Es wird anstrengend. Sehr anstrengend. Wer sich am Sonntagabend traditionell aufs heitere „Tatort“-Wohlfühlambiente der Marke Münster eingerichtet hat, geht besser gleich grillen und schaut dabei Frauenfußball im ZDF oder den Hollywoodschinken bei RTL. Nichts ist in dieser „Polizeiruf 110“-Folge glatt, alles kommt kompliziert daher. Nichts ist klar, und es wird auch nichts klar. Alles verworren, kein weißer Ritter nirgendwo. Schon gar nicht der von Matthias Brandt gespielte Hanns von Meuffels. Der ist ein Kommissar, mit dem man es im wirklichen Leben eher nicht zu tun bekommen möchte. Weil er so zweideutig agiert, so verworren spricht und seine Strategie erst offenlegt, wenn man ihn bereits abgeschrieben hat.

Es geht um einen Transsexuellen, der auf einem Münchner Polizeirevier zu Tode gekommen ist. Nun muss irgendwer den Fall aufklären. Keiner will das, Hanns von Meuffels muss. Er wird zu inneren Ermittlungen abkommandiert und stößt auf dem Revier in ein Wespennest. Alle haben Angst, alle haben etwas zu verbergen. Nicht alles hat mit dem Tod zu tun, aber da sind so einige dabei, die ein sehr eigenes Bild davon haben, wie Polizeiarbeit auszusehen hat. Schnell gerät Meuffels zwischen die Fronten.

Solche Geschichten wurden im deutschen Fernsehen schon oft erzählt, allerdings noch selten so kompromisslos wie es Regisseur Jan Bonny tut. Er verzichtet weitgehend auf Musik, lässt nur hier und dort mal sanft ein Piano klimpern. Dazu setzt er auf die wackelige Handkamera, und wer genau verstehen will, was die Akteure da sagen, muss schon sehr nah den Lautsprecher heranrücken. Es wird gemurmelt, genuschelt und gezischt. Das ist nicht das gewohnte Schauspielerdeutsch, bei dem der eine Akteur die letzte Silbe des anderen ausklingen lässt, bevor er selbst in Geschliffenem badet. Das ist wie aus dem Leben gegriffen, wo man auch nie alles sofort versteht, wo man sich vieles zusammensetzt, um mitzukommen.

Man muss bei diesem Film mitarbeiten, sonst funktioniert er nicht. Er serviert nichts auf dem Silbertablett, eher auf einer gebrauchten Pommesschale. Man sieht sehr viele, sehr aggressive Menschen, sehr viele verzweifelte Menschen. Deren Wut speist sich aus unterschiedlichen Quellen, aber sie wird in fast allen Fällen verständlich. So verständlich, dass der Zuschauer schon bald in denselben Konflikt gerät wie Hanns von Meuffels. Soll er weiter eindringen in das Verschwörungsgeflecht der Kollegen, oder soll er zu einem schnellen Schluss kommen?

Als Antrieb kommt eine transsexuelle Tänzerin mit Namen Almadine daher. Sie war die Partnerin der zu Tode gekommenen, sie hat Anzeige erstattet, sie hilft Meuffels, den richtigen Weg zu suchen. Lars Eidinger spielt diese Almadine manchmal ein Spur zu pathetisch, manchmal aber auch so, dass tiefe Einblicke in eine Schattenwelt hinter den Neonreklamen der Sexclubs möglich werden.

„Unser Prime-Time-Fernsehen kann wirklich alles – wenn es will", sagt Dominik Graf, der als Unbeteiligter die Arbeit seines Regie-Kollegen Bonny großartig findet. Man kann ihm nur schwer widersprechen, auch weil diese „Polizeiruf 110“-Folge so klar heraussticht aus dem Krimieinerlei. Sie macht keine gute Laune, eher im Gegenteil. Auf einmal erwischt man sich bei dem Wunsch, Günther Jauch möge im Anschluss an diesen Film das Thema aufgreifen und seine Gäste sagen lassen, dass es nicht ganz so schlimm zugeht im richtigen Leben. Aber Günther Jauch macht Ferien, es folgt ein weiterer düsterer Mankell-Wallander-Krimi, und so bleibt die Befürchtung, dass es möglicherweise alles noch viel schlimmer ist.