Monica Lierhaus ist in diesen Tagen allgegenwärtig. Bei "RTL Aktuell" hat sie am Montagabend den Sportblock moderiert, am Dienstagabend berichtete sie an der Seite von Florian König vom DFB-Testkick gegen Kolumbien und bei "Punkt 12" begleitet sie in einer Wochenserie Menschen, die sich nach Schicksalsschlägen zurück ins Leben gekämpft haben. Viele weitere Medien berichten über das angebliche TV-Comeback der Sportreporterin, die nach ihrem Schicksalsschlag schon vor einigen Jahren bei Sky eine eigene Interviewreihe hatte und davor für die ARD-Fernsehlotterie im Einsatz war. 

Bei RTL finden die Lierhaus-Festspiele aktuell innerhalb der Woche der Vielfalt statt, im Rahmen derer man Menschen mit Behinderungen verstärkt in den Mittelpunkt rücken will. Bezogen auf die Sportreporterin ist das schon etwas seltsam, weil sie den Begriff Behinderung für sich ablehnt. Und es ist nicht das einzige Missverständnis zwischen Monica Lierhaus und RTL. 

Das ging schon im April bei dem ersten Einsatz der Sportmoderatorin im Rahmen des Europa-League-Spiels zwischen Bayer Leverkusen und Saint Gilloise los. Dort fragte Sportreporterin Laura Papendick Lierhaus so lange über sie selbst aus, bis es Lierhaus irgendwann zu viel war und fragte: "Können wir über Fußball reden?". Nahezu kein Beitrag über Monica Lierhaus kommt ohne den Hinweis der Journalistin und Moderatorin aus, sie würde eigentlich gerne über ihre Leidenschaft, den Sport, sprechen - und nicht über sich selbst und ihr eigenes Schicksal. 

Auch wenn RTL in den zurückliegenden Tagen immer wieder die Bedeutung von Inklusion beteuerte: So richtig macht es nicht den Eindruck, als würde man ernsthaft Inklusion betreiben. Am Montag moderierte Lierhaus den Sportblock bei "RTL Aktuell" - mehr als ein Symbol ist das nicht. Zu allem Übel wurde bei der Gelegenheit noch einmal auf die Geschichte der Moderatorin zurückgeblickt. Ist Monica Lierhaus nun Berichterstatterin oder Gegenstand von Berichterstattung? Im folgenden Beitrag, in dem Lierhaus zwei Tennis-Spieler getroffen hat, ist die Journalistin zwar zu sehen und darf auch einen Schläger in die Hand nehmen - das Gespräch zwischen ihr und den beiden Sportlern sieht man aber nicht. Am nächsten Tag war im Rahmen von "Punkt 6" von einem "sehr bewegenden Fernseh-Comeback" die Rede. Statt zu normalisieren wird die Personalie so zum Gimmick. 

Und auch Lierhaus’ Einsatz am Dienstag beim DFB-Testspiel gegen Kolumbien wirft Fragen auf. Erneut wurde sie in die Übertragung zu Beginn nicht als Sportmoderatorin eingebunden. Stattdessen wurde noch einmal ausdrücklich ihre Sonderrolle in der Woche der Vielfalt unterstrichen. Als Bundestrainer Hansi Flick zum Interview kam, gab sich Co-Moderator Florian König gönnerhaft: "Monica, du darfst die erste Frage stellen". Die Ironie der Geschichte ist dann, dass die Journalistin Lierhaus - wenn sie dann endlich machen darf, was sie liebt und gelernt hat - die kritischsten Fragen am Abend stellte. Bei der Nachberichterstattung funktioniert die Abstimmung zwischen König und Lierhaus immerhin schon um einiges besser - aber das Gefühl, die Moderatorin könnte für RTL nur ein Aushängeschild in Sachen Inklusion sein, bleibt. 

Es geht nicht um den Sport, es geht um Monica Lierhaus

Ähnlich ist es bei "Punkt 12" und der bereits angesprochenen Wochenserie von Lierhaus. Dass sie und ihr Werdegang im Rahmen der Magazin-Sendung noch einmal ausführlich vorgestellt werden - geschenkt. Danach sah man am Montag Lierhaus aber eben nicht auf Mission bei den Menschen, die sich zurück ins Leben gekämpft haben - sondern ein Interview einer Reporterin mit Monica Lierhaus, die über ihre Erfahrungen während der Begegnungen ausgefragt wurde ("Fühlst du dich mit ihnen besonders verbunden?"). Erst einen Tag später, am Dienstag, ging es in der Wochenserie um einen Menschen, den Lierhaus zum Gespräch getroffen hatte. 

"Ihre Ziele sind die gleichen geblieben: Arbeiten, aktiv sein, Sport machen und neue Menschen kennenlernen - und genau das wird sie für uns eine Woche lang tun", ist am Ende des "Punkt 12"-Beitrags über das Leben von Monica Lierhaus zu hören. Und vielleicht ist genau das Problem: Wieso eigentlich nur eine Woche? Ist es schon Inklusion, wenn man eine Woche alles vor die Kamera zerrt und danach die Aufmerksamkeit wieder verschwindet? Inklusion funktioniere in Deutschland mal mehr, mal weniger gut, sagt Lierhaus im RTL-Interview - und verweist auf die Deutsche Bahn, wo Menschen mit Behinderung noch immer Probleme beim Ein- und Ausstieg in Züge haben. Und was ist mit RTL? Es wäre schön, wenn das Scheinwerferlicht auf die Inklusion auch bewiesen hätte, dass es ein Stück weit um Normalität geht.