Glück, was für ein himmelhohes Wort. Glück, schrieb bereits Goethe, sei die Genügsamkeit, also das einzige, wie Albert Schweitzer hinzufügte, was sich verdoppelt, wenn man es teilt. Da die meisten von uns in den Worten des Rechtsphilosophen Hans Krailsheimer dafür entweder zu klug sind oder zu dumm, ist der Satz des unglücklichen Max, „Glück, für das gelogen werden muss, kann kein echtes sein“, leider eine Illusion, die Natascha sogleich in ihre Einzelteile zerlegt: „Was für’n Quatsch“, meint seine Banknachbarin auf einem Münchner Spielplatz genervt, „es gibt kein Glück ohne Lüge“.

Recht hat sie.

Sofern man der federleicht schwermütigen Tragikomödie „Die Glücksspieler“ folgt, in der das Erste Natascha und Max ab heute unfreiwillig zu Titelfiguren macht. Im ersten von sechs Teilen dieser kleinen, feinen Miniserie nämlich schließen ihre Lebenspartner einen Pakt mit dem stinkreichen Manipulator Gottlieb Herzinger. Im Forbes-Ranking der reichsten Erdbewohner rangiert er auf Platz 257 und ist dank vier Scheidungen und einem Kind, das ihn meidet, so unglücklich, dass er drei Leidensgenossen ein Ausgleichsangebot macht. Doch der Reihe nach.

Nachdem ein Luftballon mit angehängtem Wunschzettel auf seinem Starnberger Herrschaftssitz landet, will er das Begehr von Max‘ Sohn erfüllen: „Meine Eltern sollen sich nicht mehr streiten“, bittet Sammy den Weihnachtsmann um Hilfe für seinen Vater und die arbeitswütige Anwältin Ines. Als Herzingers Butler besagten Max auf der erwähnten Spielplatzbank findet, sitzen dort aber noch wie jeden Tag zwei Frauen ähnlich trauriger Gatten: Natascha, verheiratet mit dem kindsköpfigen Räumdienstbesitzer Firat, zwei Töchter, null Familieneinsatz. Und Simone, verheiratet mit dem autistischen Mathematiker Jasper, ein Sohn, nullkommanull Familieneinsatz.

Eine „Schicksalsgemeinschaft der Brutpflegebeauftragten“, wie Max das Trio alleinerziehender mit Workoholics im Schlafzimmer nennt, denen Milliardär Herzinger ohne Wissen der Spielplatzbankdrücker folgenden Deal anbietet: falls Firat, Ines, Jasper zwölf Monate lang versuchen, glücklich zu sein und darüber jeden Freitag, Punkt 18 Uhr, notariell beglaubigt berichterstatten, schenkt er ihnen am Ende je eine Million Euro. Klingt simpel, erweist sich aber schon deshalb als kompliziert, weil die Probanden mit niemandem übers Geschäft reden dürfen und das Glücklichsein ungefähr so verlernt haben wie unsere Gesellschaft im Ganzen.

Hier nun alle Irrungen und Wirrungen der Wette zu schildern, die kleinen Fortschritte und großen Rückschritte, das wachsende Chaos grundverschiedener Charaktere mit gleichem Ziel, würde allerdings schon Mitte der ersten 45 Minuten zu viel verraten. Nur so viel: nach eigenem Drehbuch gelingt es Regisseur Michael Hofmann auf anrührende Art fesselnd, die Sehnsucht nach Glück einer zwanghaft selbstoptimierten Gesellschaft in ein lustiges (nie lächerliches) Durcheinander zu flechten, dessen Entwirrung nur noch weitere Knoten erzeugt.

Inhaltlich zwischen „Tim Thaler“ und „Zum Teufel mit den Kohlen“, „Ein unmoralisches Angebot“ und „Allmen“ macht der Autorenfilmer – 2002 durch sein Coming-of-Age-Drama „Sophiiiie!“ bekannt geworden – deutsche Mittelstandsnöte in der Zwickmühle aus Leistungsdruck und Achtsamkeit spürbar. Die meisten Dialoge sind schlüssig, ihre Pointen präzise. Und wenn der Makler lacht, als Ines für den Kauf einer Wohnung in München-City 3000 Euro Monatsraten anbietet und einen der Abertausend Glücksratgeber kauft, in dem nur weiße Blätter stecken, wirft Hofmann nebenbei kluge Schlaglichter auf die spätrömische Dekadenz der urbanen Oberschicht. Originell aber werden seine „Glücksspieler“ weniger durch die Story als ihr Ensemble.

Der saturierte Ex-Rapper Eko Fresh zum Beispiel ist wirklich kein guter Schauspieler, aber ein wirklich guter Typ – weshalb man ihm seine realitätsblinde Quasselstrippe Firat, die tagsüber vor der drohenden Betriebspleite flüchtet und abends vorm Kommunizieren mit Natascha (Karolina Lodyga), trotz darstellerischer Defizite jederzeit abkauft. Katharina Schüttler dagegen gelingt es ohnehin spielend, ihrer zynischen Businessdomina Ines trotzige Traurigkeit abzuringen. Und fabelhaft ist wie immer auch der österreichische Tausendsassa Manuel Rubey, dessen zwangsneurotische Intelligenzbestie Jasper nur weniger Worte und karger Gesten bedarf, um innere Leere zum Ausdruck zu bringen.

Zur dezent ulkigen Musik von Daniel Sus & Matthias Klein gewinnen ihre Antihelden also von Beginn an Profile, die selten sind im deutschen Fernsehmainstream. Selbst der feudale Wettpate Herzinger und sein Faktotum Wagner sind da trotz leichter Überzeichnung mit Branko Samarovski und Ovidiu Schumacher glaubwürdig. Nochmals aus dem Personal herausstechen tut allerdings der Jüngste im erwachsenen Cast: Sergej Moya als verhinderter Pianist Max, dessen androgyner Naturalismus eine Vielzahl „Tatorte“ und „Polizeirufe“ bereichert. Wenn der 34-jährige Berliner die Unterforderung als warmherziger Familienvater mit tiefgefrorener Jazz-Karriere in Worte oder Schweigen packt, scheint Hofmann eine Dokumentarfilmreihe zu drehen.

Gelegentlich gleitet die dann zwar ins Klamaukige ab; etwa dann, wenn Knallchargen wie Firats Angestellter Nick (Max Poerting) als (deutsche) Hilfskraft des (türkischen) Unternehmers rassistische Klischees verdreht oder die Amtsträgerin Unger (Bettina Mittendorfer) persönlicher wird als es ihrer Position geziemt. Ansonsten aber verkörpern „Die Glücksspieler“ zumindest in den ersten drei Teilen so vorurteils- wie zotenfrei bundesdeutschen Durchschnitt auf Sinnsuche mit der Aussicht auf Reichtum.

Alle Folgen stehen seit dem 20. April für sechs Monate in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. Das Erste zeigt die sechs Episoden ab dem 27. April mittwochs um 20:15 Uhr in Doppelfolgen.