Everything’s connected? Mit dem Satz hat Dirk Gently, die irrste wie weiseste Filmfigur seit Groucho Marx, in drei Worte gefasst, was vier Millionen Mystery-Stoffe bei Laune hält: alles ist verbunden. Also auch Hanna, Linn und Allie – drei Frauen, die im Sky-Original „Souls“ scheinbar wenig verbindet. Erstere erwacht zu Beginn der Serie nach einem Autounfall im Krankenbett und erfährt, dass ihr Sohn sie gerettet hat. Letztere schreckt fünf Fernsehminuten später aus einem Albtraum und erfährt, dass ihr Mann nach Montreal ziehen will. Die mittlere ist zwar wach, wird aber mit Augenbinde durch eine Umgebung gefahren, die sich nicht nur optisch von jener der anderen unterscheidet, sondern chronologisch: Linn lebt in einer Zukunft, deren Vergangenheit mit Hannahs und Allies Gegenwart zusammenhängt.

Klingt kompliziert? Ist sogar konfus, also charakteristisch für rätselhafte Fiktionen, die mittlerweile ein deutsches Trade Mark tragen. Leider! Denn bevor Showrunner Alex Eslam mit Erol Yesilkaya („Sløborn“) und Senad Halilbašić („7500“) den Writer’s Room betreten hat, um das Resultat anschließend mit der Werbefilmerin Hanna Maria Heidrich in Szene zu setzen, ist er als Kind offenkundig in einen Topf „Dark“ gefallen. Das erste Drittel der acht 45-minütigen Teile gibt sich schließlich maximal Mühe, die Mutter aktueller Mysteryserien made in germany möglichst baugleich und damit erfolgversprechend zu kopieren.

Während die Protagonisten dort durch ein geheimnisvolles Tor zwischen gestern, jetzt und morgen in der Weltgeschichte umherreisen, befindet sich Allie (Julia Koschitz) ungefähr Ende der Neunzigerjahre in einer Zeitschleife, die sie denselben Tag immer wieder aufs Neue durchleben lässt – was definitiv leichter erträglich wäre, wenn ihr Mann Leo (Laurence Rupp) nicht kurz nach Allies Albtraum in ihrer Stockholmer Wahlheimat seine Passagiermaschine mit 125 Menschen an Bord bei einer Entführung zum Absturz bringen, also sterben würde.

Und während sie versucht, jeden der gebrauchten Tage so zu gestalten, dass ihr Liebster nicht ins Flugzeug steigt, beginnen sich die Existenzen der anderen zwei Frauen mit ihrer zu verzahnen. Hannas Sohn Jacob (Aaron Kissiov) etwa behauptet steif und fest, der wiedergeborene Kapitän des Unglücksflugs 2205 zu sein, was seine Mutter (Brigitte Hobmeier) noch weiter vom prügelnden Ex-Mann Vincent (Godehard Giese) entzweit, aber irgendwie denkbar erscheint, weil Jacob im Schlaf Schwedisch spricht und unerklärliches Detailwissen vom Absturz hat.

Das alles ist allerdings nicht mal halb so ominös wie die retrofuturistische Zukunft, in der die jüngere Linn (Lily Epply) auf den Sektenführer Sebastian (Aleksandar Jovanovic) und seine trübsinnigen Jünger trifft, um mit seiner Hilfe Dimensionssprünge zu wagen. Da Alex Eslam aber selbst diese Absurditäten zu transparent sind, vernebelt er sie zusätzlich mit einer Ästhetik, die man (vorerst) als Fluch dieser ambitionierten Hochglanzserie von Hana Geißendörfer in ihrer ersten Großproduktion nach der „Lindenstraße“ von Papa Hans W. bezeichnen muss.

Wie es Baran bo Odar und Jantje Friese in bisher drei Staffeln „Dark“ bis zum dramaturgischen Ermüdungsbruch durchexerzieren, sind auch „Souls“ augenscheinlich alle Regler für Normalgeschwindigkeit und Sonnenlicht abhandengekommen. Notorisch auf Zeitlupe gedrosselt, kriecht die Handlung im ständigen Schummerlicht so langatmig von Ereignislosigkeit zu Ereignislosigkeit, dass man sich hier und da ein debiles Autorennen wünscht, um aus dem Dämmerschlaf einer Story zu erwachen, die weder visuell noch inhaltlich Neuland betritt.

Wie Zeitreisen („Dark“), Amnesie („Nr. 6“) und Albträume („Dallas“) helfen Murmeltiermomente wie dieser zudem gerne mal dabei, strukturelle Logiklücken oder konzeptionelle Fehlentscheidungen surreal zu überbrücken – zuletzt in der Sky-Serie „The Lazarus Project“ oder dem Neoriginal „Another Monday“. Originell geht anders. Bis zur vierten Folge. In der nämlich nimmt „Souls“ eine Wendung, die sich alles andere als angedeutet hatte und wirklich überraschend kommt. Worin sie besteht, wird hier natürlich nicht verraten, aber nach knappen drei Stunden gewinnt Eslams Erzählung plötzlich eine Relevanz diesseits der abgedroschenen Geheimniskrämerei.

Wirkten Look & Feel zuvor manieriert, verhilft ihnen die zwischenzeitliche Auflösung zu neuer Substanz. Dringliche Begegnungen von Mutter und Sohn („du warst grad dabei, dramatisch in deinem Zimmer zu verschwinden“) oder Mensch und Erkenntnis („Leo ist die einzige Person, die mich nicht ankotzt, egal wie viel Zeit wir miteinander verbringen“) treten aus dem Schatten selbstreferenzieller Melodramatik. Und auch, wenn der Plot weiter oft im Nebel des Unerklärlichen stochert, sollte man besser nun nicht mehr in der Gewissheit zwei Minuten vorspulen, das Geschehen hätte sich ohnehin kaum vorwärtsbewegt.

Das getragene Pathos vieler Figuren nervt zwar noch immer ähnlich wie der dräuende Dramasound von Dascha Dauenhauer oder Logiklücken wie einer Zukunft voller LED-Bildschirme an jeder Hauswand, aber ohne E-Autos, aber es kreist nicht mehr so um sich selbst, sondern hat Ziele im Blick. Und auf dem Weg dorthin wirkt es jetzt bisweilen, als habe Stanley Kubrick Haruki Murakami verfilmt – was ja keine so schlechte Referenz für Serienfiktion wäre, in der alles mit allem verbunden ist. Everything’s Connected – ab Folge 4 sind es sogar die Erzählstränge von „Souls“. Wer es bis dahin schafft: Glückwunsch!

Die acht Episoden laufen in Doppelfolgen immer dienstags um 20:15 Uhr bei Sky Atlantic. Ab dem 8. November steht die komplette Staffel zudem via Sky Q und Wow zum Abruf bereit.