Gut Show will Weile haben. Mit diesem abgewandelten Sprichwort lässt sich die Odyssee ganz gut beschreiben, die "All Together Now" hinter sich hat – eine ursprünglich aus Großbritannien stammende Musikshow, an der sich RTL schon vor vier Jahren die Rechte sicherte. Im Streit um die Rechte an "The Masked Singer", das wenig später bei ProSieben für Furore sorgen sollte, hatte der Kölner Privatsender plötzlich keine Lust mehr darauf, "All Together Now" zusammen mit Endemol Shine umzusetzen. Und so wurde "Sing mit mir", wie RTL die damals Show betitelte, kurzerhand gecancelt.

Mit einiger Verspätung ist das Format nun also doch noch in Deutschland angekommen – in Sat.1, wo zunächst eigentlich Luke Mockridge als Moderator vorgesehen war, der sich vor dem Hintergrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe aber erst mal eine TV-Pause verordnete. Somit war der Weg frei für Melissa Khalaj, auf die man in Unterföhring so große Stücke hält, dass sie ab Herbst auch "The Voice of Germany" moderieren wird. Viel Wirbel also um eine Musikshow, noch bevor überhaupt auch nur ein Ton gesungen wurde.

Doch hat sich das Warten auf "All Together Now" gelohnt? Ja – denn der Neustart, von dem am Freitagabend endlich die erste Folge zu sehen war, ist vermutlich die ansteckendste Gesangsshow im deutschen Fernsehen. Die Regeln sind simpel: Zwölf Sängerinnen und Sänger, allesamt ausgestattet mit ebenso guten Stimmen wie guter Laune, treten vor "die größte Jury im deutschen Fernsehen", wie Sat.1 das Publikum gleich zu Beginn wissen lässt. 100 Sekunden Zeit verbleiben, um die 100 Jurorinnen und Juroren von sich zu überzeugen. Wer von ihnen Spaß an den Auftritten hat, drückt den Buzzer, steht auf – und singt einfach mit.

Das ist alleine schon optisch ein Fest, denn die Jury ist auf einer ziemlich beeindruckenden Wand platziert, vor der die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Songs schmettern. Bei "All Together Now" wirkt alles groß – und vor allem bunt: Das opulente Bühnenbild, die divers besetzten Fachkräfte, die von Opernsängern und Drag Queens über Nilz Bokelberg bis hin zu in Vergessenheit geratenen Castingshow-Talenten reichen, aber auch die Interpreten, deren musikalische Bandbreite Revolverheld ebenso umfasst wie Connie Francis. 

All Together Now © Sat.1/Willi Weber

Ein Stück weit erinnert "All Together Now" in manchen Momenten an den Casting-Flop "Rising Star", mit dem Unterschied, dass die Gesangstalente der neuen Sat.1-Show eben vor echten Menschen singen und nicht vor einer emotionslosen Wand, auf der irgendwelche Profilbildchen umherfliegen. Dadurch entwickelt "All Together Now" in recht kurzer Zeit einen unterhaltsamen Party-Charakter, der auch auf dem Sofa zum Mitsingen einlädt. Das alles macht großen Spaß – erst recht, weil hier niemandem versprochen wird, der nächste Superstar zu werden, sondern der oder die Beste nach etwas mehr als zwei Stunden mit 10.000 Euro einfach nach Hause geht. 

So gesehen ist "All Together Now" der Gegenentwurf zu den auf viele Wochen und Monate aufgeblasenen Talentshows, in denen die Sender all ihre Kandidatinnen und Kandidaten auf sagenumwobene "Reisen" schicken, bevor am Ende meist doch die Versenkung droht. Oder eben ein Platz bei "All Together Now", wo sogar noch einmal die "Popstars"-Siegerband Room 2012 erinnert wird (ja, die gab es wirklich!).

Die schiere Menge an Jury-Mitgliedern birgt jedoch auch eine Gefahr: Es ist schlicht nicht möglich, alle von ihnen innerhalb einer Sendung vorzustellen, auch wenn sich die Verantwortlichen der Produktion redlich darum bemühen, dem Publikum die vielen Gesichter näherzubringen, wahlweise in Form kleiner Vorstellungsfilmchen oder diverser Zwischenschnitte. Bei Letzteren haben es Sat.1 und Endemol Shine leider ein wenig übertrieben, denn mitunter lässt man die Jurorinnen und Juroren so viel in die Auftritte reinquatschen, dass es schwerfällt, sich auf den Gesang zu konzentrieren. Und das ist echt schade, schließlich lebt "All Together Now" vom Singen und nicht vom Reden. 

Die Freude an der neuen Sendung trübt das aber nur bedingt. Vielmehr darf man froh sein, dass sie es nach der langen Wartezeit doch noch auf den Bildschirm geschafft hat - insbesondere, weil mit Melissa Khalaj eine wunderbare Moderatorin an Bord ist, die nicht nur aus ganzem Herzen mitsingt, sondern sogar so manche Träne verdrückt, wenn's auf der Bühne mal richtig emotional wird. Gut Show will eben Weile haben.

"All Together Now", freitags um 20:15 Uhr, Sat.1