Mit der Dating-Show ist es RTL gelungen, lesbische Liebe so zu inszenieren, dass alles so wunderbar unaufgeregt wirkt. So als ob es längst selbstverständlich wäre, die Liebe zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts im deutschen Fernsehen zu zeigen. Denn die Wahrheit ist: Menschen, die sich als lesbisch definieren, finden im deutschen Fernsehen bis auf wenige Ausnahmen nicht statt.

Verpflichtende Quote für queere Charaktere?

Elf Prozent der in Deutschland lebenden Menschen bezeichnen sich als queer. Das hat die „LGBT+ Pride 2021 Global Survey“ von Ipsos ergeben. In Film und Fernsehen kommen sie aber kaum vor.

Bis Mitte der 1990er Jahre kamen Lesben in den meisten Serien-Produktionen gar nicht vor. In der Lindenstraße tauchte mit Tanja Schildknecht und Sonia Besirski – nach dem ersten Kuss zwischen zwei Männern – auch das erste Frauenpaar auf. Seitdem hat sich nicht viel verändert: Eine Studie der Universität Rostock hat im Jahr 2016 800 deutschsprachige Filme und 3.500 Stunden TV-Programm analysiert. Das Ergebnis: Fast 60 Prozent der Figuren wurden als eindeutig heterosexuell definiert. Bei knapp 40 Prozent wurde die sexuelle Orientierung gar nicht thematisiert. Nur wenige der Figuren konnten vom Publikum als dezidiert queer gelesen werden. Eine Aussage darüber, wie viele dieser Charaktere sich als lesbisch definieren, gab es nicht. Dass bei alle dem die wenigen queeren Figuren in der Mehrheit einem problematischen Umgang mit ihrer Sexualität unterworfen waren, lässt sich unschwer erahnen.

Als Folge dieser Untersuchung wurde im Jahr 2018 im Rahmen der Berlinale die „Queer Media Society“ (QMS) gegründet. Sie versteht sich als ehrenamtlich organisiertes Netzwerk von queeren Medienschaffenden aus den Bereichen Film, Fernsehen, Hörfunk oder Print. Sie setzen sich gegen Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, inter* sowie nicht-binären Menschen in den Medien ein und fordern, dass mindestens zehn Prozent aller fiktionalen und non-fiktionalen Produktionen mit LGBTI-Themen und Inhalten gefüllt werden. Mitglieder sind unter anderem die Schauspielerin Merve Aksoy („Kroymann“), der Filmproduzent Karsten Aurich („Die fetten Jahre sind vorbei“) und die Regisseurin Sabine Bernardi („Ku’damm 63“).

Eine freiwillige Selbst-Verpflichtung, in Film- und Fernsehproduktionen mehr Diversität zu zeigen, gibt es bislang nur vom Filmunternehmen UFA. „Bis Ende 2024 wollen wir im Gesamtportfolio der UFA-Programme eines Jahres die Diversität unserer Gesellschaft abbilden,“ heißt es auf Instagram. Zur Orientierung diene dabei der Zensus der Bundesregierung. „Wir werden unsere jährliche Quote auswerten und veröffentlichen, erstmals Ende 2021.“ Dazu müsse die UFA auch hinter der Kamera diverser werden.

Bereits 2016 hat sich die BBC dazu verpflichtet, in ihren Produktionen mindestens acht Prozent der Charaktere so zu zeichnen, dass sie der LGBTI-Szene zugeordnet werden können. Diese Quote orientiert sich an dem angenommenen Anteil queerer Menschen an der britischen Gesamtbevölkerung.

Was macht Princess Charming so besonders?

Lesbische Liebe wird gezeigt, ohne dass die Sexualität das bestimmende Thema ist. Es werden 20 Frauen* gezeigt, die um das Herz der Princess werben. Sie sind dabei so vielfältig, wie Menschen nun eben einmal sind. Da waren beispielsweise mit Saskia und Britta zwei Frauen, die eher maskulin gelesen werden können, während Lou und Kati eher feminin auftreten.

Mit Princess Charming wird lesbische Liebe normalisiert. Die Sendung macht Menschen Mut, die noch unsicher mit sich selbst und ihrer Art zu lieben sind. Sie werden dabei unterstützt, ihre eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität zu finden. Denn es gibt etwas, das alle 20 Personen in der Villa eint: Sie sind stolz auf ihre sexuelle Orientierung und gehen selbstbewusst damit um.

Die erste lesbische Dating-Show wird außerdem dadurch besonders, dass die Gespräche unter den Kandidatinnen und die Gespräche zwischen den Kandidatinnen und der Princess sehr schnell tiefgründig werden. Über sexuelle Vorlieben wird, geskriptet oder auch nicht, auf Augenhöhe diskutiert ebenso wie über die Rolle von nicht-binären Menschen in der lesbischen Community. Statt nervigem Konkurrenzdenken und aufdringlichem Imponiergehabe unterstützen sich die Teilnehmerinnen gegenseitig und bilden – zumindest den Instagram-Accounts nach zu urteilen – Freundschaften, die über die Zeit des Drehs hinausreichen.

RTL hat mit Princess Charming einen guten Anfang gemacht, was lesbische Sichtbarkeit im deutschen Fernsehen anbelangt - wenn auch erst einmal nur abseits des linearen Fernsehens. Ob das ausreicht? Noch lange nicht.

Denn nur, wenn künftig (noch) mehr Diversität gezeigt wird, können viele Lebenswirklichkeiten für das Publikum „normal“ werden. Oder wie es Princess Irina Schlauch in einem Interview sagte: „Es wäre aber schön, wenn sich irgendwann kein Mensch mehr als schwul, lesbisch, hetero, bi, etc. identifizieren müsste, sondern einfach als Mensch, der liebt.“