Innerhalb der nächsten Jahre muss sich jede Fantasy-Serie einem Vergleich mit "Game of Thrones" stellen, ob er nun Sinn ergibt oder nicht. So scheint es zumindest, da immer wieder die Frage aufkommt, wer die Lücke, die des HBO-Epos hinterlassen hat, schließen wird. Das neueste Pay-TV-Werk, koproduziert mit der BBC, ist auf jeden Fall nicht das nächste "Game of Thrones". Tatsächlich ist es nicht einmal das nächste "Harry Potter", auch wenn die Geschichten sich in vielen Belangen überlappen. Nein, "His Dark Materials" ist die bodenständigste Fantasy-Serie, die im Genre seit langem zu sehen war. Ein Fakt, der die Romanadaption überraschenderweise zum absoluten Einschalttipp macht.

Die erste Staffel basiert auf Philip Pullmans Werk "Der Goldene Kompass", das 1995 veröffentlicht wurde. Die Reise geht in eine Parallelwelt, in der Menschen sogenannte Daemonen an ihrer Seite haben – Wesen in Tiergestalt, die nicht nur als Freund und Beschützer agieren, sondern vielmehr als die Seele des Menschen. Auch Lyra Belacqua (Dafne Keen, "Logan – The Wolverine") besitzt einen. Sie wurde als Waise im Jordan College in Oxford abgegeben und lebt seitdem ihr Leben. Ihr Adoptivonkel Lord Asriel (James McAvoy, "X-Men") schaut ab und an vorbei, ist jedoch vor allem auf Reisen. Genauer gesagt möchte er den geheimen Staub erforschen, den er in der Arktis entdeckt hat – eine Substanz, die das Reisen in andere Parallelwelten erlauben soll. Als ihm das College eine seiner weiteren Forschungen finanziert, und er Lyra einmal mehr alleine lässt, entschließt diese sich schnell auf das Angebot einzugehen, dass sie von der fremden Marisa Coulter (Ruth Wilson, "The Affair") erhält: Nämlich ebenfalls in die Arktis zu reisen. Mit im Gepäck: Ein goldener Kompass, der ihr immer die Wahrheit zeigt. 

Bei dieser Prämisse ist es beinahe verblüffend, wie normal "His Dark Materials" wirkt. Trotz sprechender Tierwesen, mysteriösem Zauberstaub, einer unheilvollen Kirche, die deutlich zu viel Macht besitzt und den sogenannten Gobblern, die im ganzen Land Kinder für undefinierte Experimente entführen, kommt die Adaption eines Welterfolgs alles andere als überdreht daher, was vor allem der genauen Beachtung der Vorlage zu verdanken ist.

In Pullmans Geschichte, die nach "Der Goldene Kompass" noch mit den beiden Fortsetzungen "Das Magische Messer" und "Das Bernstein-Teleskop" ergänzt wird, ist der Fokus ganz klar auf starke Charaktere gerichtet, die eine fulminante Entwicklung durchmachen müssen. Ähnlich wie bei "Harry Potter" – und das wird auch der letzte Vergleich sein, da der erste Band von Joanne K. Rowling ganze zwei Jahre nach dem ersten Teil der "His Dark Materials"-Reihe erschienen ist - geht es um das Finden einer eigenen Persönlichkeit inmitten von dunklen Geschehnissen. Wie geht ein Kind, das gerade erst heranreift, mit der Tatsache um, etwas einzigartiges für die Welt zu bedeuten, in der es lebt? Eine Frage, die hier mit gleicher Bravour gelöst wird, wie beim fantastischen Kollegen mit der Narbe auf der Stirn.

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Dieses Ergebnis wurde jedoch mit einigen Einbußen erreicht. "His Dark Materials" erläutert seine Charaktere und seine Welt wunderbar, bezahlt damit aber auch einen gewissen Preis. So wird dem Zuschauer derart detailliert erklärt, in welch breiter und fein ausgestatteter Erzählung er sich gerade befindet, dass "His Dark Materials" einiges an Magie alleine deswegen verliert, da man die Welt gar nicht richtig von alleine kennenlernen kann. Wie auf einem unausgeglichenen Date redet ihr Gegenüber prasselnd auf Sie ein, ohne dass Sie überhaupt eine Frage stellen können. So werden Prophezeiungen und geheime Verbundenheiten aufgeklärt, ehe sie im Ungewissen spannend erkundet werden können.

Dennoch macht der Anfang der Serie, deren zweite Staffel bereits bestätigt wurde, deutlich mehr her als die Filmadaption von 2007. "Der Goldene Kompass" von Chris Weitz, in dem auch Daniel Craig ("James Bond") mitspielte, war dank der Hollywoodprämisse deutlich offensichtlicher und damit noch ein gutes Stück weniger faszinierend. Nur in einer Sache nehmen sich Film und Serie nicht viel: Im Budget. Während "Der Goldene Kompass" mit 180 Millionen US-Dollar die bis dato teuerste Produktion für New Line Cinema war, haben auch HBO und die BBC sich nicht lumpen lassen.

Die Cinematographie ist absolut on point und lässt immerhin vom Aussehen auf ein nächstes "Game of Thrones" schließen. Das meiste Geld dürfte vor allem in CGI geflossen sein und die Animation der Daemonen. Diese sehen schlicht eindrucksvoll inszeniert aus – auch, wenn es deutlich zu wenige von ihnen zu sehen gibt. Eigentlich hat in Pullmans Welt jedermann einen Gefährten, was sich in der Serie jedoch nicht immer überprüfen lässt. Entweder brauchen einige der Daemonen ihre gewisse Me-Time, oder es wäre einfach zu teuer gewesen, wirklich jedem Menschen einen CGI-Freund an die Seite zu stellen.

Schön wäre es, wenn sich das im Laufe der Produktion noch ändern würde und sich die Welt mit weiteren fabelhaften Wesen füllen würde. Die starke Romanvorlage hätte es jedenfalls verdient, dass man sie zur Vollkommenheit ausreizt und auskostet. Doch was bislang entstanden ist, deutet klar darauf hin, dass die Sage um "His Dark Materials" einer blumigen Zukunft entgegenblickt. 

Die erste Staffel von "His Dark Materials" läuft immer montags um 21:10 Uhr bei Sky Atlantic HD und steht über die üblichen Kanäle zum Abruf bereit.