Im vergangenen Jahres ging es in der Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zeitweise zu wie auf einem Basar. Insbesondere aus Sachsen-Anhalt gab es immer neue Forderungen, die die ARD doch bitte zu erfüllen hätte, wenn sie ein Ja zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent haben wolle. Dass etwa das gemeinsame ARD-Kulturangebot der ARD in Sachsen-Anhalt angesiedelt werden soll, kam ja nicht von ungefähr, sondern hing damit zusammen, dass Ministerpräsident Rainer Haseloff die Zustimmung seines Landes zur Beitragserhöhung recht unverblümt mit der Forderung einer solchen oder ähnlichen Einrichtung in seinem Land verknüpft hatte.

Nun ist ja gar nicht von der Hand zu weisen, dass die ARD in den östlichen Bundesländern Defizite hat, doch nicht nur dem ehemaligen BR-Intendanten Ulrich Wilhelm stieß diese Verknüpfung sauer auf, was schließlich dazu führte, dass der BR sich nicht am gemeinsamen Kulturangebot beteiligte – das übrigens bislang mit Verweis auf die zunächst ausgebliebene Beitragserhöhung nicht kam. Doch damit ließ man es nicht bewenden, immer neue Wortmeldungen gab es in den darauffolgenden Wochen, nicht nur aus der CDU. Stefan Gebhardt, parlamentarischer Geschäftsführer und Medienpolitiker der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, forderte etwa, dass die Intendantinnen und Intendanten auf eine künftige Erhöhung ihrer Gehälter verzichten, wenn die Linkspartei zustimmen soll.

Sven Schulze, Generalsekretär der CDU Sachsen-Anhalts, ließ damals im Zusammenhang mit einem Satire-Video von Funk, in dem es um Racial Profiling der Polizei ging, wissen, dass die Rundfunkbeitragserhöhung "jetzt erst recht nicht" komme. Zwar ruderte er wenig später zurück und begründete die Ablehnung der Beitragserhöhung mit dem Koalitionsvertrag, doch einen dumpferen Versuch der Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Inhalte als diese Drohung hatte man trotzdem schon länger nicht mehr gesehen.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in früheren Urteilen schon mehrfach deutlich gemacht, dass die Entscheidung über die Höhe des Rundfunkbeitrags bzw. der -gebühr eben nicht Bestandteil von solch partei- oder standortpolitischem Geschacher werden soll. Dafür wurde das mehrstufige Verfahren mit der unabhängigen Kommission KEF geschaffen, von deren Vorschlag die Landesparlamente nur in ganz wenigen, gut begründeten Ausnahmefällen abweichen dürfen. Dass das hier nicht geschah, lässt sich schon daraus ersehen, dass der Landtag Sachsen-Anhalt ja gar nicht abgestimmt hat und dementsprechend auch gar keine Begründung vorlegte. Und das, was man im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorbrachte, war dann auch noch erkennbar nicht das, was das Gericht in früheren Urteil als mögliche Gründe genannt hatte. Insofern kann das Urteil für keinen Beteiligten eine Überraschung sein.

Keine undemokratische Entscheidung

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts dürften angesichts dieses offensichtlich vorsätzlich begangenen Verfassungsbruchs schon einigermaßen fassungslos gewesen sein, schließlich kam es genau zu dem Geschacher und politischem Gezänk um die Beitragshöhe, das sie mit früheren Urteilen verhindern wollten. Um das in Zukunft zu verhindern und die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, dessen Bedeutung sie im Urteil gerade in Zeiten von Fake News noch einmal unterstrichen, gingen sie daher diesmal noch einen Schritt weiter und prägten den Begriff von der "föderalen Verantwortungsgemeinschaft, wobei jedes Land Mitverantwortungsträger" sei.

Wörtlich heißt es im Urteil: "Im gegenwärtigen System der Rundfunkfinanzierung ist eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich. Hält ein Land eine Abweichung für erforderlich, ist es Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder über die Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF herbeizuführen." Selbst wenn es gute Gründe für eine Abweichung von der KEF-Empfehlung gäbe, müsste darin Einigkeit unter den Ländern bestehen - eine Blockade durch ein einzelnes Land wie diesmal Sachsen-Anhalt ist damit also künftig ausgeschlossen. Das steht nun so deutlich schwarz auf weiß im Urteil, dass selbst für spitzfindige Juristen eine andere Auslegung kaum möglich sein dürfte.

Die Richter verhindern damit nicht nur ein ähnlich unwürdiges Geschacher wie im vergangenen Jahr, sie wappnen das System gleichzeitig auch dagegen, dass womöglich in einzelnen Bundesländern Populisten an die Macht kommen könnten, die ARD und ZDF durch die Verweigerung der Finanzierung stark in Bedrängnis bringen könnten. Und all jenen, die nun von einer "undemokratischen Entscheidung" des Gerichts sprechen: Es hat einen guten Grund, dass der Einfluss der Politik auf ARD und ZDF begrenzt ist und die Höhe des Rundfunkbeitrags eben kein Ergebnis demokratischer Verhandlungen ist, sondern sich am Bedarf der Anstalten festmacht. Schließlich ist es die Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten der Häuser, der Politik auf die Finger zu schauen - da sollte man sie so unabhängig wie möglich vom Wohlwollen einzelner Parteien in einzelnen Ländern machen.

Aber das heißt natürlich nicht, dass ARD und ZDF ohne jede Kontrolle schalten und walten sollten. Der Politik steht es frei, den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender neu zu formulieren, ihn zu verändern und auch zu beschneiden. Das hat man auch in den letzten Jahren einmal mehr nicht umfassend getan. Derzeit unternimmt die Politik wieder einen neuen Anlauf - man darf gespannt sein, was dabei heraus kommt. Hier werden nun jedenfalls die Weichen gestellt, wie sich die Höhe des Rundfunkbeitrags künftig entwickelt. Diese Phase jetzt ist also ungleich entscheidender als die nächste Diskussion über die Beitragshöhe, bei der alle Populisten wieder auf der Matte stehen werden.

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