Hatten Sie schon einmal ein Weihnachtsfest, an dem "die Dinge ein bisschen aus dem Ruder gelaufen sind"? Also einen Heiligen Abend, an dem jemand zu besinnlicher Weihnachtsmusik schreiend vor dem prachtvoll geschmückten Baum stand, gegen die davor fein säuberlich aufgehäuften Geschenke trat, um am Ende die Tanne samt etlicher Kugeln zum Sturz zu bringen während die versammelte Familie am ebenso festlich gedeckten Tisch um die Wette staunte?

Ne, oder? Dann willkommen bei "Last X-Mas. 24 Tage für die Liebe", der ersten Adventsdaily von Bantry Bay, die RTL+ nun als eine Art Weihnachtscountdown täglich in leicht zu konsumierenden etwa 10-Minuten-Happen servieren möchte. Die Zuschauerin und der Zuschauer können in der Serie also einer wahrlich tubrelten Adventszeit folgen. Und die beginnt für die Hauptfigur Nathalie am 1. Dezember. Gespielt von Paula Kalenberg und bezeichnet als DER Weihnachtsfan schlechthin spricht sie von der "nervenaufreibendsten, traurigsten, lustigsten und nasenblutendsten" Weihnachtszeit ihres Lebens.

Ähnlich wie in der Netflix-Erfolgsserie "Weihnachten zu Hause" (Originaltitel: "Hjem til Jul"), die DWDL kürzlich als "schönste Lovestory in liebloser Zeit" bezeichnete, gerät die Hauptfigur unter den vermeintlichen Zwang, bis spätestens Weihnachten mindestens einen festen Partner und im besten Fall die Liebe des Lebens zu finden, um die eigene Familie glücklich zu machen. Konkret: Opa Heinz (gespielt vom für seine 84 Jahre wahrlich fit wirkenden Achim Wolff). Heinz ist in der Serie nämlich gar nicht mehr fit, wieder im Krankenhaus und die Ärzte glauben, er habe sein letztes Weihnachtsfest vor sich. Dass Heinz sich so darauf gefreut hat, Nathalies Verlobten unterm Baum kennenzulernen, war bis zum 1. Dezember auch kein Problem. Doch dann machte Nico (sehr gestriegelt: Tobias van Dieken) Schluss, weil ihm seine einstige große Liebe eine erneute Chance gibt, und Nathalie ist mir nichts dir nichts wieder solo.

Und die lassen die Regisseure Markus Sehr (Block 1) und Martina Plura (Block 2) doch ziemlich durch ihr gerade turbulentes Leben wanken. Nathalie wird dabei von ihrer Freundin Jonna (erfrischend: die bis dato u.a. aus ZDF-Krimi-Episodenrollen bekannte Taneshia Abt) begleitet, die mit sofortigem Kontaktabbruch droht, wenn Nathalie ihrem Ex wirklich wieder schreibt. Natürlich tut sie es – und Jonna tut es nicht. Denn in späteren Folgen hilft sie ihrer Freundin noch ein ums andere Mal in schwierigen Situationen.

"Last X-Mas", das auf einer Idee des mehrfach und kürzlich erst mit "Kleo" gefeierten Erfolgsautors Richard Kropf basiert und von ihm als Head-Autor dann auch geschrieben wurde, überdreht manchmal. Da sagen Figuren genau die Sätze, die sie bitte jetzt nicht sagen sollten, weil der Schlamassel dadurch nur größer wird. Da weihnachtet es schon am 1. Dezember mancherorts so sehr, wie abseits der Serie mitunter nicht einmal am 24. Dezember. Da wartet eine Wendung auf die nächste und häufig wird es für Nathalie in jeder Situation noch etwas schlimmer. Ja, diese vermeintlichen Enttäuschungen wie auch die Frage, ob der vermeintlich wenig auffällige Kerl, der in einer Bar/einem Cafè arbeitet, nicht eigentlich der passende Mann für die Hauptfigur ist, einen "Last X-Mas" und "Willkommen zu Hause".

Last X-Mas © RTL / Frank Dicks Weil im Sommer gedreht wurde, war am Set nicht mit Schnee zu rechnen. Das Heranschaffen von extra-vielen Christmas-Utensilien sollte das wohl ausgleichen.
 

Unterschiede gibt es freilich auch: Bei "Last X-Mas" will trotz der massigen Weihnachtsutensilien, die in nahezu jedem Bild auftauchen, nicht hundertprozentige XMas-Stimmung aufkommen, was auch daran liegen könnte, dass Bantry Bay die insgesamt 24 Episoden mitten im Sommer aufzeichnete. Sehr angenehm ist indes die Portionierung – etwa zehn Minuten pro Tag und Episode, mal bisschen mehr, mal bisschen weniger, dürfte sich wohl jeder für ein Adventsdate der besonderen Art selbst in stressigen Vorweihnachtszeiten nehmen können. Zehn Minuten als Guilty Pleasure, ein bisschen Herzerwärmen für die wohl vor allem weibliche Zielgruppe, ein bisschen Mitfühlen in der Zeit der Nächstenliebe.

Das macht "Last X-Mas", das nicht den Anspruch an sich stellt, die nächste High-End-Dramaserie zu sein, schon ganz gut. Und es bietet Raum für mehr: Eine Art Weihnachtscountdown lässt sich schließlich im Erfolgsfall auf etliche andere Storys im familiären Umfeld übertragen. Am Ende ist "Last X-Mas" eine Adventsdaily, die nicht frei von Schwächen ist. Da sind Dialoge, die so auch in üblichen Soaps vorkommen könnten, da wird nahezu jedes Fettnäpfchen mitgenommen, da mag man als mitfühlender Mensch vor dem Bildschirm manchmal auch gar nicht mehr hinschauen, weil die nächste schlechte Nachricht hinter der nächsten Ecke zu warten scheint. Und so ist "Last X-Mas" irgendwie doch ein bisschen wie Weihnachten. Genau wie das Fest an sich wird die Serie gleich ein gutes Stück besser, wenn man nicht die allerhöchsten Erwartungen hegt und sich bereits mit nettem Zusammensein zufrieden gibt.

Zumal man nicht den Vorwurf machen kann, dass es dem Autoren-Team nicht gelingen würde, doch Spannung zu erzeugen. Welchen Weg hat Nathalie wirklich hinter sich, um am Festabend im roten Kleidchen so komplett auszuticken? Und mehr noch: Ist das auch wirklich das Ende der Serie oder folgt dem großen Ausraster in der rund 30 Minuten umfassenden Schluss-Episode, die sich hinter dem 24. TV-Türchen verbirgt, etwa doch noch eine Art Happy-End?
 

"Last X-Mas. 24 Tage für die Liebe", ab 1. Dezember bei RTL+.