörigen Portion Drama zu rechnen sein wird. "Nennt die Fotze mich einfach Schlampe!", hört man sich einen der Männer echauffieren. Ein anderer droht gar, über Leichen gehen zu wollen. Und selbstverständlich wird bei "Prince Charming" auch hemmungslos geheult und geschluchzt. Nimmt man all das als Maßstab, dann ist die erste schwule Datingshow im deutschen Fernsehen letztlich nichts anderes als – eine Datingshow.

Prince Charming

Die typischen Zutaten des Genres, die die Produzenten von Seapoint verwenden, scheinen sich auf jedwede sexuelle Orientierung übertragen zu lassen. Und die Männer? Sie entsprechen der Bandbreite, die man von "Prince Charming" erwarten konnte: Unter 40, sportlich, redselig. Dazwischen ist Platz für den früheren Zeugen Jehovas, der schon mit einer Frau verheiratet war, und einen, der von sich behauptet, gleich drei Randgruppen zu repräsentieren: Schwarz, schwul, Ossi. Ach ja, ein ehemaliger "DSDS"-Kandidat ist natürlich auch im Rennen.

Bei den Präsentationen der Kandidaten wird an mancher Stelle vielleicht etwas zu häufig in die Klischeekiste gegriffen. Hier ein kurzes Höschen, dort eine Polizisten-Uniform. Da vermag es dann kaum noch zu überraschen, dass sich manche der Protagonisten schon kannten, bevor "Prince Charming" standesgemäß in einer weißen Kutsche zur Männer-Villa aus Kreta gezogen wird. Ähnlich oberflächlich fallen auch die ersten Gespräche aus, in denen sich gegenseitig versichert wird, welch großen Stellenwert doch ein monogames Leben besitzt.

Man kann das alles schrecklich banal und vorhersehbar finden – oder sich einfach drauf einlassen und Spaß an der Show haben. Der entsteht auch deshalb, weil die "Bachelor"-erfahrenen Macher von "Prince Charming" glücklicherweise darauf verzichtet haben, die Liebe zwischen zwei Männern als etwas Außergewöhnliches darzustellen. Nur schade, dass RTL die Chance vertan hat, zumindest die Auftaktfolge im klassischen TV-Programm zu zeigen. Stattdessen läuft die Show ausschließlich beim Streamingdienst TVNow. Es ist ein Anfang, immerhin.

TVNow zeigt jeden Mittwoch eine neue Folge von "Prince Charming".