Um uns Bürgerinnen und Bürger besser vor problematischen Inhalten im Netz zu schützen, will die EU große Internetplattformen künftig stärker regulieren. Aber bis das endlich richtig losgeht, konnte sich RTL unmöglich weiter gedulden. Deutschlands größter Qualitätsprivatsender hat die Nase voll vom Warten! Und nimmt das Regulieren jetzt einfach selbst in die Hand.

Zumindest im Teilbereich, mit dem man sich am besten auskennt: Wer als Boulevard-Promi auf dem Social-Media-Kanal seiner Wahl zuviel Unsinn postet und es damit mehrere Tage nacheinander als Top-Thema zu „Explosiv“ schafft, der muss zur Strafe nachher bei RTL gegen Oliver Pocher antreten.



Boris Becker hat sich nie wieder richtig davon erholt, dass er sich vor sieben Jahren im Anschluss an einen Twitter-Schlagabtausch mit Pocher im daraufhin veranstalteten TV-Duell eine Fliegenklatschenmütze aufsetzen ließ, durch die sämtliche früheren sportlichen Erfolge mit einem Schlag von ihm abfielen. Zugegeben: So viel hatte Michael Wendler nicht zu verlieren, als er sich am Sonntagabend in dieselbe Falle locken ließ, um es seinem Instagram-Spötter heimzuzahlen (und dafür in Kauf nahm, sich 19 Wäscheklammern ins Gesicht zu tackern).

Pocher vs. Wendler - Schluss mit lustig!

Pocher hatte es zuvor gewagt, eine für die Öffentlichkeit mitgefilmte Autoschenkung des Wendler-„Schatzi“ zu parodieren. (Falls Sie gerade zufällig aus der realen Welt in diesen Text hier hineingestolpert sind: Ja, das ist in den vergangenen paar Wochen auch noch passiert!)

Selten sah „Mega-Live“ so läppisch aus

Und leider sieht es im Nachhinein nicht unbedingt danach aus, als könne sich aus diesem Abend noch irgendeine Form von Läuterung ergeben – auf keiner der beiden Seiten. Immerhin war die Stimmung zum Schluss von „Pocher vs. Wendler – Schluss mit lustig“ nicht mehr ganz so eisig wie das Wasser, in das sich der Verlierer nach verlorener Schätzfragerunde hat tunken lassen müssen.

Warum es überhaupt eine Live-Show im alten Medium gebraucht hat, um den im neuen angezettelten Ärger zu annulieren, begründete Pocher im Interview mit DWDL.de mit den Worten: „Das Thema ist in der breiten Masse angekommen.“ Das ist der Corona-Virus auch, und die wichtigste Frage in beiden Fällen lautet: Wie wird man das schnellstmöglich wieder los?

Als Gegenmittel für die erstgenannte Angelegenheit war die am Sonntagabend ausgestrahlte RTL-Sendung in jedem Fall schon mal ein prima Anfang. Selten hat man einer Show so sehr angesehen, wie wenig Zeit war, um sie zu improvisieren. (Eine Woche.) Selten sah ein „Mega-Live-Event“ so läppisch aus. (In der ausgeliehenen Studiokulisse des RTL-Kollegen Chris Tall.) Selten sind im deutschen Fernsehen so ausführlich egale Spielregeln erklärt worden. „Ich hab’s verstanden! Komm, die Leute wollen ins Bett“, drängelte selbst Pocher schon kurz nach der Halbzeit, als absehbar war, dass das alles noch dauern würde.

„Das Ende vom Beef“

Und natürlich kann man das machen: drei Stunden live zu zeigen, wie zwei Herren über 40 Memory und Kissenschlacht miteinander spielen, Schwammhelme auswringen, sich weichgekochte Eier an die Stirn schlagen und fürs Zutatenraten Pasten von den Unterarmen ihrer Partnerinnen abschlecken. Oder wie Moderatorin Laura Wontorra zwischendurch zu Protokoll gab: „Der Abend ist auch für mich lang.“ Man muss allerdings hoffen, dass mit der zu Versöhnlichkeitszwecken initiierten Umarmung am Schluss nun wirklich „das Ende vom Beef“ erreicht ist. Nachher war’s jedenfalls sogar dem Show-Verursacher ein bisschen egal, gegen den Rivalen gewonnen zu haben.

Pocher vs. Wendler - Schluss mit lustig!

Nach eher steifem Start hatte es schon zuvor diverse Male Andeutungen vermeintlicher Verbrüderungsgesten gegeben. Und selbst die mit in die Show hineingeschleppten Partnerinnen, Amira Pocher und Laura Müller, ignorierten sich im Studio irgendwann nicht mehr ganz so hart wie zu Beginn. Während Müller beim Anfeuern zwischen „Schatzi, du schaffst das!“ und „Schatzi, streng dich mal an!“ wechselte, wurde Amira Pocher zwischendurch allerdings sehr viel deutlicher: „Hol jetzt’n Punkt und Abfahrt.“

Einseitig verteilter Schlagfertigkeitsvorteil

Für eine nennenswerte Konversation zwischen den beiden am Pult stehenden Kontrahenten hat’s trotzdem nicht gereicht. Dem einseitig verteilten Schlagfertigkeitsvorteil zum Trotz muss man Pocher zwar anrechnen, dass er sich wie eh und je mit ganzem Körpereinsatz und großer Bereitschaft zur Selbstblamage ins Zeug legte, um den Abend nicht nur auf Kosten seines Gegners unterhaltsam zu gestalten. Am Ende halfen aber auch die vom Schlagersänger mitgebrachten Fans (Wontorra: „der Wendler-Block“) mit überdurchschnittlicher Klatsch-, Gröl- und Schrei-Bereitschaft nicht, den behaupteten „richtig geilen Fernsehabend“ zu fabrizieren.

Zu den drängenderen offen Fragen dieses Sonntags gehört womöglich, ob es nach zwanzig Jahren Entertainment-Erfahrung nicht auch ein klitzekleines bisschen traurig ist, seine Kernkompetenz darin zu sehen, über Social-Media-Kanäle angezettelten Privat-Stress mit anderen Promis im Fernsehen auszutragen.

Oder um Pocher für sein Comeback, wie er es gerade von RTL geschenkt kriegt, noch einen guten Ratschlag in den Worten der Wendler-Lebensgefährtin Laura Müller mitzugeben: Schatzi, streng dich mal an!