Die Suche nach dem nächsten großen Hit-Format ist so akut wie sie gleichzeitig stets dementiert wird: Es gebe ja doch keine Fernsehideen vom Format eines „Pop Idol“ oder „The Voice“ mehr. So jedenfalls trösten sich Einkäufer aus aller Welt, wenn wieder einmal eine Fernsehmesse ohne großen Hit vergeht. Zuletzt konnten „Rising Star“ und „Utopia“ die zwischenzeitlich hohen Erwartungen nicht erfüllen und entpuppten sich als Flops. Wer aber nicht nach dem einen Hit sucht, sondern eine Euphorie-Stufe darunter nach passenden Formaten für konkrete Sendeplätze Ausschau hält, der wird fündig. Jede Zielgruppe kann ihren eigenen Hit bekommen.



Das New Golden Age of Television für anspruchsvolle Serien ist dabei Segen und Fluch zu gleich für das Formatgeschäft: Einerseits rücken seit zwei Jahren die fiktionalen Produktionen auch bei der MIPCOM immer stärker in den Mittelpunkt der Wahrnehmung, so dass non-fiktionale Unterhaltung insbesondere in Form der Shiny Floor Show in mancher Betrachtung des Mediums wirkt wie ein Genre des vergangenen Jahrzehnts. Andererseits schlummern Chancen in dieser Situation. Die großen werbefinanzierten Sender können - nicht nur in Deutschland - mit der wöchentlichen und von Reklame unterbrochenen Ausstrahlung in der Regel nicht vom Serienfieber profitieren, das vornehmlich in der Nische um sich greift.

Es müssen also andere Konzepte her. Die Suche nach Alternativen wird intensiver, die Lust auf Experimente größer und die Bereitschaft über den Tellerrand hinaus auch in bislang fremden Märkten nach neuen Ideen zu schauen, steigt. Und so steigt zur Verwunderung mancher Pessimisten auch die Nachfrage nach TV-Ideen aus Deutschland. Der Vorteil von Fernsehen made in Germany: Mögen manche der in Cannes vorgestellten Ideen mit astronomischen Marktanteilen in kleinen TV-Märkten prahlen können, so ist ein ordentlicher Erfolg im hartumgekämpften deutschen Fernsehen das weitaus effektiveres Verkaufsargument.

Die Hoffnung internationaler Einkäufer: Schafft es eine Idee hier, schafft sie es überall. Eines der Produktionshäuser, das schon länger mit gleich zahlreichen deutschen Eigenentwicklungen nach Cannes fährt, ist Endemol Shine Germany. Mit dabei waren schon und sind auch diesmal wiede u.a. „Das Duell um die Welt" ("World Games"), "Kitchen Impossible", "Kaum zu glauben" ("Hard to Believe") sowie "Schulz in the Box" ("Host in the Box“). Aktuelles Highlight ist aber das „Superhirn“. Während es beim ZDF nach seiner Form sucht, verkauft es sich international. In den USA hat Fox nach einem einmaligen Test im Januar gleich eine ganze Staffel geordert.

Der Verkauf dieser Gameshow-Idee aus der Schmiede von Jörg Pilawa an Fox ist sinnbildlich für ein Formatgeschäft, in dem alle früher mal ungeschriebenen TV-Gesetze außer Kraft gesetzt wurden. ABC geht noch einen Schritt weiter und hat im US-Fernsehen am Sonntagabend einen Gameshow-Abend erfolgreich etabliert, den es so seit vielen Jahren nicht bei US-Networks gab. Und die Nachfrage nach erprobten Show-Konzepten lässt nicht nach.

FremantleMedia, die Produktionstochter der RTL Group, bringt unter dem Titel „Who knew?“ den Vorabend-Erfolg „Wer weiß denn sowas?“ als Katalog-Highlight zur Messe nach Cannes. Und schon im Vorfeld laufen auch hier bereits Gespräche. Nach DWDL.de-Informationen gibt es Interesse aus den USA. Eine deutsche TV-Idee aus der einstigen „Todeszone“ der ARD vor der Reise in das Fernsehland der unbegrenzten Möglichkeiten? Die Chancen standen nie so gut wie heute für in Deutschland entwickelte und erprobte Ideen.

Ein noch aktuellerer Fall: Distributor Armoza Formats bringt „Curvy Supermodels“ mit nach Cannes. Die TV-Idee der unabhängigen Produktionsfirma Tresor TV feierte gerade erst vergangene Woche einen erfolgreichen Start bei RTL II. Schon vor Messestart liegen mehrere Angebote vor, jubelt man auch dort. Wie bei allen Messeteilnehmern gilt: Interesse ist noch kein Abschluss und erstmal nichts mehr als Buzz der generiert werden will. Dass da aber die genannten und einige andere deutsche Formate mitmischen, ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die nicht untergehen sollte wenn in den kommenden Tagen wieder mal sehr oft das Augenmerk vornehmlich auf den Exporterfolgen der großen Mehrteiler und Prestige-Serien hat.