Die Beschreibung dieser Serie klingt wie ein kalkulierter Tabubruch: Derya, Malik, Chloë und Schröder sind alle bei der Psychotherapeutin Dr. Thomalla in Behandlung. An dem Tag, an dem Thomalla tot vor ihrem Haus aufgefunden wird, treffen die vier zum ersten Mal aufeinander. Zwischen Polizei, Krankenwagen und Kriseninterventionsteams beschließt Derya, die Therapie der Gruppe unter ihrer Anleitung fortzuführen – und lässt die anderen im Unklaren darüber, dass sie selbst auch Patientin war. Stattdessen gibt sich die junge Frau als Assistentin von Dr. Thomalla aus. Das hat unerwartete und teils fatale Folgen.

Während manche nun kritisieren würden, dass das Thema psychischer Erkrankungen ein viel zu ernstes Thema sei, um es so zu besprechen, zeigt die von Real Film Berlin produzierte Serie, dass es eben doch geht. Trotz vieler Stolpersteine halten die vier jungen Menschen zusammen und stellen sich etwa gegen den naiv-dummen Notfallseelsorger, der es zwar gut meint, aber nicht gut macht. Und auch sonst halten sie zusammen und versuchen, sich gegenseitig Halt zu geben, obwohl alle vier mit ihren Problemen zu kämpfen haben. 

Das Ziel der Macherinnen und Macher, psychische Erkrankungen auch jenseits von Depressionen zu erzählen geht auf - und dürfte dem ein oder anderen Zuschauer Augen öffnen. Die eine hat Zwangsstörungen, der andere nimmt Drogen und denkt, er hätte alles im Griff, und wiederum eine andere aus der Gruppe wird so schnell wütend und aggressiv, dass sie deshalb schon vorbestraft ist. Das alles wird auf Augenhöhe und ohne erhobenen Zeigefinger erzählt. 

Serie legt Probleme offen

Dass die Verantwortlichen das Thema aber sehr ernst nehmen, zeigt sich schon in einer ausführlichen Triggerwarnung ganz zu Beginn der ersten Folge. Dort wird auf Hilfsangebote im Abspann verwiesen und auch auf dem eigenen Instagram-Kanal wollen die Macherinnen und Macher Informationen zu den verschiedenen Themen zur Verfügung stellen und entsprechende Hilfsangebote verlinken. Und nicht nur die verschiedenen psychischen Erkrankungen werden durch die Serie sichtbar. Gleich zu Beginn wird in einer drastischen Szene auch klar, was passieren kann, wenn Betroffene von einer Stelle zur nächsten geschickt werden und es schlicht nicht genug Therapieplätze gibt - ein Zustand, der in Deutschland Alltag ist. 

Everyone is f*cking crazy © tSR/Real Film Berlin/Maor Weisburd Hier nimmt die Serie ihren Ausgang: Dr. Thomalla wird tot vor ihrer Praxis gefunden. Auch weil die Szene in Teilen zu sehen ist, gibt es eine Triggerwarnung zu Beginn.

In jeder Folge von "Everyone is f*cking crazy" steht eine andere Figur im Mittelpunkt. Zumindest in den drei vorab von der ARD zur Ansicht angebotenen Folgen können die Zuschauerinnen und Zuschauer dann sehen, welche Auswirkungen die Erkrankungen haben und wie die Figuren versuchen, damit zu leben. Das ist teilweise tragisch, macht gleichzeitig aber auch Mut. Und nicht selten passt der Text aus dem Titelsong der Serie: "Die Menschen sind schlecht und die Welt ist am Arsch, aber alles wird gut."

Im Laufe der Zeit ergeben sich viele Konflikte, aber auch Annäherungsmomente zwischen den Charakteren. Und über allem schwelt die Tatsache, dass Derya gar nicht die Assistentin von Dr. Thomalla war - und auch psychisch krank ist, ihre Geschichte wird aber erst später so richtig thematisiert. Behutsam haben Luzie Loose, die auch Regisseurin der Serie ist, Lisa Rüffer, Lukas von Horbatschewsky und Head-Autor John-Hendrik Karsten das Thema umgesetzt. Für die jungen Schauspielenden könnte "Everyone is f*cking crazy" zum Karrieresprungbrett werden: Via Jikeli (Derya), Arsenij Walker (Malik), Maja Bons (Chloë) und Luise von Stein (Schröder) liefern alle Emotionen ab und können so überzeugen.

Muss man das linear wirklich so versenden?

Die erste Mediatheks-Serie des SR ist also durchaus gelungen. Sie handelt von einem wichtigen Thema, das ansprechend und allen voran zielgruppengerecht umgesetzt wurde. Und auch wenn die Serie von Real Film Berlin explizit für die Mediathek produziert wurde, muss die Frage erlaubt sein, weshalb man im Linearen so stiefmütterlich mit ihr umgeht. Beim kleinen SR Fernsehen konnten sie offenbar keinen besseren Sendeplatz auftreiben als donnerstags irgendwann in der Nacht um weit nach 0 Uhr. Diese Programmierung lässt sich beim besten Willen nicht erklären. 

Und auch wenn Autorin, Regisseurin und Co-Creatorin Luzie Loose im Begleitmaterial der Serie von ihrer Hoffnung spricht, ein "jüngeres Publikum für die ARD Mediathek interessieren zu können", meint sie damit hoffentlich: Für die Serie und ihren Inhalt begeistern zu können. Dass die ARD nun verstärkt auch junge Zielgruppen vor allem über ihre Mediathek erreichen will ist richtig und wichtig, das darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Im Vordergrund müssen immer noch die Produktionen, ihre Protagonistinnen und Protagonisten sowie die Menschen vor den Bildschirmen stehen. Zumal sich "Everyone is f*cking crazy" nicht nur an junge Menschen richtet, von dieser Serie können Personen aus allen Altersklassen noch etwas lernen. 

Alle acht Folgen von "Everyone is f*cking crazy" sind ab Samstag, den 12. August, in der ARD Mediathek verfügbar. Im SR und SWR Fernsehen sind die Folgen am 24. und 31. August jeweils nachts nach 1 Uhr zu sehen, bei One erfolgt die Ausstrahlung ab Mitte September immer am späten Donnerstagabend.